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Fifty Fifty von Steve Cavanagh -Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Fifty Fifty 


von Steve Cavanagh

Gesprochen von Thomas M. Meinhardt und Susanne Schroeder
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 13 Std. und 39 Min.


Der Anfang: 

Drei Wörter machen uns Strafverteidigern mehr Angst als alles andere. Diese drei Wörter starrten mich auf meinem Telefon an. Die Nachricht war eben erst gekommen.

SIE SIND ZURÜCK.

Die Geschworenen waren kaum achtundvierzig Minuten weg gewesen.

In achtundvierzig Minuten kann man manches erledigen. Man kann zu Mittag essen. Man kann einen Ölwechsel vornehmen. Wahrscheinlich schafft man sogar eine ganze Folge seiner Lieblingsserie.

Aber ganz sicher schafft man es nicht, in achtundvierzig Minuten ein gerechtes und ausgewogenes Urteil im komplexesten Mordprozess der Geschichte New Yorks zu fällen.


Bei der Polizei geht ein Notruf ein: Eine Frau meldet, sie habe ihren Vater in seinem Haus tot aufgefunden, alles sei voller Blut. Ihre Schwester ist eine Mörderin und sie habe Angst, dass diese sich noch im Haus befinde. Darum werde sie sich nun im Bad einschließen, bis die Polizei eintreffe. Zwei Minuten später, geht bei der Polizei ein weiterer Notruf ein: Eine Frau meldet, sie habe gerade das Haus ihres Vaters betreten, ihn im Schlafzimmer tot aufgefunden, erstochen. Es muss ihre Schwester gewesen sein! Eine von beiden war es, so viel ist klar: Eine ist unschuldig. Die andere eine eiskalte Killerin. Beide werden angeklagt. Eddie Flynn bemüht sich darum, eine der Schwestern zu verteidigen. Sofia. Aber er hat ein Prinzip: Nichts als die reine Wahrheit! Lügt ihn ein:e Mandant:in an, legt er den Fall nieder; und wer getötet hat, der muss dazu stehen. Nur dann wird er als Verteidiger den Fall übernehmen, das Beste herausholen. Ein spannender Justizthriller, bei dem es nicht nur im Gerichtssaal hart zur Sache geht.


Fifty-fifty


Immer wieder landeten Unschuldige hinter Gittern – aber nicht, wenn ich meine Finger im Spiel hatte. Nicht mehr. Ich hatte gelernt, Menschen einzuschätzen, in Bars, in Kneipen, auf der Straße. Ich war ganz gut darin. Ich wusste schon bei der ersten Begegnung, ob ein Mandant schuldig war oder nicht. Und wenn er schuldig war, aber vor Gericht seine Unschuld beteuern wollte, wünschte ich ihm viel Glück und zeigte ihm die Tür. Darauf hatte ich mich vor Jahren mal eingelassen, und der Preis, den ich dafür zahlte, war zu hoch. Damals hatte ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört und meinem Mandanten die Freiheit verschafft. Er war schuldig, und ich hatte dafür gesorgt, dass er freikam. In gewisser Weise bezahlte ich für diesen Fehler immer noch. Niemand ist unfehlbar. Jeden kann man hinters Licht führen.


Frank Avellino wurde mit äußerster Brutalität in seinem eigenen Schlafzimmer erstochen, der Täter muss in einem wahren Blutrausch gehandelt haben. Besser gesagt: die Täterin. Denn Franks Töchter Alexandra und Sofia beschuldigen sich gegenseitig der Tat. Sowohl Eddie Flynn, der Sofia vor Gericht verteidigt, als auch Alexandras Anwältin Kate Brooks glauben an die Unschuld ihrer Mandantin. Der Ermordete war nicht nur ehemaliger Bürgermeister von New York, es gibt auch ein Erbe von 44 Millionen Dollar zu verteilen. Und Eddie Flynns Chancen, die richtige Schwester vor dem Gefängnis zu bewahren, stehen fifty-fifty ... Frank hat als Berater einen Freund engagiert, einen gerade pensionierten Richter und zu seinem Team gehört seit längerem eine Ermittlerin. Auch Kate arbeitet mit einer Detektivin zusammen. 


Beide haben Zweifel  an der Glaubwürdigkeit der eigenen Mandantinnen

Der Thriller wird aus wechselnden Perspektiven erzählt: Das jeweilige Verteidigungsteamteam und die Schwestern. Wir erfahren von SIE, dass sie nicht nur den Vater getötet hat, sondern bereits als Kind die Mutter die Treppe heruntergeschubst hat, auch die zweite Ehefrau des Vaters um die Ecke brachte, es der Schwester bewusst nun in die Schuhe schieben will, dass sie seit langem eine Serienmörderin ist. Wer ist SIE, Alexandra oder Sofia? Letztendlich geht es um Verteidigungsstrategien, darum, Sachverständige auseinanderzunehmen, die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu mindern und neue Beweise und Zeugen für die eigene Theorie zu finden. Die beiden Verteidigungsteams sind fleißig und ehrenhaft, agieren nicht mit faulen Tricks. Beide sind im Laufe der Ermittlung auch ehrlich mit sich selbst, stellen die Glaubwürdigkeit der eigenen Mandantinnen in Zweifel. Nichts ist in diesem Fall wie sonst. Menschen, die mit dem Fall zu tun haben, werden ermordet, verunfallen. Zufall, oder hängt alles mit allem zusammen? Alexandra oder Sofia, wer ist die Soziopathin?


Die Mischung aus Gerichtsverfahren und Ermittlung 

Warum man diesen Psychothriller mögen wird: Ein Pageturner, spannend, temporeich, mit vielen Wendungen, lockt den Lesenden auf die falsche Fährte und er ist unterhaltsam. Eddie Flynn ist ein Ehrenmann, einer der Aufrechten mit dem Glauben an Gerechtigkeit  – unter Strafverteidigern sicher eine Seltenheit. Die Mischung aus Gerichtsverfahren und Ermittlung macht die Geschichte mitreißend und interessant. Wie glaubwürdig sind Indizien, forensische Beweise? In welcher moralischen Zwickmühle sitzt ein Strafverteidiger? Für mich der erste Steve Cavanagh – aber garantiert nicht der letzte Kriminalroman von ihm! Empfehlung!


Steve Cavanagh wuchs in Belfast auf und studierte in Dublin Jura. Er arbeitete in diversen Jobs, bevor er eine Stelle bei einer großen Anwaltskanzlei in Belfast ergatterte und als Bürgerrechtsanwalt bekannt wurde. Mittlerweile konzentriert er sich auf seine Arbeit als Autor. Seine Thrillerserie um Eddie Flynn machte ihn zu einem der international erfolgreichsten Spannungsautoren.


Steve Cavanagh
Fifty Fifty
Originaltitel: Fifty Fifty, 2020
Gesprochen von Thomas M. Meinhardt, Susanne Schroeder
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 13 Std. und 39 Min.
Eddie Flynn-Reihe
Thriller, Psychothriller, Justizthriller, Kriminalroman, Kriminalliteratur, Englische Literatur
Aus dem Englischen übersetzt von Jörg Ingwersen 
der Hörverlag, 2022
Goldmann Verlag, 2022, 513 Seiten, Taschenbuch





Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

Kommentare

  1. Ich liebe die Bücher des Autors total. Die Mischung aus Krimi, Thrill und eine Priese Humor, dazu die kleinen Tricks des Anwalts Eddie. Habe sogar meinen Mann angesteckt, der die Reihe nun ebenfalls liest!

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