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Ausflug zum Mond von John Hare - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing




Ausflug zum Mond 


von John Hare


Noch ein Bilderbuch, in das ich mich verliebt habe … Ohne Worte erzählen die Zeichnungen die intensive Geschichte von einem Jungen, der zum Mond fuhr, und dort vergessen wurde.Die erste Seite der Erzählung ist das Cover, denn dort sieht man Kinder (wohl eine Schulklasse) ein Shuttle besteigen. Auf der nächsten Seite sind sie bereits unterwegs. Alle mir nach, zeigt der Lehrer an, die Kinder folgen, springen über breite Gräben. Und eins hat Papier und Stifte dabei, malt den Blick auf die Erde, vergisst sich und den Mond, schläft ein. Als es aufwacht, ist es allein, folgt den Spuren der Kinder, sieht noch das Raumschiff am Himmel gen Erde fliegen. Was soll es tun? Es zeichnet. Und nun schießen Augen aus dem Boden, ganze Männchen. Das Kind bringt Farbe in ihre Welt … Und natürlich – es wird auch später vom Lehrer wieder abgeholt … aber ich glaube, niemand wird ihm die Geschichte mit den Männchen auf dem Mond abkaufen. Am Ende des Buchs sieht man das Kind ohne Helm. Die Zeichnung lässt offen, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Beides ist möglich.







Interessant ist auch de Bildgestaltung: Der Mond in steingrau, ebenso die Männchen, der Himmel ist schwarz. Am Anfang haben wir das quietschgelbe Shuttle, später die blaugrüne Erde als Farbtupfer. Nun kommt der sonnengelbe Farbkasten ins Spiel, die bunten Stifte. Das lenkt zielgenau das Auge auf das Wesentliche. Kunst verbindet über Grenzen. Unser kleiner Künstler sieht mehr, intensiver, ist neugierig, will alles erfassen. Das macht ihn  in der Schulklasse zum Außenseiter, bzw. er kapselt sich selbst ab. Voller Vertrauen in sich und seinen Lehrer verspürt man auch keine Angst bei dem Kind. Es setzt sich und malt. Es macht andere neugierig und erfreut sie mit seinen Zeichnungen. Das Kind hat etwas für sich mitgenommen, die Begegnung mit den Mondmännchen. Und die wiederum haben die Buntstifte behalten, können ihre Welt farbiger gestalten. Jede Begegnung mit anderen erweitert deinen Horizont. Die Mondmännchen wirken ein wenig wie die tschechischen Knetmännchen »Friedrich und Friedrich«, freundliche Gestalten. Das Buch hat keinen Text, denn Dialog funktioniert auch ohne Sprache. Und die Kunst war immer eine Brücke zu neuen Ufern. Ein wundervolles Bilderbuch, das eine lange Geschichte in Bildern erzählt, voller Gedanken und Emotionen, die beim Ansehen aus einem heraussprudeln. John Hare braucht keine Worte. Die Altersangabe vom Verlag liegt bei 4 - 6 Jahre - das ist in Ordnung, aber es ist ein Buch, in das man selbst Erwachsener noch versinkt.

John Hare, geboren 1976 in St. Charles, Missouri (USA), verbrachte seine Jugend in Kansas (USA).
Schon als Kind zeichnete er viel und ständig, zum Beispiel Schlangen und Krokodile, bis er schließlich Grafikdesigner und Art Director wurde. Er lebt mit seiner Familie in Gladstone, Missouri (USA). Ausflug zum Mond ist sein erstes Bilderbuch.


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