Direkt zum Hauptbereich

Der Plot von Jean Hanff Korelitz - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Der Plot 


von Jean Hanff Korelitz


Jake Finch Bonner landete mit seinem Erstwerk einen Bestseller, wurde in New York als Autor gefeiert. Doch das liegt Jahre zurück, seine Folgeromane konnten nicht überzeugen. Nun unterrichtet er Kreatives Schreiben am Ripley College in einem Provinzkaff in Vermont  – dabei ist er recht interesselos. Seine Studenten legen ihm belangloses Zeug auf den Tisch und keiner von ihnen scheint Talent zu haben. Doch eines Tages steht ein arroganter Typ vor ihm, der meint, einen Selbstläufer in der Hand zu haben, offeriert ihm einen Plot mit einer Story, die noch nie dagewesen ist. Jake muss dem verschlossenen Evan Parker innerlich recht geben – das ist DIE Story! 


«Du bist ein Dieb»


Ach machen Sie sich mal keine Sorgen. Alle, die etwas zu Stande gebracht haben, müssen mit so was rechnen. Stephen King? J. K. Rowling? Sogar Ian McEwan! Irgendein Irrer hat Joyce Carol Oates mal beschuldigt, mit einem Zeppelin über sein Haus zu fliegen, um zu fotografieren, was er auf seinem Computer schreibt.


Evan Parker ist von sich überzeugt, in den Seminaren kann er nichts lernen, er weiß bereits alles über das Schreiben – rückt auch nur 30 Seiten an Jake heraus, der ihn beim Schreiben beraten soll. Der Student verhält sich überheblich, in allen Seminaren abweisend. Was ist aus diesem Mann geworden?, fragt sich Jake ein paar Jahre später, nie hat er was von dieser Story gehört. Er googelt den Studenten und findet heraus, er muss direkt nach dem Seminar verstorben sein. Jake hat eine Schreibblockade, ihm fällt keine gute Geschichte ein – als Schriftsteller gilt er als Auslaufmodell. Da hat er eine blendende Idee: Er nimmt die geniale Plotidee und schreibt diese Kriminalgeschichte auf. Evan ist verstorben. Das Buch «Die Krippe» wird ein Bestseller. Jake ist wieder da, in den Feuilletons wird das Buch hochgejubelt, er wird bei Oprah eingeladen, der Roman verkauft sich millionenfach, wird in andere Sprachen übersetzt. Doch eines Tages erhält Jake eine anonyme E-Mail: «Du bist ein Dieb». Es folgen weitere Mails, die ihn des Plagiats bezichtigen. Sie werden immer bedrohlicher ... Jake soll sich stellen, ansonsten lasse man ihn auffliegen ... Jake entschließt sich, den Absender ausfindig zu machen und recherchiert im Leben von Evan Parker  – denn irgendwo aus diesem Dunstkreis muss der Erpresser stammen.


Ein zäher Anfang

Ich war kurz davor, den Kriminalroman beiseitezulegen, als dieser Plot dann anzog und endlich spannend wurde. Leider braucht es fast bis zu Mitte, bis die Geschichte Fahrt aufnimmt. Das beginnt, als der Autor, Jake Finch Bonner, sich auf die Suche macht, das Leben von Evan Parker zu erforschen. Hier findet er Parallelen zum Plot, macht sich auf, eine Kriminalgeschichte aufzulösen. In einem zweiten Strang ist die Geschichte in der Geschichte konstruiert, Auszüge aus dem Roman «Die Krippe» von Jake Finch Bonner. Wer hinter den Mails steckt, habe ich früh geahnt, doch Jean Hanff Korelitz hat es geschafft, dass ich die Überlegung verwarf – gelungen. 


Literaturinteressierte werden ihren Spaß haben!


