Direkt zum Hauptbereich

Corto Maltese – Schwarzer Ozean von Martin Quenehem und Bastien Vivès - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Corto Maltese – Schwarzer Ozean 


von Martin Quenehem und Bastien Vivès


2001, kurz vor dem Anschlag 9/11: Im Chinesischen Meer kreuzt eine Luxusyacht, am Steuer der berühmte Seemann Corto Maltese, der unter die Piraten gegangen ist. Er fährt im Auftrag einen Mann zu einer Jacht, die auf dem Meer ankert. Doch seinem Gast geht es nicht um Schmuggel, wie Corto feststellt, sondern um einen Auftragsmord. Etwas, was Corto gegen den Strich geht! So rettet er den Chinesen, der ein wichtiges Buch bei sich führt, flieht mit ihm. Dr. Fukuda hat in dem Büchlein seine Notizen zu einem Schatz gesichert. Corto bringt den alten Mann nach Tokio, wo er während einer Kabuki-Aufführung ermordet wird. Corto nimmt das Buch an sich, macht sich auf die Suche nach dem mythischen Goldschatz, der in Peru versteckt sein soll – doch auch die Terrorgruppe Black Ocean sowie ein Drogenkartell sind hinter diesem Schatz her. Handelt es sich um den Goldschatz der Inkas? Die Sache wird brenzlig – doch Frauen retten mehrfach Cortos Leben, eine japanische Geheimagentin, die Inka-Heilerin Raua und die Kriegsreporterin Freya. 



Erstmals erschien Corto Maltese in der Serie Una ballata del mare salato (Südseeballade) 1967 – die Geschichte spielte zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Pazifik, wo sich Piraten mit den Kriegsmarinen des Deutschen Reiches und Großbritanniens herumschlugen. 1970 zeichnete Hugo Pratt eine Serie von Kurzgeschichten für das französische Comicmagazin Pif Gadget. 1974 kehrte er mit dem Album Corto Maltese en Siberie zu Langgeschichten zurück. Die fiktive Figur Corto Maltese ist ein Abenteurer, ein Rebell und Kapitän ohne Schiff, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebt. Er ist ein Schatzsucher, gehört keiner ideologischen oder politischen Gruppe an, macht sein eigenes Ding, wobei er sich oft auf die Seite der Entrechteten stellt. Seine Reisen führen ihn auf alle Kontinente, einschließlich des untergegangenen Mu und im Traum auch zum Gral. Seine Spur verliert sich im Gewimmel des Spanischen Bürgerkriegs. Vittorio Giardino behauptet, er wäre am 9. Februar 1937 in Malaga hingerichtet worden. Laut Hugo Pratt allerdings verbringt er seinen Lebensabend bei Pandora, womit sich der Kreis zur Südseeballade schließt. Mit Pratts Tod 1995 ruhte die Serie zunächst.




‹Warum jagst du immer hinter Sachen her, die es gar nicht gibt?›

‹Und du, warum machst du immer Filme über Sachen, die keiner sehen will?›


Bastian Vivès hat die Figur Corto Maltese sozusagen neu erfunden. Das Grundgerüst blieb: der gutaussehende Held, ein Rebell, der sich nach Freiheit sehnt, der seinen eigenen Weg geht, stets in Bewegung – immer auf der Suche nach einem Schatz. Die Figur, Archetyp des Abenteurers, ist angekommen im 21. Jahrhundert, er trifft auf taffe selbstbewusste Frauen, die den Held retten, Frauen agieren auf Augenhöhe und werden entsprechend von Corto behandelt. Er trägt Cargojacke und Baseballkappe. Radikale Umweltschützer, die gegen Hochseefischer agieren, eine südamerikanische Drogenmafia, eine ökologisch engagierte Filmemacherin und Colin Powell, den er an dem Tag trifft, als Flugzeuge, die in die Twin Towers von New York rasen, sind in die Geschichte eingeflochten. Corto Maltese, the lonesome Woolf, der sich schnell verabschiedet, immer auf der Reise, immer in Abenteuer verwickelt, der sich nicht vereinnahmen lässt, aber sich spontan gern für die gerechte Seite einsetzt – um dann wieder zu verschwinden. Eine feine Noir-Heldengeschichte in Comicform. 



