Rezension
von Sabine Ibing
Die Rote Frau
von Alex Beer
Auch nicht, wenn die Itaker oder die Franzmänner einmarschieren.«
Emmerich schnaubte. »So wie Österreich derzeit beieinander ist, könnten wir nicht einmal den Schweizern viel entgegensetzen.
Wien in den Zwischenkriegszeiten, ein Pflaster der Armut für die meisten Menschen, Zeiten der rauschenden Feste für Wenige. Kartoffeln, Rüben und Kohl, bestimmen den Mittagstisch der Mehrheit, manch einer hat nicht mal das. Die Filmindustrie in Wien ist im Aufschwung. Inspektor August Emmerich und Assistent Ferdinand Winter, beide Kriegsversehrte, Emmerich mit Verletzung am Knie, Winter am Arm, sind bei den Kollegen in der Abteilung »Leib und Leben« als Krüppel nicht hochgeachtet. Deswegen erhalten sie einen Fall zugeteilt, der sie sauer aufstoßen lässt: Eine exzentrische Diva glaubt sich in Gefahr, von einem Fluch belegt zu sein, den die Herren Inspektoren entfernen mögen, indem sie die Hexe zwingen ihn zurückzunehmen. Viel lieber hätten die beiden in dem Mordfall an einer Wiener Persönlichkeit bei der Ermittlung mitgewirkt, einer der Wohltäter für die Armen wurde erschossen.
Vor sich hatte er ein opulentes Frühstück stehen, dessen Duft Emmerich sofort in die Nase stieg: frisches Brot, gebratener Speck, Butter, Marmelade und Honig. Er überlegte, wann er das letzte Mal ein solch luxuriöses Mahl genossen hatte. Die Antwort lautete: noch nie.
Wien in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg
Schnell ist der Täter gefunden, ein armer Wicht, ein Kriegsversehrter, aus dem Männerwohnheim aus der Meldemannstraße, in dem auch Emmerich wohnt. Er verspricht den Mitbewohnern, sich um den Fall zu kümmern, den richtigen Täter zu finden. Im Nachspann erfahren wir – Adolf Hitler hat hier von 1910 – 1913 gewohnt. – Emmerich und Winter kommen einem Komplott auf der Spur.
Alex Beer beschreibt, wie auch im ersten Band, das Wien in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Mangel an Lebensmitteln, Strom und Brennstoffen, Wohnraummangel, Arbeitslosigkeit, Elend für den Großteil der Bevölkerung. Cafés, Lokale, Römerbad, Böhmischer Prater, Hofwaffenmuseum, die Schauplätze sind historisch, die Autorin gibt einen vortrefflichen Eindruck in diese Zeit.
Alles war fort. Er besaß gerade mal die Sachen, die er am Körper trug, und ein bisschen Wechselwäsche. Mit den paar Kröten, die er bei der Polizei verdiente, konnte er sich derzeit weder die Kaution noch die Vermittlungsprovision für eine anständige Wohnung leisten. Bis er das Geld zusammengespart hatte, musste er im Heim leben. Wieder einmal.
Der zweite Band ist im Prinzip so wie der erste
Man kann in diesen zweiten Teil ohne Kenntnis von Band eins einsteigen. Der erste Band war ein wenig sperrig und langgezogen an manchen Stellen, insgesamt hatte er mir gefallen. Dieser zweite Teil besitzt mehr Spannung und Leichtigkeit, was dem Roman gutgetan hat, rasant im Aufbau. Und nun kommt das Aber … der zweite Teil ist im Prinzip so wie der erste. Die beiden Geschichten sind sich ziemlich ähnlich: Emmerich und Winter über einen Fall, der sie zu einem Mordfall führt, ermitteln, obwohl es nicht ihr Fall ist, Emmerich steckt Beweismittel ein, sie stolpern von A - Z durch ganz Wien, von diesem Café zu jenem Gebäude, suchen Zeugen und Verdächtige in allen Stadtteilen. Ein Zufall jagt den nächsten, wie in Band eins. Winter ist gebildet, erklärt, Emmerich hat Taschenspielertricks aus seiner Zeit als Heimkind drauf, wie im ersten Band. Die Jäger Emmerich und Winter werden zum Ende selbst Gejagte, wie im ersten Teil. Hier wird nicht tief in ein Milieu eingestiegen, wie ich es von einem guten Krimi erwarte, es hat etwas von Stadtrundfahrt, das hatten wir bereits im ersten Teil. Ich mag Emmerich, er hat Potenzial, so lautete der letzte Satz zu meiner Rezension des ersten Buchs. Das Potenzial ist hier vergeben für mich. Keine neue Geschichte, dieses Wien ist aus dem ersten Band bekannt.
Auch sprachlich keine Entwicklung
Auch hatte ich auf eine sprachliche Entwicklung gehofft. Nehmen wir den ersten Satz: »Dichte Wolken zogen über den Himmel von Wien.« Der wäre ein Grund, das Buch zuzuklappen. Literarisch hält sich das Buch in Grenzen, es gibt keinen Satz, den ich für bemerkenswert halte. Ja, man kann das Buch schnell lesen und die Story an sich ist spannend, keine Frage. Die Sprache ist ein wenig hölzern, einfach, wen das nicht stört, der ist gut bedient. Irgendwann machte mich der Satz wahnsinnig: »Er rollte mit den Augen.«, ich mag diese platte Formulierung nicht und sie kam alle
paar Seiten. Die Krönung, mehrfach im Buch vorhanden: »Er rollte die Augen«. Ich stelle es mir immer bildlich vor … Einige Äußerungen der Protagonisten passen zwar ins Sprachbild von heute, aber sich sicher nicht in den historischen Kontext. Nach zwei Emmerichs bin ich raus. Wie gesagt, die Bücher sind beide an sich ok., historisch top recherchiert. Sprachlich sind sie nicht meins (darüber könnte ich hinwegschauen) und inhaltlich war für mich eins wie das andere, für mich gibt es hier keine Entwicklung.
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