Direkt zum Hauptbereich

Ein Riese warf einen Stein von Josef Guggenmos und Sabine Kranz - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Ein Riese warf einen Stein 


von Josef Guggenmos und Sabine Kranz


Mein alter Biolehrer würde vor Freude um dieses Buch tanzen – klar, ich bin natürlich auch voll begeistert! Kinder machen Blödsinn, weil sie nicht nachdenken. Und Kinder machen Blödsinn, weil sie gar nicht wissen, was sie mit ihrer Tat anrichten. Unser Biounterricht fand damals teilweise in der Natur statt. Und es gab im Wald das oberste Frühjahrsgebot: Auf den Wegen gehen, nicht quer durch den Wald rennen, weil man ansonsten die unsichtbaren Nester der Bodenbrüter aus Versehen zertrampelt. Und es gab so einiges zu beachten, das man aus Unwissenheit in der Natur zerstören kann. Wie in diesem Fall:




Aus Spaß wirft ein Kind einen Stein auf einen Ameisenhaufen. Ein Riese warf einen Stein - für die Ameisen ein Desaster. Josef Guggenmos, verstorben in 2003, ist einer der bekanntesten Kinderlyriker Deutschlands. Er schrieb das Gedicht «Ein Riese warf einen Stein», dass man am Stück auf der letzten Seite findet. Im Bilderbuch sind die einzelnen Zeilen auf die Seiten verteilt. Sabine Kranz hat das Ganze eindrucksvoll großformatig illustriert. Der Stein wirkt wie ein Erdbeben im Ameisenhaufen, bringt den Bau zum Einsturz.

Gänge und Zimmer stürzten ein.
Hunderte brachen ein Bein.
Zwei Dutzend brachen das Genick.
Andere hatten Glück.





Die Grafiken zeigen sehr eindrucksvoll, was hier passiert: Ameisen, die umherirren, Tote und Verletzte wegschleppen, Eier und Nahrungsmittel versuchen zu retten, zeigt wie sie die Königin retten und schließlich alles wieder neu aufbauen. Die Grafiken in der Querschnittszeichnung des Baues machen deutlich, was dieser Steinwurf anrichtet. Sie zeigen das Innere des Ameisenhaufens, seinen Aufbau und wie Ameisen leben. Achtsamkeit in der Natur, Respekt vor anderen Lebewesen, Naturkunde. Das alles aufgezeigt, ohne den Zeigefinger zu heben. Die Illustrationen von Sabine Kranz sind einfach, aber lebensecht gestaltet. Teilweise zoomt sie in der Perspektive auf Teilbereiche, die das Innenleben des Ameisenhaufens wie eine Lupe vergrößern. Ich finde, dieses Buch gehört in jeden Kindergarten! Ein wundervolles Gedicht, illustriert fordert es auf, darüber zu reden, was genau hier passiert. Emotion und Sachverhalt gekoppelt – besser geht es nicht. Die Altersempfehlung vom Beltz Verlag legt bei ab 4 Jahren. Auf Grund der einfachen Struktur und grafischen Deutlichkeit, kurzem Text, würde ich es ab 3 Jahren empfehlen.





Josef Guggenmos wurde am 2. Juli 1922 in Irsee im schwäbischen Allgäu geboren. Nach Kriegsende widmete er sich dem Studium der Germanistik und der Kunstgeschichte, arbeitete er als Lektor und Übersetzer für Verlage und lebte an wechselnden Orten, Ende der 50er Jahre kehrte er jedoch in sein Elternhaus in Irsee zurück, wo er fortan mit seiner Familie lebte. Am 23. September 2003 starb Josef Guggenmos in Irsee. Der Gedichtband »Was denkt die Maus am Donnerstag« erschien und wurde mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. »Gorilla ärgere dich nicht«(1971) wurde von der Kritik als Höhepunkt deutscher Kinderlyrik bezeichnet. Guggenmos wurde mit etlichen Literaturpreisen ausgezeichnet, seine Verse sind in unzähligen Anthologien und Lesebüchern vertreten. Zusammen mit Erich Kästner, Christian Morgenstern und Bertolt Brecht gilt er als einer der bedeutendsten Kinder-Lyriker der deutschen Literatur.

Sabine Kranz studierte an der Kunsthochschule Kassel und an der Kunstakademie Stuttgart und lebt als freiberufliche Illustratorin für Bücher, Zeitschriften und Kinderbücher mit ihrer Familie in Frankfurt am Main. Ihre Bilder sind ebenso von französischen Comics inspiriert wie von den Mustern und Farben der Schürzen und Röcke ihrer Großmutter. Krabbeltiere beobachtet sie sehr gerne, außer sie stechen oder beißen.

