Rezension
von Sabine Ibing
Die erstaunlichen Abenteuer des Aaron Broom
von A.E. Hotchner
Der Anfang:
Wo die Olive Street auf die Tenth trifft, war viel los – zahlreiche Trambahnen fuhren hier kreuz und quer und am Warenhaus Scruggs, Vandervoort & Barney wimmelte es nur so von Käufern, obwohl es, um ehrlich zu sein, in diesen schwierigen Zeiten mehr Schau- als Kauflustige gab. ... Ich saß in unserem Ford in einer Sackgasse. Mein Vater hatte ihn dort abgestellt, direkt gegenüber dem Juweliergeschäft J & J, wo er um drei Uhr einen Termin hatte, um dort seine Bulova-Uhrenkollektion zu präsentieren.
Die Weltwirtschaftskrise begann mit dem New Yorker Börsencrash im Oktober 1929 und im Verlauf der 1930-er Jahre traf es die Bevölkerung hart. Aktionäre sprangen aus dem Fenster, Banken mussten Insolvenz anmelden, viele Geschäfte gingen pleite. USA St. Louis während der Weltwirtschaftskrise: Das Szenario beschreibt uns Aaron Broom kurz. Die Bank seiner Eltern geschlossen, pleite; und weil die Leute kein Geld mehr hatten, kauften sie nur das Dringendste. Die einst wohlhabende Familie Broom verlor über Nacht ihr gesamtes Vermögen, kurz danach mussten sie das Geschäft schließen und die Wohnng verlassen, sanken in kurzer Zeit in Armut. Und dann erkrankte auch noch die Mutter an TBC und must ins Sanatorium. Wird sie es überleben? Vater und Sohn schlagen sich durch, wechseln die Wohnung, sobald der Vermieter nach der Miete verlangt. Der Vater ist Handelsvertreter für Luxusuhren – als wenn die einer kaufen würde – aber immerhin zahlt die Firma ein Grundgehalt, das die Kosten für das Sanatorium abdeckt.
Was geschah – Schüsse fielen und die große Schaufenster, auf der in eleganten Lettern J & J Jewelers stand, zerbarst in tausend Stücke. Und dann flog die Tür auf und der fette Mann kam mit einem Beutel in der Hand heraus, in der anderen hielt er eine Pistole, die er auf der Straße in die Tasche schob, bevor er in der Menge vor Scruggs, Vandervoort & Barney verschwand. Da die Tür des Geschäfts jetzt offen stand, sah ich meinen Vater mit seinem Koffer in Richtung Ausgang gehen, aber noch ehe er einen Fuß auf die Straße setzen konnte, kam ein Schupo mit gezückter Waffe angerannt und stieß ihn wieder hinein.
Das Auto, wichtig für Herrn Brooms Job, ist ebenfalls nicht abbezahlt. Also sitzt der 12-jährige Aaron im Wagen, als der Papa bei einem Juwelierladen klingelt, ihn betritt, um seine Uhren zu verkaufen; der Junge soll hupen, falls die Typen auftauchen, die das KFZ konfiszieren wollen. So sieht er, wie sich mit dem Vater ein weiterer Mann in das Geschäft drängt. Kurz darauf gellt ein Schuss, der Fremde rennt mit einem Beutel in der Hand heraus, Polizeisirenen heulen. Aarons Vater wird von der Polizei abgeführt. Aaron sagt bei der Polizei aus, dass «ein fetter, bärtiger Mann im Overall mit tief ins Gesicht gezogener Basekappe» der Täter sei, erkennen konnte er ihn nicht. Das hilft dem Vater nicht weiter. Das Auto muss dorthin gefahren werden, wo des die Häscher nicht finden. Nur wie? Aaron besitzt ein paar Cent, und zu Hause angekommen, stellt er fest, dass die Wohnung von der Polizei versiegelt ist . Verdammt, dort liegt sein Notgroschen! Was nun? So recherchiert Aaron ein wenig und sucht Aaron einen Anwalt auf, dem der Junge sympathisch ist, der berichtet, wie er schon einige Dinge «detektiviert» hat. Der Anwalt sagt ihm, der Vater muss bis Prozessbeginn in Haft bleiben und Chancen sieht er für den Mann nur, wenn Aaron Beweise für die Unschuld vorlegen kann. Vermutungen helfen nicht weiter.
Aaron ist nun auf der Flucht vor der Frau vom Jugendamt; auf der Suche nach einer Mahlzeit und einem geeigneten Schlafplatz bekommt er immer wieder Hilfestellungen von netten Menschen. Er will die Unschuld seines Vaters beweisen. Dazu muss er die Täter ermitteln. Ein paar Freunde und neue Freunde stehen ihm zur Seite. Wer «Emil und die Detektive» liebte, wird auch dieses Kinderbuch mögen. Die Kinder ermitteln und kommen einigen Dingen auf die Schliche. So ganz koscher scheinen die Angestellten des Juwelierladens nicht zu sein ... Wo liegen die Verbindungen? Ganz ungefährlich ist die Sache natürlich nicht.
Die Geschichte ist in der Ich-Perspektive aus Aarons Sicht erzählt und leuchtet die schwere Zeit während der Wirtschaftskrise in den USA aus. Der Kinderroman ist spannend, es gibt immer wieder Wendungen und natürlich – am Ende erreicht Aaron sein Ziel. Dafür muss er sich ordentlich anstrengen, kombinieren, recherchieren. Mir hat die Erzählweise gefallen und die Struktur des Romans. Alles ist logisch aufgebaut, es gibt glücklicherweise keine Superheros, genauso könnte es gewesen sein. Trotz bitterer Armut, oder gerade deswegen, halten die Menschen zusammen. Die Mutter mit Typhus im Sanatorium, eine Volkskrankheit der armen Leute, die damals schwer zu bekämpfen war. Auch das ist ein interessanter Aspekt. Wie leben wir heute? In Europa, in den USA? Was passiert, wenn jemand schwer krank ist, wenn eine Bank bankrott ist, verliert man dann sein Gespartes? Interessante Fragen ergeben sich aus dem historischen Stoff. Und klar, das Ganze ist spannend aufgezogen! Der Gerstenberg Verlag gibt eine Altersempfehlung: ab 12 Jahren. Das ist ok. Ich denke, lesefleißigen Kindern kann man das Buch ab 10 Jahren in die Hand geben.
Journalist und Autor A.E.Hotchner schrieb Drehbücher für Fernsehen und Film, Biografien unvergesslicher Weltstars wie Ernest Hemingway, Doris Day und Sophia Loren und mehrere Bücher mit Paul Newman, aber auch seine eigene Geschichte als Kind der Weltwirtschaftskrise, die unter dem Titel «Der König der Murmelspieler» in die Kinos kam. Mit «Die erstaunlichen Abenteuer des Aaron Broom» tauchte er noch einmal in jene turbulente Zeit ein. 2020 starb er im Alter von 102 Jahren
A.E. Hotchner
Die erstaunlichen Abenteuer des Aaron Broom
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Anja Malich
Kinderbuch, Detektivroman, Kinderdetektivroman
Gebunden, 256 Seiten
Gerstenberg Verlag, 2021
Altersempfehlung: ab 12 Jahren
Kinder- und Jugendliteratur
Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
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