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Dark Rome – Das geheime Leben der Römer von Michael Sommer - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Dark Rome – Das geheime Leben der Römer 


von Michael Sommer


In unseren Geschichtsbüchern haben wir das who is who der Römer, die Eroberungen und Schlachten kennengelernt. Ein wenig Staatsaufbau und Kultur, die römischen Götter. Hollywood präsentierte und fiese Kaiser (wobei viele dieser Geschichten ziemlich falsch dargestellt wurden), die Gladiatoren und Christenverfolgung. Aber wie sah es im römischen Leben aus? Eigentlich waren die Sitten recht prüde, auch wenn Hollywood uns etwas anderes weismachen will. Natürlich gab es Ausnahmen und klar, es gab ein paar schlimme Finger unter den Herrschenden, Staatsaffären, wie in jeder Kultur. In anekdotischen Kapiteln bekommen wir Einblick in die römische Kultur. Die Öffentlichkeit reichte bis ins Tabularium, das wir heute als Salon oder Wohnzimmer bezeichnen würden. Dahinter fing das Privatleben an und das ging niemanden etwas an. Angeblich konsumierte der Philosophenkaiser Mark Aurel Opium. Hat Archimedes, der geniale Baumeister aus Syrakus, tatsächlich eine Superwaffe konstruiert? Und tagte gar eine Geheimloge in der unterirdischen Basilika, die Archäologen in Roms Unterwelt entdeckt haben? Die Statthalter Roms Albinus und Florus plünderten in Ägypten die Provinzbevölkerung nach Strich und Faden aus. Doch die beiden waren Waisenknaben im Vergleich mit dem notorischen Halsabschneider und Proprätor Verres, der auf Sizilien wütete und dabei über Leichen ging. So viel hat sich seit damals nicht verändert ... 


Moralvorstellungen wandeln sich


... die Ehe war nach wie vor eine Institution, deren Zweck die Reproduktion der Sippe war. Mit romantischen Gefühlen hatte das wenig zu tun, und als anstößig empfundene Sexualpraktiken oder gar schrankenlose Promiskuität waren nach wie vor tabu. Für Sexualität allgemein galt das nicht, Enthaltsamkeit predigte in der polytheistischen Antike niemand.


Die Moral änderte sich mal so oder so, abhängig davon, wer regierte. Insgesamt aber waren die Römer in ihren Gesetzen recht prüde. Allerdings herrschte die Einstellung: Was einer zu Hause in seinem Schlafzimmer macht, das geht mich nichts an. Ein wichtiger Politiker verlor einmal sein Amt, weil er die eigene Frau auf offener Straße umarmte. Es gab Zeiten, da waren Scheidungen verboten, in anderen Epochen waren sie erlaubt. Eine Kaiserin prostituierte sich in Bordellen, aus Lust und Freude ... die Spatzen pfiffen es von den Dächern. Die Enthaltsamkeit wurde erst unter christlichem Einfluss gepredigt. 


Agentennetze innen und außen


Diese Aufgabe übernahmen zunächst für solche Tätigkeiten ausgebildete speculatores, die ja in Rom auch die Funktion einer Leibwache hatten. Bereits Caesar hatte, während er in Gallien kämpfte, die Kundschafter dazu benutzt, Geheimaufträge in Rom auszuführen, wo er seine innenpolitischen Gegner zu beobachten und das Netzwerk seiner Freunde zu dirigieren hatte. Später schlüpften andere Spezialeinheiten in die Rolle einer Geheimpolizei ...


Weshalb konnte eigentlich Hannibal über die Alpen einfallen? Weil die Römer zu der Zeit noch kein Spionagenetz unterhielten! Im Gegensatz zu Hannibal, der genau wusste, was in Rom vorging, der bestens über die Lage und Größe der römischen Armeen im Bilde war, wusste, was sie planten – und er sorgte dafür, das die Römer falsche Nachrichten über den Karthager erhielten. Nach der Schlacht an der Trebia ließ er die vielen Gefangenen aus Italiker frei, behielt nur die Römer, um Lösegeld zu fordern, griff die Italiker auch nicht an. Er wollte die Verbündeten trennen. Hannibal und seine Kriegslisten sind legendär. Aber auch der hatte ständig Angst vor Attentaten, lief gern verkleidet herum, hatte einen Fundus an Kostümen dabei. Die Römer lernten dazu. Ein Kaiser hatte grundsätzlich genügend Feinde im Inneren, bis zum inneren Zirkel, ständig musste man mit Aufständen in den Provinzen rechnen. Ein Geheimdienstnetz wurde aufgebaut, bis dahin, dass man Agenten in die Gruppen der Oppositionellen einschleuste, sie auszukundschaften, um gefährliche Gegner unschädlich zu machen. «Geheimpolizei» wäre ein falscher Begriff, da es zu der Zeit noch keine Polizei, keine Staatsgewalt wie heute gab. Man hatte kein staatliches Druckmittel zur Durchsetzung von Gesetzen. Wer Geld besaß, konnte sich einen kompetenten Anwalt und Ermittler leisten, die das private Recht durchsetzten. Die Padrones empfingen ihre Klientel im Tabularium, regelten kleine Rechtsangelegenheiten und Streitigkeiten ihrer Untergebenen im öffentlichen Bereich des Hauses, zu dem jeder Zutritt hatte. Fiel jemand vor dem Kaiser oder dem Senat in Ungnade, dann fand er sich zu manchen Zeiten auf einer sogenannten Proskriptionsliste wieder. Er war nun vogelfrei; jeder durfte ihn töten, sein Vermögen und seine Ländereien einsacken. Im Kampf zwischen den Optimaten (konservativer Adel) unter Lucius Cornelius Sulla und den Popularen (vom Volk gewählt) um Gaius Marius und Lucius Cornelius Cinna kam es so in Rom zu zahlreichen Morden an den politischen Gegnern. Nach Übernahme der Diktatur nutzte Sulla dann die Proskription, um diese Taten zu legalisieren, sowie um weitere Feinde zu vernichten und deren Vermögen einzuheimsen. 43 v. Chr. bedienten zu dritt Marcus Aemilius Lepidus, Marcus Antonius und Octavian erneut der Proskription, jedoch nicht allein, um politische Widersacher auszuschalten, sondern vor allem, um den bevorstehenden Bürgerkrieg gegen die Caesarmörder Marcus Iunius Brutus und Gaius Cassius Longinus zu finanzieren.


Ein unterhaltsames Buch zur römischen Geschichte


Wir lesen «von Giftmischerinnen und Drogendealern», «von Korruption und organisiertem Verbrechen», «von Falschspielern und Meuchelmördern», eine Anekdote nach der anderen. Aber Michael Sommer erklärt auch viel über Sitten und Gebräuche, etwas über Aufbau der Wohnungen, die Gesetze, bis hin zu pädagogischen Anschauungen der Bevölkerung und Fluchtäfelchen. Die Katakomben an der Via Appia dienten gar nicht als Verstecke für heimliche Gottesdienste, sondern als Begräbnisstätten. Christen durften sich im Römischen Reich versammeln, der Autor spricht daher von der «Niederschwelligkeit» der christlichen Botschaft. Systematische Christenverfolgungen gab es erst unter Kaiser Decius 249 n. Chr. Nero, der Bösewicht, der Rom anzündete ... ein Hollywoodgerücht. Wer in Geschichte aufgepasst hat, der weiß, zu der Zeit weilte Nero weit entfernt in seinem Sommerhaus, und er brachte die Obdachlosen in seinem Palast zunächst unter. Ob er wirklich Christen verfolgte, wenn ja, in welchem Ausmaß, kann man heute nicht mehr sagen – dass Paulus und Petrus unter ihm gekreuzigt / enthauptet wurden, zweifeln die Forscher heute an. Wir erfahren etwas zur Organisation des Militärs, die Ärzteschaft und Quacksalber, magische Zeichen auf Bleiplättchen, die «Charakteres». «Quousque tandem, Catilina?» – Wie lange noch, Catilina?, fragte Cicero in seiner ersten Rede gegen Catilina. «Oh Zeiten, oh Sitten!» Ein Staatsstreich, Cicero erklärt detailgetreu, was Catilina sich hatte zu Schulden kommen lassen. Genügend. Er hätte ihn verhaften lassen können, sogar töten – doch das war riskant. Denn Catilina hat noch eine Menge Anhänger, die seinen Lügen glaubten ... Das alles ist erfrischend zu lesen und manchmal kommt es einem so bekannt vor – als wäre es gerade geschehen ... Ein unterhaltsames Buch zur römischen Geschichte.



Michael Sommer
Dark Rome
Das geheime Leben der Römer
Sachbuch, Geschichte, römische Geschichte
Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten
C.H. Beck Verlag, 2022




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