Rezension
von Sabine Ibing
Das Dunkle und das Helle
von Kerstin Hau und Julie Völk
Das Struppige, hat ein zotteliges Fell und lebt in einem dunklen Land. Das Zarte ist leicht und fluffig, lebt gegenüber in einer Welt voller Licht und Farbe. Beide sind neugierig, was sich wohl auf der anderen Seite befinden mag. Vorsichtig gehen sie aufeinander zu, schließen Freundschaft, betreten die andere Welt. Eines Tages besucht das Struppige das Zarte, doch es ist fort, hineingezogen in eine dunkle Welt. So ging es auch damals dem Struppigen. Es sucht das Zarte und tröstet es, holt es Stück für Stück wieder ans Licht, wo sie am Ende gemeinsam ein Haus bauen.
Das Buch ist vielfältig zu interpretieren. Zuerst mag es den Anschein haben, dass sich Kulturen gegenüberstehen, miteinander kommunizieren, sich gegenseitig kennenlernen. Aber spätestens beim dunklen Loch, in das das Zarte hineingefallen ist, bekommt das Buch einen anderen Kontext. Auch das Struppige ist vor langer Zeit ins Dunkel gefallen. Als Erstes fiel mir Depression ein, schon durch die Gestaltung der Grafik. Es fällt jemand in ein dunkles Loch und muss langsam und vorsichtig wieder ans Licht geführt werden. Aber dieses Loch kann auch für andere Dinge stehen, wie Trauer nach einem Todesfall – Verlust, Traurigkeit entfacht durch Dinge, die eine Person für einen Moment ausnocken, wie Krankheit, Scheidung, Arbeitslosigkeit usw. Es kann auch ein finanzielles Loch sein, in das jemand hineinfällt. Das Buch zeigt, dass es immer einen Ausweg gibt, wenn man nicht alleine ist. Jeder kann in ein Loch fallen, das Leben ist kurvig, nie eine Gerade. Mit den richtigen Helfern an der Seite kann man jede Kurve umschiffen. Manchmal ist der Weg lang und steinig, aber am Ende wird alles gut.
Dies Bilderbuch ist ein besonderes Buch. Es ruht in ihm eine große Kraft. Die Grafik ist ausdrucksstark und zeigt immer wieder das Licht und die Sonne, gibt den Hinweis, nicht aufzugeben. Löcher und Traurigkeit darf man zulassen, sie dienen der inneren Heilung und geben später Stabilität. Ying und Yang. Wer das Schlechte nicht kennt, kann das Gute nicht schätzen und wer Traurigkeit nie kennengelernt hat, weiß nicht, was Freude bedeutet. Pädagogisch kann man dieses Buch in allen traurigen und schlechten Zeiten einsetzen, die ein Kind durchlebt oder jemand, der ihm nahe steht. Am Ende wird alles gut. Das Buch wird vom Nord-Süd Verlag für das Alter von 4-6 Jahren empfohlen. Das gut und ich denke, auch ältere Kinder mit mit diesem Buch Trost finden.
Julie Völk hat für dieses Buch die Technik der Cyanotypie, verwendet, eine der ältesten Fototechniken. Bei diesem Verfahren entstehen Negativeffekte und tiefe Blautöne auf dem Papier. Das wird auf der letzten Seite erklärt und das Nachahmen empfohlen. Die Grafiken sind atmosphärisch gestaltet, es werden fast ausschließlich kräftige Primärfarben verwendet, was in der Aufteilung einen wunderschönen Kontrast bietet.
Julie Völk wurde 1985 in Wien geboren. Sie studierte Illustration an der HAW Hamburg. Völks Bücher sind vielfach ausgezeichnet worden, u.a. mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis, dem Troisdorfer Bilderbuchpreis und von der Stiftung Buchkunst. Kerstin Hau, geboren 1974, lebt in Darmstadt. Sie arbeitete u.a. als Physiotherapeutin, Fitnesstrainerin und Fachjournalistin. Sie bekam einen Sohn und ist Absolventin der Akademie für Kindermedien. Kerstin Hau lernte, dass alles Neue der Dunkelheit entspringt und wahre Liebe unsterblich ist. Daraus webt sie ihre Geschichten. Seit 2015 schreibt sie als freie Autorin für kleine und große Leute.
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