Direkt zum Hauptbereich

Cold Detective von John McMahons - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing




Cold Detective

 
von John McMahons 


Der Anfang: 
Eine Faust donnerte gegen mein Fahrerfenster und ließ mich mit einem Schlag die Augen aufreißen. Ich langte hastig nach meiner Glock 42. Hätte mir fast den Fuß weggeballert.
Zwei weiße Augäpfel starrten mich durch die Dunkelheit an.
Horace Ordell.
‹Alles im Lack bei dir, P. T.?›, dröhnte er.
Sie müssen zuallererst wissen, dass Horace mit einem Arsch von der Größe eines Kleinstaats herumspaziert. Weshalb es eine amtliche Kriegserklärung braucht, um ihn in Bewegung zu versetzen.
Ich sah auf die Uhr meines Ford F-150. 2:47 früh.


Detective P. T. Marsh ist von der Stripperin Crimson gebeten worden, sich mit ihrem Lebenspartner zu unterhalten, der sie gern mal grün und blau schlägt. Mitten in der Nacht, betrunken, erinnert er sich an sein Versprechen. Er fährt zu dem runtergekommenen Bungalow; das Mädel liegt übel zugerichtet auf dem Bett. Er schickt sie fort. Ihr Freund sitzt vollgedröhnt mit Drogen auf dem Sessel. Woran P. T. sich am nächsten Morgen erinnern kann, ist, dass er ihm eine reingehauen hat, gesagt hat, er solle Crimson in Ruhe lassen, ansonsten wird er ihn einbuchten. Und danach ein Filmriss. 


Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Fällen?


Ich ließ den Strahl meiner Taschenlampe über die Brust des Freundes wandern. Er sah nach Anfang dreißig aus. Muskelbepackte einhundertachtzig Zentimeter. Rasierter Schädel und blonder Ziegenbart. Ein Tattoo auf seinem Bizeps lautete 88. Der achte Buchstabe des Alphabets, H. Zwei H für Heil Hitler.
Demnach bist du ein Neonazi, der Stripteasetänzerinnen verprügelt.
Der Mund des Mannes stand offen, und aus dem Winkel hing ein Faden Sabber. Unter seinem rechten Arm hatte er eine halbleere Flasche Jack Daniel’s eingerollt.
Ich setzte mich einen knappen halben Meter vor ihm auf einen Sessel. Schnappte mir ein in der Nähe liegendes Geschirrtuch und wickelte den weichen Stoff um meine Faust.
‹Hey, Arschloch›, sagte ich.

Ein Maisfeld in der Nähe des Bungalows brennt. Und der Freund von Crimson ist ermordet worden. P. T. und seine Kollegin Remy werden an den Tatort gerufen. Als er in der Nacht abgehauen ist, hat der Typ noch gelebt, meint P. T.. Aber so ganz sicher ist er sich nicht. Das könnte brenzlig für ihn werden. Mit Kollegin Remy schaut er sich die Gegend an, auch das verbrannte Maifeld; die Feuerwehr ist bereits abgezogen. Ganz am Ende des Grundstücks machen sie eine schreckliche Entdeckung. Sie finden die halbverbrannte Leiche eines schwarzen Teenagers: Um seinen Hals liegt eine Schlinge, die Ellenbogen wurden ihm gebrochen: Er wurde gefoltert: ein Lynchmord. Die Medien stürzen sich auf den bizarren Mord, und schnell ist ein Verdächtiger gefunden. 


Spannend bis zur letzten Seite

Ganz so einfach will P. T. sich die Sache nicht machen. Zu vieles an diesem Fall ist ungereimt. Er recherchiert und stößt auf einen ähnlichen Fall, der 25 Jahre zurückliegt. Bei seinen Recherchen stößt er auf einen Orden und stochert in der besseren Gesellschaft Georgias herum. Die bedeutenden Familien, die bis heute das Sagen haben. Alte Traditionen und Verbindungen, religiöse Kulte. Die neue Thriller-Serie um Detective P. T. Marsh – nebenbei, es ist korrekt gesagt ein Krimi, ein Copkrimi, ein Noirkrimi – ist ein Pageturner. Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen. Spannend, mit einem gut durchdachten Plot, bei dem P. T. und Remy einige Nüsse zu knacken haben, Zusammenhänge knüpfen müssen, bis alle Puzzlestücke einen Sinn ergeben. Genau das bereitet einigen Leuten Kopfzerbrechen, die die beiden gern aus dem Weg schaffen wollen.


Der Gute Cop, der für Gerechtigkeit steht

John McMahon hält sich nicht lange mit Figuren und dem Setting auf – trotzdem kann man dem Krimi eine interessante Atmosphäre zuschreiben, die mehr in den mystischen Elementen des Südstaaten-Aberglaubens liegen. Die Südstaaten, ein besonderer Menschenschlag mit Traditionen: die, die das Sagen haben, sind immer die gleichen; Religion, Bestechung, korrupte Bullen, die Farbige Bevölkerung hat wenig Chancen. Detective P. T. ist der typische intelligente, hartnäckige Ermittler, persönlich am Abgrund mit seinen Dämonen kämpfend,hier weil er Frau und Sohn bei einem Unfall verlor; sein Kampf gegen den Alkohol. Klassisch für einen Noir-Cop. Der Gute Cop, der für Gerechtigkeit steht, unbestechlich, sich auch gern mit den Mächtigen anlegt: «The Good Detective» (Originaltitel). In diesem Fall flattert ihm nebenbei das Herz, weil er möglicherweise selbst einen Mann erschlagen hat und die Kollegen ihm auf der Spur sind. Er ist die einzige Figur, die ausgearbeitet ist. Ein Pageturner, ein rasanter Plot mit einer ausgeklügelten Handlung, gern mehr davon. Der Krimi wurde 2019 für den Edgar nominiert. 


