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Felix Blom – Der Häftling aus Moabit von Alex Beer - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Felix Blom – Der Häftling aus Moabit 


von Alex Beer


Der Anfang: 

Die Abenddämmerung neigte sich ihrem Ende zu. Das blasse Himmelsblau verwandelte sich in düsteres Grau, das dem nahen Spreeufer eine unheimliche Aura verlieh.

‹Mir gefällt das hier nicht!› Ein grobschlächtiger Kerl, der wegen seiner tiefen Blatternarben ‹Atzi das Sieb› genannt wurde, blieb stehen und kniff die Augen zusammen.


Berlin, 1878: Felix Blom ist nach drei Jahren aus strenger Isolationshaft entlassen worden. Ein wundervolles Gefühl – doch halt! Die Auflagen lauten: Binnen drei Tagen einen festen Wohnsitz und eine Arbeitsstelle nachzuweisen, ansonsten muss er wieder einfahren. Wie soll das funktionieren? Der Meisterdieb, der es zum Gentleman geschafft hatte, wurde damals hereingelegt, für einen Diebstahl verurteilt, an dem er nicht beteiligt war. Sogar dem Kronprinzen hatte um einige tausend Golddukaten erleichtert, ohne erwischt zu werden. Warum sollte er, den man den Schatten von Berlin nennt, einen seiner feinen Manschettenknöpfe offensichtlich am Tatort liegen lassen. Das teuflische Indiz! Alles futsch: Haus, Vermögen, Verlobte, Auto – und auch die Freunde. Alle Versuche, an Geld oder Arbeit zu kommen, scheitern. 


Drei Jahre lang war er wie lebendig begraben gewesen. Gefangen hinter Mauern des Schweigens. Tag für Tag dieselbe geistlose Routine, dieselben farblosen Wände, faden Gerüche und derselbe geschmacklose Fraß. Jedes Kloster hatte mehr Sinn und Lebensfreude zu bieten als dieser eintönige, trübsinnige Albtraum: das Zellengefängnis Moabit. Felix Blom, Häftling mit der Nummer D13


Ein misteriöser Suizid

Bei der Polizei liegt ein ominöser Suizid vor. Ein junger Konditorgeselle war aus Dresden angereist, um sich in Berlin zu erschießen. In seiner Taschen befinden sich Abschiedsbriefe, sogar ein Testament und ein Schreiben auf hochwertigem Briefpapier mit feiner Schrift: «Binnen 3 Tagen wirst du eine Leiche sein.» Die Kommissare sind verwirrt. Wurde hier einer zum Suizid genötigt? Er wird nicht der Erste sein, der solche Briefe erhält – und tot aufgefunden wird.


Liman reichte Cronenberg einen Packen Briefe. ‹Die steckten in seinen Taschen.›

Der Kriminalkommissar faltete den obersten Brief auseinander. ‹An meine liebe Mutter›, las er vor, überflog den Rest und blickte hoch. ‹Herrn Jacobis letzten Worten folgt eine genaue Aufstellung all seiner Besitztümer – bis zu den Hosenknöpfen.›

‹Pulverrückstände, Schläfenschuss, Abschiedsbriefe, die Regelung seiner Hinterlassenschaft …› Bruno wirkte irritiert. ‹Das war Selbstmord. Noch eindeutiger geht es wohl nicht.›

... ‹Weil der junge Jacobi zwar durch seine eigene Hand starb, aber, wie es aussieht, nicht durch seinen eigenen Willen.› Liman reichte Cronenberg eine Karte aus elfenbeinfarbenem Büttenpapier, die mit eleganten schwarzen Buchstaben beschrieben war.


Ein starkes Team

Aber dann hat Blom doch Glück, denn sein Ziehvater, Unterweltboss Arthur Lugowski, stellt ihm für ein halbes Jahr die Wohnung von einem Gauner zur Verfügung, der gerade einsitzt. Keine nette Wohngegend, ausgerechnet im Krögel kommt er unter, ein Armenviertel direkt hinter der Kriminalpolizei. Ganz unten im Haus hat sich hinter einer knallroten Tür eine Detektei eingerichtet: Mathilde Voss. Als Mathilde von der Konkurrenz massiv bedroht wird, will sie die Detektei schließen, denn als Frau engagiert sie sowieso niemand. Blom hat eine Idee. Eine ehemalige Edelprostituierte und ein Meisterdieb haben einiges gemeinsam: Sie kennen viele Menschen, Geheimnisse, wissen wie die Leute ticken, sie haben gute Kontakte – zusammen könnten sie ein starkes Team werden. Mathilda wäre das Problem los, allein als Frau sich vorstellen zu müssen. Sie willigt ein, gibt Blom einen Arbeitsvertrag.


Aus der Spree? Ist er tot?

Nein, er hat nur ein bisschen gebadet. Natürlich ist er tot. So tot wie die Ratten, aus denen ihr eure Buletten macht.


Rundum gute Unterhaltung

Einige Personen erhalten Briefe von einem Unbekannten: «In wenigen Tagen wirst Du eine Leiche sein.» Als auch Blom eine solche Karte in einem feinen Umschlag unter seiner Tür durchgeschoben bekommt, steigt die Angst den Nacken hoch – und er will der Sache auf den Grund gehen. Charmant, mit ein wenig berliner Slang führt uns Alex Beer ins Berlin von 1878. Hinterhöfe, zugige, kalte Wohnungen, der Pumpbrunnen im Hof für das Wasser, Toilette auf halber Treppe, die für mehrere Wohnungen zu nutzen ist. Dagen reiche Villen in vornehmen Vierteln, feine Cafés, Kutschen in verschiedenen Preisklassen. Berlin ist gerade dabei aus seinem Kuhdorfcharakter zur Metropole aufzusteigen; jeden Tag strömen mehr Menschen in die Stadt, ihr Glück zu versuchen. Sehr fein beschrieben ist die aufkommende Gerichtsmedizin mit allen Gerüchen die dazugehören, und auch mit den Ressentiments, mit denen die Vorreiter zu kämpfen hatten. Mit viel Humor entwickelt sich der spannende und wendungsreiche Plot. Mehrpespektiv, mit einem zusätzlichen Einschub aus vergangener Zeit offenbart sich eine vielschichtige Handlung. Fluffig geschrieben, ein wenig Zeitkolorit aus dem alten Berlin – rundum gute Unterhaltung. 


Alex Beer, geboren in Bregenz, hat Archäologie studiert und lebt in Wien. Ihre spannende Krimi-Reihe um den Ermittler August Emmerich ist preisgekrönt – neben zahlreichen Shortlist-Nominierungen (u.a. für den Friedrich Glauser Preis, Viktor Crime Award, Crime Cologne Award) erhielt sie den Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur 2017 und 2019 und wurde ausgezeichnet mit dem Krimi-Publikumspreis des Deutschen Buchhandels MIMI 2020. Alex Beer wurde außerdem der Österreichische Krimipreis 2019 verliehen. Neben dem Wiener Kriminalinspektor hat Alex Beer mit Isaak Rubinstein eine weitere faszinierende Figur erschaffen, die in der Reihe »Unter Wölfen« während des Zweiten Weltkriegs in Nürnberg ermittelt.


Alex Beer 
Felix Blom - Der Häftling aus Moabit 
Krimi, historischer Krimi, Kriminalliteratur, Kriminalroman, Berlin
Taschenbuch, 368 Seiten 
Limes Verlag, 2022



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