Über acht Monate Psychoterror, Unterstellungen, Drohungen und Hashtags, um das Gift möglichst weit zu verbreiten, und nichts hatte es aufzuhalten vermocht! Anstatt mit dem Problem fertigzuwerden, hatte er es immer weitere Kreise ziehen lassen, und es hatte alle eingesogen, an denen ihm etwas lag.


Im Prinzip geht es hier um zwei Dinge: Dürfen Autor:innen Ideen von anderen aufnehmen – und ist das bereits ein Plagiat? Kann es nicht sein, dass viele Autor:innen den gleichen Einfall haben? Zeitungsnotizen, Erlebtes, die Welt steckt voller Romanideen. Wann ist es Ideen-Diebstahl, und wann ist es verwerflich, eine Inspiration zu klauen? Jake quält sich mit Selbstvorwürfen. Gleichzeitig verwebt dieser Literaturkrimi die Literaturszene: Blogger, Feuilleton, Lesereisen, TV-Sendungen, Good-Reads ... wie reagieren diese mächtigen Strukturen, wenn ein Gerücht aufkeimt? Hat er? Hat er nicht? Der Verlag muss ein Statement setzen, Anwälte kommen auf den Plan. Doch wenn diese Behauptungen lediglich eine anonyme Basis haben, können sie trotzdem schaden? Ein typischer «Tu das nicht!» – Plot. Ein Protagonist weiß genau – wenn diese Grenze überschreitet, kommt ein Stein ins Rollen. Geh nicht in den Keller! – Schau nicht in die Kiste hinein! Und Jake macht genau das und immer wieder! Ein guter Kriminalroman mit einem äußerst zähen Anfang. Trotzdem Empfehlung, Literaturinteressierte werden ihren Spaß haben!


Jean Hanff Korelitz hat Buchkritiken, Essays, Theaterstücke, Kinderbücher und Romane veröffentlicht. Ihr New York Times-Bestseller »Du hättest es wissen können« wurde 2020 von HBO unter dem Titel »The Undoing« mit Nicole Kidman, Hugh Grant und Donald Sutherland erfolgreich verfilmt. Korelitz lebt mit ihrem Mann, dem irischen Dichter Paul Muldoon, in New York City. ​



Der Plot
Jean Hanff Korelitz
Originaltitel: The Plot
Aus dem amerikanischen Englischen übersetzt von Sabine Lohmann
Kriminalliteratur, Literaturkrimi, Kriminalroman, Amerikanische Literatur 
Taschenbuch, 352 Seiten
Heyne Verlag, 2022





Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Das Nest von Sophie Morton-Thomas

  Ein Küstenort in Großbritannien, wo das Marschland auf den Ozean trifft, wo Vögel die bessere Gesellschaft sind, lebt Fran eine ereignislose Routine. Sich um den Campingplatz kümmern, der mit Mobilheimen ausgestattet ist, ihren Sohn von der Schule abholen, Abendessen kochen. Mit Dom, ihrem Mann, läuft es nicht mehr so, ihre Schwester lebt mit ihrer Familie in einem Wagen, zahlt keine Miete, dem Schwager hatte sie den Entzug finanziert und jetzt trinkt er wieder, hat keine Arbeit. Freude findet Fran nur an den verschiedenen Vogelarten, die sie am Strand beobachten kann; sie hat auch ein Häuschen zur Beobachtung finanziert. Und nun entdeckt sie ein Nest mit einer seltenen Vogelart, hofft, dass die Jungen ausschlüpfen werden. Und verschwindet die Lehrerin … Ein leiser Thriller. Weiter zur Rezension:    Das Nest von Sophie Morton-Thomashttps

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Interview mit Christina Clemm von Sabine Ibing