John McMahon ist Schriftsteller und Werbefilmer. Seine Videos für Fiat und Alfa Romeo sind preisgekrönt. Doch vor allem schlägt McMahons Herz für einsame Ermittler. John McMahon lebt mit seiner Familie in South Carolina und schreibt an weiteren Romanen um seinen Helden P.T. Marsh.




John McMahon 
Cold Detective 
Originaltitel: The Good Detective, 2019
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Sven-Eric Wehmeyer
Krimi, Kriminalliteratur, Thriller, Noirkrimi, Copkrimi, Amerikanische Literatur
Klappenbroschur, 400 Seiten 
Piper Verlag






Kriminalliteratur: Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre

Auf dieser Seite kommen die Kriminalisten zu Wort – die Schreibenden. Was ist Kriminalliteratur? Kann man das in einem Satz beantworten. Nein. Denn diese Genres haben jede Menge Untergenres, die sich teilweise überschneiden oder letztendlich so gar nichts miteinander zu tun haben. Und wer nun neugierig ist, wie viele Untergenres es gibt, was sie ausmachen, wie vielfältig sie in Machart und literarischer Gestaltung sie sind, wie viel Arbeit in ihnen steckt, wissen möchte, was Autor*innen, Verleger*innen zu ihrem Genre zu sagen haben der sollte sich diese Seite ansehen. So verschieden, wie die Autor*innen sind, so verschieden sind ihre Texte. Es lohnt sich auf jeden Fall sie zu lesen, das kann ich garantieren! - Diese Folge hat gerade erste begonnen, Stück für Stück folgen weitere Beiträge:
Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre


Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli

  Eine witzige Geschichte über ein starkes Mädchen, das Verantwortung für ihre Umwelt übernimmt. Eines Tages kommt Juli aus dem Haus und der Baum ist weg. Wo mag er geblieben sein? Doch als Juli nach Hause kommt, liegt er in ihrem Bett: «Kein Bock mehr!» Den Baum hat es erwischt: Burnout. Kein Wunder, dass er so viel arbeiten muss, denn er ist der einzige Baum weit und breit. Aber wo soll die Amsel denn nun ihr Nest bauen? Und wo soll die Fledermaus schlafen? Kein Problem, meint Juli, der Baum brauchte sicher nur mal eine Pause. Und so lange kann sie ja für die Tiere da sein … Humorvolles Bilderbuch mit Tiefgang ab 3 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli 

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Dieses witzig-gruslige Jugendbuch, bzw., schlicht Comic, nimmt eine über 100 Jahre alten Geschichte von John Kendrick Bangs auf. Die Comic-Zeichnerin Barbara Yelini interpretiert die Story neu mit wundervollen Wasserbildern. Ein wundervoller Comic für Jugendliche, die nicht sehr lesebegeistert sind. Zur Rezension:    Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v

Rezension - Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

  Ein herrlich spaßiger, spannender Kinderkrimi! Mit Papa und seiner neuen Flamme in die Berge zum Wandern oder zu Oma Lore. Keine Frage! Bei der fetzigen Lore ist es immer lustig. Jetzt sitzt Pia aber seit über einer Stunde auf dem Bahnhof, ohne dass Oma sie abgeholt hat. Sehr seltsam. Omas Haus ist nicht weit entfernt; und so macht sich Pia mit ihrem Rollkoffer auf den Weg. Niemand öffnet die Tür! Durch ein offenes Fenster gelangt sie hinein. Doch Oma bleibt verschwunden. Die Detektivarbeit beginnt … Ein Pageturner, ein Kinderroman, eine waschechte Heldenreise, ein rasanter Abenteuerroman und nervenkitzelnder Kinderkrimi ab 8-10 Jahren. Unbedingt lesen!  Weiter zur Rezension:   Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues?

Kreativ - Kunst - Zeichnen - Lesen - Künstler - Was gibt es Neues? Große Kunst wird gekauft und verkauft, sie kommt unter den Hammer und wird vorn und hinten versichert. Kleine Kunst ist kein Produkt. Sie ist eine Haltung. Eine Lebensform. Große Kunst wird von ausgebildeten Künstlern und Experten geschaffen. Kleine Kunst wird von Buchhaltern geschaffen, von Landwirten, Vollzeitmüttern am Cafétisch, auf dem Parkplatz in der Waschküche.  (Danny Gregory) Das Farbenbuch von Stefan Muntwyler, Juraj Lipscher und Hanspeter Schneider Als ich dieses Kraftpaket von Buch in den Händen hielt, war ich zunächst einmal platt. Wer dieses Sachbuch hat, benötigt keine Hanteln mehr! Aber Spaß beiseite, wer dieses Buch gelesen hat, hat auch keine Fragen mehr zum Thema Farben. Farben werden aus Pigmenten hergestellt, soweit bekannt. Die beiden Herausgeber sind der Kunstmaler Stefan Muntwyler und der Chemiker Juraj Lipscher, beide lebenslange Farbspezialisten, und dies ist ein Kompendium der P