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Blutwunder von Lisa McInerney - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Blutwunder 


von Lisa McInerney


Der Anfang: Wie so vieles, was Ryan verkackt, geht es mit Ecstasy los. Und wie so oft bei Ecstasy tut es das in Rotterdam, wo Daniel Kane, der völlig frustriert ist, weil er sich seit Monaten von seinem Lieferanten verarscht fühlt, die Bekanntschaft einiger Jungs aus Neapel macht.
Ein Noir-Thriller aus dem Milieu. Ryan, Sohn einer Neapolitanerin und eines Iren aus Cork, einer Kleinstadt im Südwesten Irlands, arbeitet für einen Drogendealer. Seine Mutter hatte Selbstmord begangen, der Vater, ein Säufer, musste die Kinder allein großziehen. Aus Ryan hätte etwas werden können, Begabung lag vor, aber er zog es vor, die Schule abzubrechen und zeigte auch kein Interesse an einer Ausbildung. Seine Mutter hatte ihm das Klavierspielen beigebracht, ebenfalls nutzte Ryan sein Talent nicht, das sich schnell zeigte. Im Urlaub bei der Großmutter in Neapel bekommt er ziemlich gute Pillen in die Finger, setzt sich mit den Dealern in Verbindung und macht seinem Chef Dan Kane in Irland ein interessantes Angebot: Diese Pillen in Cork zu verticken. Ryan ist zweisprachig, perfekt. Das erste Geschäft geht aber gleich in die Hose, denn Dans Freundin die die Lieferung abholen soll, wird kurz nach dem Erhalt der Ware überfallen. Nur ein Insider kannte die Eckdaten zur Sendung. Überhaupt, niemand in Cork wusste etwas über die neuen Pillen. Wer aus ihrer Mitte hat sie verraten? Ryans Freundin Karine, die sich in der Ausbildung zur Gesundheitspflegerin befindet, hat langsam die Nase voll: Ihr Freund, ständig vollgepumpt von Drogen und Alkohol, mitten im kriminellen Milieu – Ryan fehlt der Wille, sich zu ändern. Sie glaubt nicht mehr an seine Versprechen, endlich eine Ausbildung anzufangen und trennt sich von ihm. Sofort bietet sich die Masterstudentin Natalie Ryan an, was für ihn zu neuen Schwierigkeiten führt. Plötzlich steht Ryan von allen Seiten unter Beschluss und er züdelt, spielt mit dem Feuer.

Irische Unterschichtsmilieu, Bandenkrieg, kaputte Typen

Sein Telefon klingelt, als er an ihrer Schulter wieder zu Atem kommt und sie Kreise auf seinen Nacken zeichnet. Draußen ruft jemand: ‹Okay, Schatz!›, eine Autotür schlägt zu, ein Lieferwagen fährt vorbei, und hinten im Haus schaltet sich die Heizung mit einem Brummen ein. Ryan rollt zur Seite. Karine klammert sich an ihn. ‹Antworte nicht›, sagt sie. ‹Hör einfach auf.›
Aber er muss antworten. Die Normalität verlangt es von ihm.

Ein Thriller über das irische Unterschichtsmilieu, Bandenkrieg. Kaputte Typen, Frauen mit Köpfchen, brutale Gewalt. Lisa McInerney beschreibt präzise Ryan und sein trostloses Leben. Sie blickt aus einer entfernten Ebene auf die Charaktere, völlig emotionslos. Tonlos in distanzierter Erzählhaltung berichtet sie, was sie sieht, ganz ohne Bewertung. Aber auch die Dialoge gestalten sich nüchtern. Auf der einen Seite hat mir die Story gut gefallen, weil sie ziemlich realistisch ist, in alle Ecken der Dealer- und Clubszene hineinleuchtet, die Figuren bloßstellt mit allen guten und schlechten Eigenschaften. Auf der anderen Seite konnte mich die reservierte Sprache nicht packen, streckenweise wirkt der Roman wie eine sachliche Reportage.


Lisa McInerney, geboren 1981, lebt im irischen Galway. Sie machte zunächst als Bloggerin auf sich aufmerksam. Der Schriftsteller Kevin Barry ermutigte sie, neben ihrem Blog auch Kurzgeschichten zu schreiben. Ihre Erzählungen erschienen in verschiedenen Literaturzeitschriften, u.a. im Granta Magazine. Ihr Debütroman »Glorreiche Ketzereien« war 2016 für den Irish Book Award sowie den Dylan Thomas Award nominiert, ausgezeichnet wurde er mit dem Baileys Women’s Prize for Fiction und dem Desmond Elliott Prize. Für ihren zweiten Roman »Blutwunder« erhielt Lisa McInerney 2018 den Encore Prize.


Blutwunder 
Originaltitel: The Blood Miracles
Aus dem Englischen übersetzt von Werner Löcher-Lawrence
Thriller
336 Seiten
Liebeskind, 2019

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