  © Sibylle Baier, Antje Kunstmann Verlag Christina Clemm arbeitet als Strafverteidigerin und als Nebenklagevertreterin von Opfern sexualisierter und rassistisch motivierter Gewalt. Deutschlands bekannteste Fachanwältin für Straf- und Familienrecht in Berlin und war Mitglied der Expertenkommission zur Reform des Sexualstrafrechts des BMJV, Aktivistin und politisch aktiv für Geflüchtete und von Gewalt Betroffene. Nach den neuesten Zahlen des BKA ist jede dritte Frau in Deutschland von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. In ihrem Buch «AktenEinsicht – Geschichten von Frauen und Gewalt» nimmt sie uns mit auf eine Reise in die Gerichtssäle der Republik, an die Tatorte, in die Tatgeschehen. Mit  «Gegen Frauenhass» zeigt sie die Mechanismen patriarchaler Gewalt und fordert, dass sich endlich etwas ändert. Hier mein Interview mit Christina Clemm. Weiter:   Interview mit Christina Clemm von Sabine Ibing

Rezension - Hase Hollywood und das Geheimnis des Drachenlandes von Stefan Rasch, Simon Rasch und Anja Abicht

  Ein mächtiges Kinderbuch! Schwer an Gewicht, eine lange witzige, fantasievolle Geschichte. Der Hase Hollywood und seine Freunde betreiben ein Gasthaus in einer einsamen Bucht am Ende der Welt. Eines Tages taucht ein gefürchteter Piratenkapitän bei ihnen auf und vergisst doch glatt seinen Seesack unter dem Tisch. Darin befindet sich alte Schatzkarte und ein geheimnisvoller rosa Glitzerball. Der Ball entpuppt sich als Ei, aus dem ein kleiner Drachen schlüpft. Und damit beginnt eine abenteuerliche Reise zur Schatzinsel, denn auf der Karte sind auch die Drachen verzeichnet, den das Hasen-Team zu seinen Eltern bringen möchte. Sehr feine Illustrationen, grundsätzlich eine gute Geschichte, aber grobe handwerkliche Fehler für den Kinderroman. Weiter zur Rezension:     Hase Hollywood und das Geheimnis des Drachenlandes von Stefan Rasch, Simon Rasch und Anja Abicht 

Rezension - Flusslinien von Katharina Hagena

  Gesprochen von Ruth Reinecke, Chantal Busse, Julia Nachtmann, Jesse Grimm Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer 11 Std. und 15 Min. Margrit Raven ist hundertzwei und wartet auf den Tod. Früher war sie Stimmbildnerin , jetzt lebt sie in einer Seniorenresidenz an der Elbe . Die Erinnerungen und Ausflüge in einen Park halten Margrit am Leben - und die Besuche ihrer zornigen Enkelin Luzie, die sich kurz vor dem Abitur von der Schule abgemeldet hat. Sie übernachtet nun allein in einer Hütte für Sportler an der Elbe, will Tätowiererin werden. Und dann ist da noch Arthur. Wenn er gerade niemanden zur Dialyse fährt, sucht er mit einer Metallsonde den Strand der Elbe ab, erfindet Sprachen, kämpft für gefährdete Arten und ringt mit einer Schuld. Zu viel hier und da gefischt, irgendwie zusammengekocht, ein Einheitsbrei, bei dem mir die Tiefe zu einem Thema fehlte. Sprachlich gut, das haut es raus – aber alles zu weit ausgewalzt. Weiter zur Rezension:    Flusslinien von Katharina Hag...

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Der Freund von Tiffany Tavernier

  Mit dem Haus im Grünen hat sich Thierry einen Traum erfüllt. Zusammen mit Élisabeth genießt er die Ruhe und Abgeschiedenheit des Wohnens nahe einem Wald. Die einzigen Nachbarn weit und breit, gleich nebenan, Guy und Chantal. Eins Tages im Morgengrauen stürmt die Polizei das Gelände. Die Nachbarn und gute Freunde, werden in Handschellen abgeführt. Was haben sie getan? Journalisten belagern das Gelände. Ein psychologischer Kriminalroman , der sich mit den Folgen der «Opfer» befasst, denn letztendlich sind die schockierten Freunde auch Opfer des Massenmörders. Weiter zur Rezension:    Der Freund von Tiffany Tavernier