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Lang lebe König Frosch! von Martin Baltscheit und Sabine Büchner - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing




Lang lebe König Frosch! 


von Martin Baltscheit und Sabine Büchner


Nach einer halben Stunde glitzert der See noch immer wie das Abendkleid einer Waldkönigin, und der Fuchs überlegt, ob Maria und Josef sich auf ihr zweites Kind auch so gefreut haben. Das Wildschwein trinkt einen Schluck aus der Flasche, kratzt sich am Bauch, trinkt, kratzt sich wieder, trinkt noch einmal und schlägt sich in die Büsche, weil es zu viel getrunken hat.

Wie fange ich es an? Die Geschichte finde ich klasse, habe mich köstlich amüsiert. Die Grafiken sind prima, lustig, passend, hohe zeichnerische Qualität. Mir hat das Buch gefallen. Mir. Das Kinderbuch wird für das Alter ab 6 Jahren angeboten. Die Grafiken sind passend für das Alter. Doch passen sie zum Buch? Passt diese Fabel, diese politische, philosophische Satire zu Kindern? Eben nicht. Die Geschichte mit erwachsengerechten Karikaturen hätte mir gefallen, auch als Comic. Die Bewertung liegt aber leider auf der Grundlage eines Kinderbuchs. Und in dieser Kategorie fällt es für mich völlig durch.

Ich rede, wenn es mir passt. Und du redest, wenn ich es erlaube.› Dann breitet er sie Arme aus: ‹Ich bin die König  von die Wald und Herrscher über alle Tiere.




Worum geht es? Fuchs und Wildschwein hatten der Eintagsfliege drei Jahre zuvor versprochen, auf ihr Ei aufzupassen und die neugeborene kleine Eintagsfliege für den einen Tag ihres Lebens zu behüten. Nun ist es soweit. Doch was steigt da aus dem Wasser des Sees vor ihrem Haus? Ein Frosch, der auch noch behauptet, ein König zu sein. Die beiden lachen sich schlapp über den elegant gekleideten, aufgeblasenen Lurch mit französischem Akzent und scheuchen ihn von dannen. Kurz darauf tritt die Eintagsfliege im rosa Röckchen aus dem Wasser, ruft nach Mama und Papa: Grün, ziemlich groß, kann nicht fliegen, sagt «Bon anniversaire!», frisst den Kuchen auf, wo Fliegen doch gar keinen Kuchen essen. Komisch, denken Fuchs und Wildschwein. «Ich bin neue Rass», begründet das die Eintagsfliege. Der Leser weiß Bescheid. Bei Papa und Mama dauert es ein wenig, bis das Brett vorm Kopf herunterfällt. Der Frosch, aufgeflogen, entschuldigt sich, erzählt eine herzergreifende Geschichte und unsere beiden Dösbaddel fallen darauf herein, erkennen ihn als König an. Und König Frosch verlangt ein Schloss, frisch gegrillte Fliegen und absoluten Gehorsam. Er lässt die beiden sogar eine Mauer um das Haus errichten, um den Storch fernzuhalten, der angeblich ein böser Zauberer ist und bildet darin eine Republik. «Keiner rein, keiner raus.» Es dauert, bis das Lügengebilde auffliegt, denn der Frosch hat die besten Ausreden.

Es gibt verschiedene Sorten Kleider. Solche, die hinter das Licht führen, wie bunte Hüte, Sonnenbrillen und billiger Schmuck. Solche, die einen Müllmann vor Gestank und Wurstpellen schützen, und solche, die helfen, ein Amt mit Ernst und Würde zu füllen.




