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In 20 Sprachen um die Welt von Gaston Dorren - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



In 20 Sprachen um die Welt 


von Gaston Dorren

Die größten Sprachen und was sie so besonders macht


Die weltweit größten Sprachen, nur 20 Muttersprachen, die unsere halbe Welt ausmachen, unter Lupe: Drei Viertel aller Menschen sprechen mindestens eine von ihnen, obwohl es über 6000 Sprachen gibt. Die Herkunft und ihr Aufstieg, bzw. der Abstieg von anderen wird hier interessant erklärt – Kulturgeschichte inbegriffen. Zu Beginn gibt es jeweils einen kleinen Steckbrief zur Sprache: Eigenname, Sprachfamilie, welche Schriftzeichen werden verwendet, Grammatik und Aussprache (soweit strukturell zu erklären), Klang, Lehnwörter, Export, schwierige Akzente. Welche Sprachen sind besonders schwer zu lernen? Die Verabschiedung von unserer strukturellen europäischen Grammatik fällt uns schwer, wenn diese mit sozialen Bezügen, Befindlichkeiten oder Betonungen der einzelnen Silben in Asien gebildet wird. Die Kolonialmächte Großbritannien, Spanien, Niederlande, Portugal brachten ihre Sprachen in die neuen Welten. Mal drüber nachgedacht, wieso das kleine Portugal eine Weltsprache hervorbrachte und die Niederlande nicht? Warum sprechen japanische Frauen anders als japanische Männer? Und wieso funktionieren nicht-alphabetische Schriften genauso gut wie unsere 26 Buchstaben? Linguistische Absonderlichkeiten, Sprachfamilien und Sprachstämme anschaulich erklärt und die Erkenntnis, dass wir alle mehr Arabisch können, als wir denken. Sachlich, mit einer Prise Humor erklärt, verständlich – ein Füllhorn von Information und Erkenntnis für alle, die Sprachen lieben. 


Wenn Sie sagen wollen, ‹Ich wurde ins Theater mitgenommen›, kann das korrekte Wort für ‹wurde› entweder ‹bekam› oder ‹ertrug› sein, je nachdem, ob Sie sich erfreut oder widerwillig haben mitnehmen lassen.


Gaston Dorren beginnt mit dem Vietnamesischen, das er gerade versucht zu lernen. Aussprache und Grammatik, wie wir sie als Europäer strukturieren, gibt es nicht, bzw. diese Strukturen sind simpel. Aber wenn es ans Eingemachte geht, gestaltet sich die Satzbildung schwierig. Personalpronomen: Es gibt kein einfaches ich oder du. Die Bildung hängt vom Geschlecht, Alter, mit der Beziehung zu anderen Personen ab ... also Hunderte Ichs und Dus. Es gibt unzählige gleiche Wörter, die aber viele verschiedene Bedeutungen haben, auch die Wortreihenfolge ist kompliziert, ganz zu schweigen von der Aussprache. Der sprachkundige Autor sagt: Vietnamesisch ist wirklich schwer!


Und warum bloß werden Flüsse, Messer und Augen grammatisch wie Tiere behandelt? Dies alles fasziniert den Linguisten in mir, aber es schüchtert den Schüler ein.



Es folgt das Koreanische, das keine Geschlechter kennt, aber dafür sieben Fälle. Es gehört zu den isolierten Sprachen – es gibt keine familiären Verbindungen zu anderen Sprachen der Welt. Es ist eine Sprache der Klänge, der Idiophone, also Wörter, deren Klang auf ihre Bedeutung hinweist. Eine Sprache, die sich durch Pausen und Redefluss, Tonlage, Lautstärke, Sprechtempo und Gestikulieren in der Bedeutung zusammensetzt.


Ein Türke konnte sein ganzes Leben in Istanbul oder Ankara verbringen, ohne die Sprache je zu beherrschen und ohne überhaupt viel davon zu verstehen; das ging nicht, ohne Unterricht zu nehmen.


Die Geschichte der türkischen Sprache ist interessant. Es war früher eine tote Sprache, die der Gebildeten, ein Wortschatz der hauptsächlich aus dem Persischen und dem Arabischen entlehnt war. Unter Präsident Mustafa Kemal – auch Atatürk genannt – der sehr westlich orientiert war, sich von allem Arabischen trennen wollte, gab es so etwas wie eine Sprachrevolution. Das lateinische Alphabet wurde eingeführt, alle persisch-arabischen Fremdwörter (circa 60 Prozent des alten osmanischen Vokabulars) wurden entfernt und durch Kunstwörter ersetzt, teils Lehnwörter aus westlichen Sprachen. Dafür startete er eine «Mobilmachung für die Wörtersammlung». Es gab ein ziemliches Kuddelmuddel, bis die Sprache stand und nicht alles war dabei überlegt gestaltet, was natürlich auch zu Ärger in einigen Teilen der Bevölkerung führte. 



Als imperiale Sprachen bezeichnen wir Englisch, Französisch, Portugiesisch, Spanisch, Russisch und Arabisch. Französisch galt als Sprache der Diplomatie, der Post und der Küche; zu weiteren regionalen Verkehrssprachen gehören Malaiisch und Suaheli. Es sind sogenannte Linguae francae, also Sprachen, die als Brücke zwischen verschiedenen Muttersprachen dienen. Deutsch steht auf der linguistischen Kuriositäts-Rangliste ganz oben mit 20 Merkmalen. Man belächelt im Allgemeinen die drei grammatischen Geschlechter und unsere Wortreihenfolge ist kompliziert.



Innerhalb eines freien Volks muss die Sprache für alle ein und dieselbe sein, erklärte der Revolutionär Bertrand Barère. ‹Das barbarische Gejammer› und das ‹grobe Kauderwelsch› der ländlichen Bevölkerung ‹dienen nur den Fanatikern und Kontrarevolutionären›.


Die Französische Revolution machte sich daran, die Dialekte auszurotten. «Ein Land, ein Volk, eine Sprache.» Das Javanische trägt streng eine hierarchisch strukturiertes Höflichkeitssystem, das «Krama», das sich heute völlig antiquiert darstellt. Speziell die Jüngeren weichen deswegen häufig auf die indonesische Variante des Malaiischen ab. Wenn wir uns mit Sprache befassen, geht es meist gleichzeitig um Kulturgeschichte, um historische Entwicklungen in der Welt. Wer dominiert und warum, wer wird reduziert oder ausgelöscht? Alles hat mit Machtverhältnissen oder kulturrevolutionären Entwicklungen zu tun. Sprache ist Kultur und damit unauflöslich mit Geschichte verbunden. Insofern würde ich dieses Buch nicht ausschließlich als linguistisches Buch betrachten, sondern auch als Ausflug in die Geschichte. Mit viel Sachkenntnis ausgestattet, aber auch mit erzählend-anekdotischem Stil hinterlegt, ist dieses Sachbuch ein Lesevergnügen.



Gaston Dorren
In 20 Sprachen um die Welt
Die größten Sprachen und was sie so besonders macht
Aus dem Englischen übersetzt von Juliane Cromme
Sachbuch, Sprachen, Linguistik, Kulturgeschichte, historisches Sachbuch
Hardcover mit Schutzumschlag, 400 Seiten
C.H. Beck Verlag, 2021


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