Rezension
von Sabine Ibing
COLORAMA
von Cruschiform
Die Welt ist bunt und man könnte sie schlicht in die Spektralfarben aufteilen: Gelb, Orange, Rot, Lila, Blau, Grün. Doch was bedeutet es, wenn ein Kleid rot ist? Tomatenrot, Kirschrot, Blutrot, Karmesinrot oder Krebsrot? Jede Farbe hat ihre unterschiedlichen Farbschattierungen. Was ist eigentlich Weiß?
Alabaster ist ein Gips, den Menschen seit der Antike bearbeiten, um Skulpturen und Objekte herzustellen. Das Mineral ist milchig weiß, manchmal durchzogen von honiggelben Venen, weicher als Marmor und nicht weniger wertvoll. …
Mit Weiß beginnt dieses Buch. Schneeweiß, Milch, Albinos, Alabaster, Polarweiß, Baumwolle, Birkenrinde, Birkenspanner, Puder – und hier rutschen wir in die rosafarbenen Farbtöne hinüber. Auf der rechten Seite des Buchs ist jeweils großflächig die Farbe abgebildet, links finden wir eine Zeichnung zu der Farbe und eine Erklärung zum Ursprung, eine Farbtonbeschreibung.
… heißt im englischen ›Bluebonnet‹, was wörtlich übersetzt blaue Haube bedeutet. Die Blume mit den großen blauen Blütenständen ist vor allem in Texas, USA, heimisch. Dort ernannte man sie zum Staatssymbol – nicht zuletzt, weil ihre Form an die Hauben der amerikanischen Pionierinnen erinnerten …
133 Farbtöne aus der Natur und der menschlichen Zivilisation bilden das Spektrum dieses Buches. Zornesgrün, Grège (Seide im Rohzustand), Sandrose (ein filigranes Kristallgebilde aus Sandkörnern), Pollen, Wiesenlupine, Skarabäus, Lakritz, um nur einige zu nennen. Am Ende finden wir noch zwei kurze Register, eins nach Farben aufgeteilt, ein anderes nach Themen (Säugetiere, Vögel, Blumen, Textilien, Früchte, traditionelle Kleider usw.)
Puder, eine zarte Farbe, basierend auf dem Puder, dass sich wohlsituierte Damen und Herren aufs Gesicht puderten, um vornehm hellhäutig zu wirken. – Wer nicht auf dem Feld oder in der Gasse arbeiten muss, wird nicht braun, hat Bedienstete, die für ihn arbeiten. Blass gleich reich – so die damalige Meinung. Für das Puder diente das Kremser Weiß. »Der mineralische Puder wurde aus Blei hergestellt – er war schick, aber auch extrem giftig.« Oder nehmen wir das Bleu Charrette, eine typisch französische Farbe, die in Frankreich zum Färben von Stoffen verwendet wurde, bzw. mit den Pigmenten in der Farbe wurden Holzkarren gestrichen, Karre übersetzt man mit charette. Die Farbe wurde aus einer Weidenart gewonnen. Es gibt eine Menge Farben und Erklärungen dazu. Man lernt sicher das eine oder andere dazu. Hier geht es ums Beobachten, um die Achtsamkeit im Umgang mit Farben. Farben mischen, den richtigen Ton finden – nicht nur mit Worten.
133 Farben, das scheinen eine Menge, doch fallen mir gleich 100 neue ein, die noch fehlen. Aber das ist es ja, was die Farbgestaltung, die Farbbeschreibung so wundervoll macht, es sind die Zwischentöne. Wer hier ein differenziertes Sachbuch erwartet, liegt falsch. Wer Farben liebt, wird hier gerne blättern, das Buch immer wieder zur Hand nehmen. Die künstlerische Gestaltung durch Grafiken der Farbbeispiele auf der linken Seite ist ästhetisch, spielt auf den Ursprung des Worts hin, das mit der ein oder anderen Posse bereichert wird. Zwei, drei Sätze zu jeder Farbe, ein Buch zum Entspannen und blättern, zum Blättern im Kopf, was einem zu Farben noch so einfällt. Dieses Buch ist ein Kinderbuch, vom Verlag ab 8 Jahre vorgegeben. Ist es das? Ja natürlich, aber es ist mehr! Jeder Erwachsene wird sich dieses Buch greifen, wenn es auf dem Tisch liegt. Allage – auf jeden Fall! Die feinen Illustrationen und Texte sind nicht nur für Kinder geeignet, sich mit Farben zu beschäftigen, den Horizont zu öffnen – auch das ist für jeden interessant. Und ich wette, die Geschichten, die hinter den Farben stecken, sind nicht jedem bekannt. Das Buch bekommt seinen Platz im Regal Familienbuch.
Die letzte Farbe: Mondlicht – Der weiße Mond erhellt die schwarze Dunkelheit der Nacht, dabei strahlt er selbst gar kein Licht aus. … Damit sage ich Gute Nacht!
Cruschiform, das Pseudonym der französischen Designern Marie-Laure Cruschi.
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