Hugo Pratt hatte seine Comics in Pastelltönen und Schwarz-Weiß koloriert, mit detaillierten Hintergründen, von denen es am Ende des Buchs ein paar Illustrationen als Zugabe angehängt sind. Bastien Vivès arbeitet fast ausschließlich mit verschiedenen Grautönen plus Schwarz-Weiß. Corto Maltese ist ständig in Bewegung und genau das bringt Bastien Vivès grafisch auf den Punkt, wobei er auf viel Hintergrund verzichtet. Diese Bewegung und die des Wassers, gelingen ihm besonders gut. Ein Heldenepos im modernen Stil, eine spannende Noir Graphic Novel.


Martin Quenehens Interessen und Fähigkeiten sind breit gefächert. Er schreibt Sachbücher etwa über die Merowinger oder die Geschichte des Sozialen Wohnungsbaus, gestaltet Rundfunksendungen für France Culture etwa über Johanna von Orleans, Tupac oder Ping Pong. Er verfasste einen Roman über einen Lehrer in einem Problemviertel und den Krimi «Quatorze Juillet», den Bastien Vivès illustrierte.

Bastien Vivès, geboren 1984 in Frankreich, studierte Grafik und Animation an der École des Gobelins. Bereits in jungen Jahren ist sein OEuvre umfangreich und beeindruckend: etwa mit «In meinen Augen» oder «Für das Imperium» zeigt er eine enorme stilistische Bandbreite auf hohem Niveau. Für «Der Geschmack von Chlor» erhielt er 2009 in Angoulême den Preis für den Besten Nachwuchskünstler. Bastien Vivès lebt und arbeitet in Paris.


Martin Quenehem, Bastien Vivès
Corto Maltese – Schwarzer Ozean
Originaltitel: Corto Maltese – Océan Noir
Aus dem Französischen übersetzt von Resel Rebirsch
Graphic Novel, Comic, Noir, Heldenepos
Hardcover, 184 Seiten
Schreiber & Leser Verlag




Graphic Novel, Comic, Grafisches  

Für die Fans von Comis / Graphic Novels und sonstigem Gezeichneten, wie Satire. Hier auf dieser Seite zusammengefasst.  Alle Altersgruppen. Graphic Novel, Comic, Grafisches




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

  Ein atmosphärisch dichter und spannender Schweden-Krimi von Hans Rosenfeldt, bekannter Krimiautor und Drehbuchautor (skandinavische TV-Serie «Die Brücke», britische Fernsehserie «Marcella» über Netflix) erwartet uns mit dem Auftakt einer neuen Serie. Die Erwartungen waren hoch. Rosenfeldt hat geliefert. Die Kleinstadt Haparanda, nahe der finnischen Grenze, wird zufällig zum Schauplatz eines Drogendeals. Wer hat die Drogen und das Geld, wer wird sie am Ende bekommen? Der einzige der durchblickt, ist der Leser – Dank Mehrperspektivität. Denn alle Protagonisten tappen im Dunkeln – wissen nichts voneinander. Ein komplexer und spannungsreicher Thriller! Weiter zur Rezension:    Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige . «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille , zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

  1983 , der Polizist Noah Scott ist besessen davon, den Serienmörder Bible John zu erwischen. Er steht im Verdacht, Frauen, die aus Diskotheken verschwanden, nie wieder auftauchten, ermordet zu haben. Seit Jahren ist Noah an dem Fall dran, und er glaubt, den Täter identifiziert zu haben. Er folgt John Clyde und es gelingt ihm, auf seinem persönlichen Friedhof die Handschellen anzulegen – doch dann krampft sich etwas in seiner Brust zusammen und es wird schwarz vor seinen Augen … Ein spanischer literarischer Thriller vom Feinsten! Weiter zur Rezension:    Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck