Rezension
von Sabine Ibing
Der Blumenladen der Mademoiselle Violeta
von Màxim Huerta
Der Anfang: Der Blumenladen L’Eìtoile Manquante – der fehlende Stern – ist einer jener Orte, an dem es sich lohnt zu warten, dass die Tür aufgeht. Sehen wir uns doch mal an, wer heute kommt.
Was habe ich erwartet, als ich dieses Buch aufschlug? Eigentlich nichts, vielleicht gute Literatur. Der Anfang war ganz witzig, aber schon bald fing ich an zu blättern und zu blättern. Nein, es war nicht meins. Und ich will den Roman auch nicht schlecht machen, denn es werden viele Leser begeistert sein. Ich fühlte, wie ich in Crème Brûlée versank, während man mich mit Bonbons bewarf. Schwülstig, wattig, klebrig, keine Spur von guter Poesie war für mich zu spüren, noch ein Hauch von guter Literatur. In Spanien war es ein Bestseller – und über Geschmack kann man nicht streiten.
Dann geht sie immer in dasselbe Bistro, um dort einen weiteren Kaffee zu trinken, dazu zwei Kekse zu essen, die sie sich mitgebracht hat, und die Todesanzeigen in der Zeitung zu studieren. Es ist ein gutes Gefühl, dass sie niemals ihren Namen liest.
Violeta passt wohl besser zum Titel, aber der Blumenladen L’Eìtoile Manquante, im Herzen von Saint-Germain, Paris, gehört Monsieur Dominique, einem überaus freundlichen, älteren Herren, der Blumen wie Menschen behandelt, ein großes Herrz besitzt, der gern Blumen verschenkt. Er und seine Stammkundinnen, Mercedes und Tilde, zwei Spanierinnen, sind einsame Herzen. Sie verbindet die Verlassenheit, sie leben seit langer Zeit allein in Erinnerungen, sehnen sich nach Liebe.
Man fühlt sich um hundert Jahre zurückversetzt, Menschen, die es nie eilig haben, immer bereit für ein Schwätzchen, wohnen in antiken Möbeln, beschäftigen sich mit ihrer Vergangenheit, Sentimentalität überzieht den gesamten Roman. Mitten hinein platzt Violeta, die sich als Verkäuferin in Teilzeit bei Monsieur Dominique bewirbt. Ihre große Liebe hat sie sitzengelassen und obendrauf ist sie schwanger. Über die Vergangenheit der Protagonisten, die sich bis hin in die Zukunft zieht, bildet sich eine melancholische Geschichte. »No me dejas« – Du lässt mich nicht – so der Originaltitel – ist passgenau. Vergangenes lässt nicht los, die Zukunft will man nicht hereinlassen, aber wer weiss …
Liebe muss Liebe sein. Ganz einfach. Liebe, die nicht wehtut, ist nicht Liebe, sondern ein Chanson.
Manchmal muss man zurückkehren, um zurückzukehren. Manchmal muss man sich vom Ziel entfernen, um sich zu finden.
Menschen, die lieben, finden immer einen Weg zu verzeihen.
Wer Paulo Coelho de Souza mag, liegt mit diesem Roman richtig, der voller Poesiealbumsprüche gestopft ist. Zeit und Geld spielen keine Rolle. Monsieur Dominique schreibt Kärtchen, findet liebevolle Worte, verschenkt seine Blumen, bindet Blumensträuße für Tote, weil sie bereits zu Lebzeiten wöchentlich einen Strauß erhielten und das eben so bleiben muss. Violeta wird nach dem Vorstellungsgespräch von den WG-Mitbewohnern gefragt, was sie verdienen werde, denn Paris sei ja teuer. Darüber habe man nicht gesprochen, das sei doch egal, sagt sie, sie fühle sich wohl in diesem Laden. Monsieur Dominique habe ihr sogar einen Kuss gegeben. Lauter Spanier in Paris (der Autor ist Valencianer) … wie romantisch muss diese Stadt sein, dass man von Luft und Liebe leben kann. Ich kam mit diesem inhaltlichen wie sprachlichen Gedusel nicht klar. Die Protagonisten bleiben fern wie Fantasygebilde, was sicher an der distanziert auktorialen Erzählweise liegt. Zwischendrin berichtet personal Monsieur Dominique aus der Ich-Perspektive. Dieser Hauptfigur kommt man am nächsten. Neben Schwülstigem: »Der Wind seiner Worte hat die Glocken der Tür bewegt. Oder es war ein Engel?«, gibt es auch eine Menge Perspektivfehler beim beim Switchen der Perspektiven - und wie gesagt – ich habe quergelesen: Wenn der Blumenhändler anfängt, den Laden Laden nach etwas zu durchsuchen, aber in der nächsten Zeile der Erzähler sagt, dass er Kaffee mit Milch trinkt und ein Croissant kneift, dann schüttele ich als Leser den Kopf. Die ganze Geschichte steckt voller Klischees. Rentnerinnen haben Katzen und Hunde, besuchen Cafés aus Langeweile. Kellnerinnen sind jung und lächeln in einer Tour, Paris ist traurig langsam und romantisch und man trinkt den ganzen Tag Kaffee und isst Croissants dazu usw. Wer etwas Herziges für die Oma sucht, ist hier bestens bedient.
Màxim Huerta wurde 1971 in Valencia geboren und arbeitet als Journalist und Schriftsteller. Er ist ein in Spanien bekannter Fernsehmoderator und schreibt regelmäßig für verschiedene Zeitschriften, unter anderem für National Geographic. Auch als Autor von Theaterstücken hat er sich einen Namen gemacht. In Spanien hat er bereits vier erfolgreiche Romane veröffentlicht. Für sein letztes Buch »La noche soñada« wurde er 2014 mit dem »Premio Primavera« ausgezeichnet. »No me dejas« ist sein bisher erfolgreichstes Buch, das monatelang an der Spitze der spanischen Bestsellerliste stand.
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