Josef Guggenmos und Sabine Kranz 
Ein Riese warf einen Stein
Bilderbuch, Naturkunde
Gebunden, Format: 21,5 x 28,2
Beltz & Gelberg, 2020
Altersempfehlung: ab 4 Jahren

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler

  Mischa und Nits sind beste Freunde. Mischa liebt die Poems von Nits. Und der bewundert Mischa, weil er schlau ist und ein wandelndes Lexikon über Tiere zu sein scheint. Lügen geht gar nicht, so Nits Überzeugung. Darum fragt er sich, warum Mischa dem Lehrer weismachen will, er hätte eine Chlorallergie, als der Schwimmunterricht beginnt – Nits erzählt er, die Badehose sei von Mäusen angefressen worden. Überhaupt scheint Mischa in Schwierigkeiten zu stecken – doch wohl eher sein Vater ... Nits betritt in dieser Familie plötzlich eine völlig andere Welt – die der Armut. Aber das ist ein Unterthema – Mischas Vater ist untergetaucht; Mischa und Nits werden ihn nicht im Stich lassen – aber das könnte gefährlich werden ... Spannung, Humor und ein wenig Tragik machen das Buch zu einem Leseerlebnis. Meine Empfehlung ab 11 Jahren für diesen exzellenten Kinderroman.  Weiter zur Rezension:    Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler 

Rezension - Die Windmacherin: Eine Sommergeschichte von Maja Lunde und Lisa Aisato

  In dem Land, in dem Tobias lebt, sind endlich wieder bessere Zeiten eingekehrt, und alle Kinder sollen zur Erholung die Sommerferien auf dem Land verbringen. Doch statt zu zweit oder zu dritt auf einem idyllischen Bauernhof, landet der 11-jährige Tobias allein auf einer Insel weit draußen im Meer, wo er bei einer menschenscheuen Frau namens Lothe unterkommt. Lothe wollte kein Ferienkind haben, man hat ihr Tobias aufgedrückt – was die mürrische Frau ihn spüren lässt. Ein Geheimnis gilt es zu lüften, Menschen und Handeln zu verstehen; Freundschaft, Kriegstraumata, vom Dunkel ins Licht gehen … Allage, Jugendbuch ab 12 Jahren. Weiter zur Rezension:    Die Windmacherin: Eine Sommergeschichte von Maja Lunde und Lisa Aisato

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Devil’s Kitchen von Candice Fox

  Die Feuerwehrleute von «Engine 99» gelten als die Besten in New York – mutig, unerschrocken, verehrt. Was niemand ahnt: Sie sind parallel eine beinharte Gang, denn sie legen Brände, um im Chaos Vorbereitungen zu treffen, um später Banken und Juweliere auszurauben. Das könnte immer so weiterlaufen, wenn Bens Lebenspartnerin Luna und ihr Sohn nicht verschollen wären und er seine Kumpel nicht im Verdacht hätte, sie getötet und verscharrt zu haben. Er will es wissen! Und dafür ist er bereit, die Bande auffliegen zu lassen, sich selbst ans Messer zu liefern. Er bietet dem FBI an, wenn sie «seine Familie» finden, herausfinden, was mit Frau und Kind passiert ist, wer verantwortlich ist, dann packt er aus. Und so wird die freiberufliche Ermittlerin Andrea Nearland auf die Truppe angesetzt. Blockbuster – Spannung, die niemals abfällt! Klasse Thriller! Weiter zur Rezension:    Devil’s Kitchen von Candice Fox

Rezension - Splendido. Primavera/Estate: Italienische Küche für Frühling und Sommer von Juri Gottschall und Mercedes Lauenstein

  Lauenstein und Gottschall laden wieder dazu ein, die Vielfalt und Hochwertigkeit der regionalen italienischen Küche zu entdecken. Eine Reise durch Italien mit Fotos von Landschaften und Menschen, von hervorragenden Rezepten. Die Frühjahrs-Sommerküche überzeugt durch die Qualität der Zutaten, denn das ist der Grundstock des Geschmacks. 70 Rezepte zu saisonalen Besonderheiten, Ursprüngen, Küchengeschichten, italienische Kultur und Feste – saisonale Schätze und Spezialitäten spielen zu bestimmten Anlässen eine große Rolle. Wieder ein sehr gutes Kochbuch, das Liebhaber der italienischen Küche im Regal stehen haben sollten. Weiter zur Rezension:    Splendido. Primavera/Estate: Italienische Küche für Frühling und Sommer von Juri Gottschall und Mercedes Lauenstein 