Eine feine Satire auf Gauner, Hochstapler, Populismus – Manipulation – mit einem feinen philosophischen Unterton. Befassen wir uns mit Humor und Satire in der Entwicklungspsychologie. Humor ist ein Merkmal der sozio-emotionalen Entwicklung eines Menschen. Wir können nur über etwas lachen, was wir verstehen, was mit unseren eigenen Werten und Einstellungen kompatibel ist. Die Pointe muss von unserem Gehirn aufgedeckt werden. Wissensstand ist die erste Komponente. Nehmen wir mein erstes Zitat von oben. Haben alle Kinder den gleichen religiösen Wissensstand mit 6 Jahren? Wer waren Maria, Josef und ihr Kind? Und warum soll man sich über ein zweites Kind nicht freuen? Pointe: Weil es mit dem Ersten nur Ärger gab. Aber zum ironischen Verständnis kommen wir gleich. Und warum schlägt sich das Wildschwein in die Büsche? Erfahrungswerte gehören auch zum Wissensstand. Man achte auf die vielen kleinen abgebildeten Bierflaschen. Humorverständnis - nicht aber zwingend die Humorwertschätzung - hängt vom kognitiven Entwicklungsstand und der Sprachentwicklung eines Menschen ab. Gleiche Werte, Zusammenhänge verstehen und sprachliche Kompetenz gehören dazu. Beispiel: Die Freunde meiner Eltern sagten früher zu mir: «Von dir stand schon in der Bibel geschrieben: Eine lange Dürre wird kommen.» Neben dem Bibelverständnis, Wissenskompetenz, gehört Sprachverständnis: Dürre ist sowohl dünn, wie auch für eine Naturkatastrophe. Und nur wenn ich alle diese Kompetenzen besitze, kann ich den Witz verstehen. Entwicklungspädagogisch ist das Verständnis für ironische Bemerkungen, dass etwas anderes gemeint ist, als gesagt wird, erst bei Kindern ab 10 Jahren vorhanden. Sprüche (Zitat aus dem Buch) wie: «Das Leben ist kein Ponyhof», werden nicht verstanden, und schon gar nicht die vielen politischen Anspielungen und Metaphern. Eine Satire kann letztendlich erst für das Alter von 12-14 Jahren angesteuert werden, diese hier meiner Meinung nach ab 14 Jahren.

Republik klingt schön, was ist das?›
‹Ein anderes Wort für Familie!›, sagt das Wildschwein.
‹Eine Republik ist gut. Wie heißt sie denn?›
‹Die Republik der freien Tiere!›, sagt der Frosch. …
‹Lang lebe die Republik!›, rufen alle drei.

Das zweite Problem für mich ist die Sprache für die Altersstufe ab 6 Jahren. Ganz davon ab, dass sie nicht altersgemäß umgesetzt wird («Den nächsten Stich parierst du nicht» usw.), sind die Sätze für Leseanfänger viel zu lang. Die süße Frosch at eine französische Aussprach von die Deusch. Und es kommen eine Menge französische Ausdrücke vor – die am Ende der Seite in der Fußnote übersetzt werden. Ab 6 Jahren, Leseanfänger – Neben langen Sätzen und schwer verständlichen, muss sich der junge Leser nun auch noch mit falscher Grammatik (Versteht er die Anspielung auf den französischen Dialekt?) und französischen Wörtern herumschlagen, die er nicht aussprechen kann. Summa summarum hat dieses Kinderbuch auch nicht annähernd einen Text, dem ich einen Leseanfänger zumuten möchte. Die Grafiken sind wirklich witzig und gut gemacht, passend für die Altersstufe. Ich frage mich, welcher Teufel den Dressler Verlag geritten hat, aus diesem wunderbaren Text ein Kinderbuch zu machen.


Martin Baltscheit, geboren 1965, studierte Kommunikationsdesign und ist Illustrator, Sprecher, Buch-, Hörspiel- und Theaterautor. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Preise, darunter alle deutschen Staatspreise, wie den Deutschen Jugendliteraturpreis, den Deutschen Kurzfilmpreis und den Deutschen Jugendtheaterpreis. Martin Baltscheit lebt mit seiner Familie in Düsseldorf.
SaBine Büchner, 1964 geboren, studierte Kommunikationsdesign in Wuppertal und Animation an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg. Sie hat an zahlreichen Trickfilmproduktionen für die beliebte «Sendung mit der Maus» mitgearbeitet. 2006 erhielt sie das Troisdorfer Bilderbuch-Stipendium für ihr Bilderbuch «Für immer sieben», für das sie Text und Bilder kreiert hat. Seitdem ist SaBine...



Martin Baltscheit (Autor), Sabine Büchner (Illustrator) 
Lang lebe König Frosch!
Kinderbuch
Dressler Verlag, 2020, 112 Seiten, 30 Abbildungen
Altersempfehlung: ab 6 Jahren

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