Rezension
von Sabine Ibing
Beethoven
von Peer Meter und Rem Broo
Unsterbliches Genie
Am 26. März 1827 ist Beethoven gestorben. Ich gebe zu, etwas völlig anderes erwartet zu haben – aber ich bin trotzdem, oder gerade darum, begeistert. Zum 250. Geburtstag des Genies beginnen Peer Meter und Rem Broo mit dem Tod von Beethoven und rückblickend erleben wir letzten Lebenstage des Komponisten und so manches Schmankerl aus seinem Leben. Der Starkult wird zum Hauptthema. Allerdings erfahren wir auch, dass Ludwig wohl nicht der angenehmste Zeitgenosse war …
Das Buch beginnt mit einer Irrfahrt. Ein französischer Verehrer, Louis Lefebvre, sucht das Haus des Komponisten. Nein, hier wohnt er nicht mehr, er ist nach … gezogen! Nirgendwo hat er länger gewohnt, zog von hier nach dort im Raum Wien (heute alles Beethoven Gedenkstätten). Er soll über 60 Mal umgezogen sein. Endlich angekommen! Der Herr Beethoven ist heute verstorben! Der gewitzte Kutscher hat’s gewusst, freut sich am prallen Geldbeutel. Neben diesem fiktiven Protagonisten gibt es eine Menge realer Personen, die dargestellt werden: Anton Schindler, sein Sekretär und Biograph, der Dokumente fälscht, der Bruder, der nach Geld die Wohnung durchsucht, die genervte Haushälterin Sali, Doktor Andreas Wawruch, der Hausarzt, Anatom Doktor Wagner und sein Gehilfe Anton Dotter. Die Leichenfledderei beginnt! Der Leichnam wird obduziert – seine Locken sind bereits abgeschnitten worden und werden höchstbietend verschachert – und es geht um Beethovens Schädel. Zersägt und zerfleddert, legten sie ihm einen afrikanischen Totenschädel in den Sarg, denn falls er jemals obduziert werden sollte, so brauchte der Mann doch einen Kopf! Eine makaber-groteske Satire auf die Wiener Gesellschaft und Starkult. Süffisant ist auch die Aufbewahrung: Honorige, heuchlerische Kondolation, die parallel von hinterfotzigen Denkblasen begleitet wird. Ganz plötzlich hatte Ludwig ganz enge Freunde …
Ein Saustall war dem seine Wohnung! Und ich hab ihm sollen führen diesen Saustall! Ich sag Ihnen: Ein Teifl war er. Ein Teifl, der wo hat eingehämmert auf seinem Klavier wie ein Irrsinniger. Sein närrisches Geklimper hat doch kein normaler Mensch aushalten können!
Nebenbei aus Gesprächen und Rückblicken erfährt man doch einiges über den Musiker. Bei der Obduktion stellte man einen hohen Bleigehalt in seinem Körper fest, eine mögliche Erklärung, warum er sein Gehör verloren hatte, warum er so qualvoll sterben musste. Einige Anekdoten aus seinem Leben werden preisgegeben.
Ich schaute auf ihn, wie er jedes Detail im Orchester mit rührigen Blicken verfolgte. Dann sah er zu mir und las die Zeilen seiner Ode an die Freude von meinen Lippen ab. Nur ich hab’s gesehen. Ganz allein ich! Dann schloss er die Augen, um im Geiste ganz bei seiner Symphonie zu sein. Es war, als würden tief in seinem Innersten Freude über sein Werk und Schmerz über seine Taubheit miteinander ringen. Kaum war der letzte Ton verklungen, brach im Publikum ein frenetischer Beifall los.
Kräftigen Farben und Pastelltöne im Aquarellstil machen das Buch zum Augenschmaus. Rem Broo zeigt originale Wiener Stadtszenen. Dunkle Braun- und Lilatöne arbeiten Skurriles heraus, Zeichenstile wechseln mit Protagonisten. Starkult, Profitgier, Hinterfotzigkeit – aber auch Stars, die ihre Mitmenschen tyrannisieren – ein Thema, das nicht bei Beethoven endete. Ein prachtvoller Comic. Wer meint, alles über Beethoven zu wissen, erfährt in dieser Graphic Novel vielleicht ein wenig mehr. Eine klasse Satire! Ein Jugendbuch ab 14, das ich aber unter der Rubrik Allage einordnen würde.
Peer Meter, geboren 1956 in Bremen, lebt als freier Schriftsteller in Worpswede. Neben seiner Arbeit als Comicszenarist ist er Theater-, Drehbuch- und Sachbuchautor. Bereits seit 1973 beschäftigt sich Peer Meter immer wieder auch mit Comics.
Rem Broo ist ein rumänischer Autodidakt, der in Berlin lebt. 2008 gab er seine Arbeit als Architekt auf, um sich auf seine große Leidenschaft, das Zeichnen, zu konzentrieren.
Peer Meter, Rem Broo
Beethoven
Unsterbliches Genie
Comic, Grafic Novel
Größe: 19,80 x 26,50 cm, 144 Seiten, Hardcover
Carlsen Verlag
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
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