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Herrn Arnes Schatz von Roberta Bergmann & Selma Lagerlöf - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Herrn Arnes Schatz 


von Roberta Bergmann & Selma Lagerlöf


Der erste Satz: Als König Fredrik der Zweite von Dänemark in Bohusland regierte, lebte in Marstrand ein armer Fischkrämer namens Torarin.

Diese Geschichte von Selma Lagerlöf, die 1904 erschien, kannte ich noch nicht. Eine Schauergeschichte, inspiriert durch einen tatsächlich stattgefundenen Raubüberfall auf ein schwedisches Pfarrhaus im 16. Jahrhundert, in der die Autorin das Thema Schuld und Sühne thematisiert – die Gier des Menschen. Die Grafiken von Roberta Bergmann in diesem Buch mich beeindruckt: Nordische Kühle, Brutalität, Geister – sie fängt die Szenerie perfekt ein. Ein Leseschatz!




Ich sehe sie noch mit ihren langen Messern dasitzen›, sagt der Köhler. ‹Bedrohlich sahen sie aus mit ihren zerrissenen und dreckig verfilzten Fellmänteln und mit den buschigen Bärten, die allzu lange Zeit nicht mehr gestutzt oder gepflegt worden waren. Auf den ersten Blick dachte ich, drei Werwölfe hätten meine Hütte betreten. Ich war froh, als sie sich endlich verabschiedet haben.

Der fahrende Fischhändler, Herr Arne, juckelt mit seinem Pferdekarren durch die eisige Schneelandschaft. Wohlig warm wird ihm beim Essen im Haus des freundlichen Pfarrers in Solberga. Plötzlich wird es drinnen eisiger als vor der Tür, als die Hausmutter Visionen bekommt: Sie fragt, warum in Branehög die Messer gewetzt werden, hält sich entsetzt die Ohren zu, schreit. Alles schmunzelt betreten, denn das ist dummes Zeug. Auch der Hund von Herrn Arne scheint etwas zu ahnen, die beiden wollen nur noch fort von diesem Hof. Als Herr Arne in Branehög ankommt, beruhigt er sich. Denn dort sitzt man gemütlich beim Abendessen zusammen. Während die Leute dort von drei durchreisenden Gerbergesellen berichten, die abends zuvor ihre Gerbermesser wetzten, leuchtet der Himmel weit hinten rot. Man macht sich auf zum Pfarrershof, der zu brennen scheint. Der Pfarrer und seine Familie sind tot, mit ihm alle Angestellten, – bestialisch im Schlaf abgestochen. Es ging das Gerücht um, der Pfarrer habe einen Schatz in seiner Truhe liegen. Die Truhe ist verschwunden. Nur das Findelkind, namens Elsalill, konnte sich verstecken, hat das Massaker überlebt. Herr Arne nimmt das Mädchen bei sich auf. Sie verliebt sich in einen schmucken Schotten und muss sich bald entscheiden, auf welcher Seite sie steht.




Die Geschichte ist nichts für schwache Nerven. Sie entwickelt sofort einen Sog und die Grafiken von Roberta Bergmann lassen die Emotion hochschnellen. Die Illustrationen sind mit Buntstift und Acryl auf schwarzen Karton gemalt und digital bearbeitet. Mit vielen doppelseitigen und einseitigen Grafiken wird das Buch zum Augenschmaus. Roberta Bergmann schafft es, Landschaft und Figuren einzufangen, Kaltes, Schauriges, Eisiges – aber auch die Gefühle der Protagonisten spiegeln sich in den Gesichtern. Schwarze Pappe in Kontrast mit weißem Akryl und Buntstift, teils schablonenhaft zusammengefügt, gibt der Geschichte den optischen dunklen, grusligen Akzent. Diese Novelle wurde 1919 und 1954 verfilmt und diente als Inspiration für das Versdrama «Winterballade» von Gerhard Hauptmann und war Vorlage für die Oper «Nordische Ballade».




Roberta Bergmann wurde 1979 in Nordhausen geboren. Als diplomierte Grafikdesignerin und freie Künstlerin gründete sie 2003 mit vier Kolleginnen die »Ateliergemeinschaft Tatendrang-Design«, mit der Roberta 2012 zur »Kultur- und Kreativpilotin Deutschlands« durch eine Initiative der Bundesregierung ausgezeichnet wurde. Sie arbeitete u. a. als Gastprofessorin für »Gestaltungsgrundlagen« an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Seit 2017 ist Roberta eine von 100 gewählten Kreativschaffenden Deutschlands, die ehrenamtlich als »Fellow« für das Kompetenzzentrum des Bundes arbeiten und gibt ihr Wissen in ihrem Podcast »Der kreative Flow«, in Büchern, Workshops und Coachings weiter.

Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf, † 16. März 1940, wer kennt die schwedische Schriftstellerin nicht? Ihre Werke zählen zur Weltliteratur. 1909 erhielt sie als erste Frau den Nobelpreis für Literatur und wurde 1914 als erste Frau in die Schwedische Akademie aufgenommen. Sie verfasste religiöse, fantasievolle und heimatverbundene Werke sowie Kinderbücher. Ihr bekanntester Roman ist «Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen», das 1906 erschien.


Roberta Bergmann & Selma Lagerlöf 
Herrn Arnes Schatz
Aus dem Schwedischen von Maike Dörries
Novelle, Kunstband illustriert
Kunstanstifter Verlag, 2019, 132 Seiten, Hardcover mit Leineneinband

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