Rezension - Grazie Roma von Daniel Gottschlich, Sebastian Späth und Dimitrios Katsavaris

  Wie ich mein Sternerestaurant zurückließ, in Italien Inspiration für neue Gerichte fand und mich am Ende selbst überraschte Daniel Gottschlich erhielt als erster Koch das Stipendium an der Deutschen Akademie in Rom – die bedeutendste Auszeichnung für deutsche Künstler im Ausland. Ein Koch, als Künstler? Man argumentierte mit dem von Joseph Beuys geprägtem «erweiterten Kunstbegriff», der das Kreative mit dem Künstlerischen gleichsetzt. Tage des Austauschs und der Inspiration, Stunden voller kreativer Eindrücke und künstlerischer wie musischer Erlebnisse. Im Mittelpunkt aber stand: die ausgezeichnete italienische Küche. Neben dem Reisebericht und den Eindrücken gibt es 30 Rezepte. Das erzählende Sachbuch ist eine Mischung aus Reiseliteratur und Kochbuch. Inspirierte Italienische Küche, Kulinarisches der mediterranen Küche, Lieblingsrezepte, Weltküche. Ein gelungenes Buch! Empfehlung! Rezension:   Grazie Roma von Daniel Gottschlich, Sebastian Späth und Dimitrios Katsavaris...

Rezension - Übung in Gehorsam von Sarah Bernstein

  Eine junge Frau aus einer Anwaltskanzlei aus der Stadt und zieht auf die Bitte von ihrem Bruder, der von Frau und Kindern verlassen wurde, zu ihm in ein Land im hohen Norden; sie kann von dort ihren Job weiter erledigen. In dem abgelegenen Dorf in einem nördlichen Land lebten bereits die jüdischen Vorfahren der Familie; es ist ihnen dort nicht gut ergangen. Als jüngstes von zahlreichen Geschwistern scheint es der jungen Frau nichts auszumachen, sich als Haushälterin des Bruders aufzuopfern. Eine komplexe Geschichte, Sarah Bernstein ist eine feine Beobachterin, alles ist offen; ist diese Erzählerin zuverlässig? Das Gehirn des Lesenden ist in Arbeit, viel Interpretation ist an vielen Stellen offen. Klasse! Weiter zur Rezension:    Übung in Gehorsam von Sarah Bernstein

Rezension - Die Witwe von Helene Flood

  Gesprochen von Cornelia Tillmanns Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer 10 Std. und 41 Min. Eine gutbürgerliche Nachbarschaft in Oslo, Evy ruft ihrem Mann nach: «Fahr vorsichtig!» Wenige Minuten später erleidet Erling wieder einen Fahrradunfall und stirbt im Krankenhaus. Ein Herzinfarkt? Zurück bleiben Evy, mit der er seit fünfundvierzig Jahren verheiratet war und seine drei Kinder. Der Unfall lässt Fragen offen, denn wo sind die Herzmedikamente, sein Terminkalender, und wo ist sein Fahrrad? Die Polizei ermittelt, da Erling ohne diese Dinge aufgefunden wurde. Ein Testament schockiert die Familie: Erling hat kurz vor seinem Tod fast sämtliches Bargeld in Immobilien investiert. Evy ist die Alleinerbin. Sie erfährt von Erlings Freund, dass Erling der Meinung war, jemand wolle ihn umbringen – wahrscheinlich eins seiner geldgierigen Kinder. Und darum sei auch Evy in Gefahr. Ein Kriminalroman, der unaufgeregt bis zur letzten Seite dahinplätschert, sich mit den Inneneinsichten von Evy befasst...

Rezension - Irrfahrt von Toine Heijmans

  Donald, der Skipper befindet sich mit seiner sieben Jahre alte Tochter auf einen Segeltörn. In zwei Tagen wollen sie von Dänemark bis in die Niederlande segeln. Doch in der Nacht schlägt das Wetter um, es wird Sturm geben. Der Vater meint, die Tochter schliefe in der Kajüte. Doch dann ist sie nicht dort – sie kann nur über Bord gefallen sein. Weiter zur Rezension:    Irrfahrt von Toine Heijmans