Ella Theiss
über den historischen Kriminalroman
© Ella Theiss
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Dass mein nächster Kriminalroman –
wie mein erster – ein historischer werden soll, war zwar nicht geplant, ist
aber auch kein Zufall. Historische Stoffe faszinieren mich, auch die Hälfte
meiner Kurzgeschichten spielt in alten Zeiten.
Ein authentischer Kriminalfall in 1833 aus dem Odenwald
Wie es zu dem Projekt kam, ist
schnell erzählt: Mir fiel ein Schmöker in die Hände, in dem auf nur anderthalb
Buchseiten und recht ungereimt von einem authentischen Kriminalfall 1833 im
Odenwald die Rede war. Beim Nachhaken stieß ich auf hanebüchene Gerichtsakten.
Da hat mich die Geschichte gepackt. Und ich hoffe, sie so aufschreiben zu
können, dass auch andere davon gepackt werden.
Recherche ist das A und O
Historische Stoffe sind eine
spezielle Herausforderung. Da muss ausgiebig recherchiert werden, noch bevor
man losschreibt:
- Epoche
- Region
- Machtgefüge
- Sozialstruktur
- Lebenswelt.
Reisevorbereitungen für die Protagonisten treffen
Eine prickelnde Herausforderung bei
historischen Romanen ist auch das, was ich „Logistik“ nenne. Ich kann zum
Beispiel nicht mal eben eine meiner Figuren von A nach B reisen lassen, ohne zu
berücksichtigen, wie viele Tage sie braucht, welche Vorbereitungen sie dazu
treffen muss, welches Transportmittel sie sich leisten kann und mit welcher
Verspätung sie rechnen muss. Auch die Jahreszeiten und Wetterverhältnisse
spielen eine weit größere Rolle als in einem modernen Plot.
Genaue Recherche bis ins kleinste Detail
Hinzu kommen Dinge
wie ungünstige Kleidung, schlechte Lichtverhältnisse etc. Und die technischen
Voraussetzungen erst! Was war schon erfunden? Was noch zu teuer? Was war
verpönt oder galt als altmodisch? Was hingegen war so gang und gäbe, dass es
einer damaligen Perspektivfigur nicht auffiel also keinesfalls ausführlich
beschrieben werden darf. Solche Überlegungen spielen quasi in jeder einzelnen Szene
mit.
Kein Kommissar - keine Spusi - keine Kriminaltechnik
Was mir bei historischen
Kriminalromanen sehr entgegenkommt: Ich brauche keine professionellen Ermittler,
wie man sie heute kennt. Der typische Krimiplot, wonach der Kommissar nach dreihundert
oder mehr Seiten Puzzlearbeit endlich den Mörder stellt, war noch nie nach
meinem Geschmack. Ich bevorzuge – auch als Lektüre – Krimis, in denen die
Täter, die Opfer oder die unfreiwillig involvierten Dritten die Hauptrolle
spielen. Wichtig ist mir, dass meine Figuren als Menschen wie du und ich agieren,
und dass ihr sozialpolitisches Umfeld für ihr Schicksal wichtiger ist als ihre Charakterzüge.
Das gilt übrigens auch für meine zeitgenössischen Romane und Kurzgeschichten. Das
überkommene Gut-und-Böse-Schema vermeide ich ebenso wie den zurzeit so
geschätzten psychopathischen Serienmörder oder den von persönlichem Kummer gebeugten
Helden.
Das mag zur Folge haben, dass ich
manche Lesererwartung enttäuschen muss. Doch ich nun mal schwimme lieber gegen
den Strom an, als mich in einen Weiher spülen zu lassen, in dem es mir zu eng
wird.
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