Rezension
von Sabine Ibing
Garden – Ein Kochbuch
von Thorsten Südfels, Adam Koor und Meike Stüber
Vom Garten auf den Tisch – moderner, naturverbundener Lifestyle pur! … Drei Freunde – ein kreatives Trio – eine Vision: Ein Kochbuch voller Rezepte, dessen Zutaten eigens angebaut werden. Die Liebe zum Garten, zum Gärtnern und zum Gestalten. Die vier Jahreszeiten führen den Leser durch das Buch. Alle Rezepte richten sich nach dem Zyklus der Natur.
So der Pressetext. Das Cover zeigt frisches Gartengemüse und untermalt diese Vorstellung. Die Fotos in diesem Buch sind absolut Extraklasse, denn die Autoren sind Fotografen. Und ich nehme mal an, dass genau das dazu führte, den Ansprüchen an das Konzept des Buch nicht gerecht zu werden. Die Gerichte sind theoretisch einfach nachzukochen. Praktisch hapert es häufig an den Zutaten. Mein Hauptkritikpunkt sind die Frischezutaten der Rezepte, die nun mal nicht unbedingt parallel im Garten wachsen, bzw. gar nicht. Und auch die Anleitungen würde ich keinem Anfänger zumuten wollen.
Die Haptik des Covers steht in direkter Verbindung zum Inhalt des Buches: Eine erdige, raue und matte Buchoberfläche lässt den Leser schon bei der ersten Berührung in seine Welt eintauchen. Das Kochbuch «Garden» ist nicht allein ein Buch voller Rezepte. Es ist vor allem ein Buch für Gartenliebhaber und eine Hommage an die Naturschätze, an die Erde, an unsere Gärten. Es ist ein Kochbuch und ein Kunstwerk zugleich.
Viele Versprechungen, die hier nicht eingehalten werden! Denn man muss sich ja an Zielen messen lassen. Vorweg, es gibt wirklich gute Rezepte und Anregungen in diesem Buch – aber wer ein Kochbuch sucht, das nach Jahreszeit die Frische des eigenen Gartens, bzw. die Auswahl des Wochenmarkts oder des Obst- und Gemüsehändlers widerspiegelt, der liegt hier falsch. Die Gerichte sind einfach nachzukochen. Aber sie sind nicht einfach in den Zutaten – wie man bei einem Gartenkochbuch erwarten mag – es gibt ziemlich viel Chichi, was so gar nicht zu dem erdigen Anspruch passen mag.
Kohlrabi, Lachs, Kabeljau |
Ein Kochbuch für Gleichgesinnte und Neugierige. Für den Reihenhausgartenbesitzer, den Urban Gardener, den Kleingärtner. Für den großen und kleinen, alten und jungen Gartenfreund, der von schönen Bildern und kulinarischen Höhepunkten rund um Gemüse, Kräuter, Beeren, Wurzeln und Früchten kaum genug kriegen kann. Das Autorenteam hat zwölf Monate lang gesät, gepflanzt, geerntet, kombiniert und variiert.
Das Buch ist nach Jahreszeiten eingeteilt, legt los mit dem Frühling. Beginnen wir mit dem ersten Rezept: Topinambur mit Kirschtomate und Babyspinat. Topinambur ist ein typisches Wintergewächs, wird von Oktober bis maximal März geerntet. Tomaten wachsen bekanntlich im Sommer, Spinat könnte man zum Frühjahrsgemüse hinzurechnen, den man ab Mai ernten kann. Bei weiteren Zutaten musste ich erstmal googeln: Shiso-Kresse. Mit der Garten- oder Brunnenkresse ist die Shiso-Kresse, die auch Perilla genannt wird, nicht verwandt. Ein Gewächs, dass ich auch in unserer Gärtnerei nicht finden werde. Klar, man kann die Samen kaufen, aber grundsätzlich finden wir das japanische Gewürz in unseren Gärten nicht vor. Weiter geht es mit Bärlauch-Kaninchen-Erdnuss. Klar, Bärlauch ist ein typisches Frühjahrsgewürz. Aber wie sieht es mit dem Rest der Zutaten aus? Sojasoße, Sesamöl, Reisessig (den habe ich nicht zu Hause), Erdnusskerne, griechischer Joghurt, 1 Minigurke (kein Frühjahrsgewächs), getrocknete Kirschen (die muss man online bestellen), Erdnussöl. Letztendlich ist hier nur der Bärlauch aus dem Garten. Für das nächste Rezept Liebstöckel-Heu-Forelle benötige ich eine große Handvoll Heu. Da wir unseren Rasenschnitt nicht trocknen, frage ich mich, woher ich wohl das Heu bekommen mag. Oder nehmen wir das übernächste Rhabarberrezept mit Schweinekotelett und Aubergine (lange, dünne werden benötigt). Die Aubergine gedeiht selten in unseren Regionen, ihr ist es bei uns meist zu kalt. Und natürlich, ist sie ein typisches Sommergemüse. So könnte ich weiter fortfahren.
Bärlauch, Kaninchen, Erdnuss |
Stachelbeere, Eiweiß, Zucker |
Es gibt ein paar gute Rezepte und Ideen, ohne Frage. Nur der Anspruch und die Aufmachung für dieses Konzept geht nicht auf. Gartenküche, «eine Hommage an die Schätze der Natur, an die Erde, an unseren Garten», wie es im Vorwort heißt, wird hier nur spärlich verwendet. Gartenküche bedeutet regional – frisch. Doch leider kommen hier jede Menge Gemüse und Obst darin vor, die üblicherweise nicht in unseren Gärten gedeihen, schon gar nicht so, wie sie zusammen variiert werden. Vielleicht ist das ganze visionär gedacht und die Klimaerwärmung wird uns die Anzucht von Artischocken und Kokosnüssen möglich machen. Genauso wenig regional sind die teuren Zutaten, spezielle Nudeln und Reis, spezielle Sorten von Oliven usw. Es wird viel mit asiatischen Gewürzen gearbeitet - auch das gehört nicht unbedingt in die Gartenküche. Viele von diesen Gewürzen bekommt man nicht im Supermarkt nebenan – muss wie bei den Beilagen im Internet bestellen. Die meisten Gerichte werden mit Fleisch und Fisch gekocht – auch hier kein Wort zur Nachhaltigkeit. Wer Gemüsegerichte sucht, wird kaum fündig. Genau das ist das Gegenteil von Slow Food: Saisonal, regional, handgemacht und eben nachhaltig – mit gutem Umgang mit unseren Ressourcen hat dieses Buch ganz und gar nichts zu tun!
Die Fotografen Thorsten Suedfels, Foodstylist Adam Koor und die Stylistin Meike Stüber leben mit ihren Familien in Hamburg und arbeiten dort für namhafte Foodmagazine, Buchverlage und Agenturen.
Thorsten Südfels, Adam Koor, Meike Stüber
Garden – Ein Kochbuch
Sachbuch, Kochbuch, regionale Küche
224 Seiten
ZS Verlag, 2019
Sachbücher
Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.Sachbücher
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