Direkt zum Hauptbereich

Wolkenbrot von Baek Hee Na und Kim Hyang Soo - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Wolkenbrot 

von Baek Hee Na und Kim Hyang Soo


Der erste Satz: Als ich morgens die Augen aufmachte, regnete es draußen.

Der kleine Kater weckt frühmorgens die Schwester und sie gehen hinaus in den Regen. An dem Ast eines Baums hatte sich eine kleine Wolke verfangen. Die Kinder zupfen sie vorsichtig ab, nehmen sie mit nach Hause. Die Mama knetet nun einen Brötchenteig, unter den sie die Wolke mischt. Papa, mal wieder zu spät aufgestanden, kann nicht auf die Brötchen warten, hetzt hinaus. Kurze Zeit später duftet es in der ganzen Wohnung und man lässt sich zum Frühstück nieder. Aber hupps, die Brötchen schweben, und wer davon isst, der kann es auch. Die Kinder machen gleich mal einen Ausflug direkt aus dem Fenster hinaus in den Himmel. Was da unten los ist auf der Straße im morgendlichen Verkehr! Und dort ist auch Papa! Der bräuchte Hilfe …




Ein wundervoll gestaltetes Kinderbuch! Die Geschichte ist fantasievoll und passt genau auf einen kalten, regnerischen Tag, wie heute. Am meisten hat mich die Gestaltung fasziniert. Die Bilder wurden als Modelle im Collagen-Stil gebaut und dann abfotografiert. Fotos real, fotografiert in der Puppenstube, von Illustrationen usw. geben den Hintergrund. Die Figuren sind aus Illustrationen aus Pappe, mit Kleidern aus Stoff usw. überzogen. Zusammengesetzt, übereinandergelegt, eine interessante Plastizität entsteht! Eine ungewöhnliche Technik, die man gerne anschaut, die den Bildern Lebendigkeit verleiht.





Aber trotz einer liebevollen Gestaltung und einer witzigen Geschichte ist mir das Buch nicht zeitgemäß – pädagogisch nicht wertvoll. So sehr ich das Bilderbuch auf der einen Seite künstlerisch hervorheben möchte, genauso muss ich als Frau dieses Buch ablehnen. Etwas entsetzt war ich, nachdem ich folgendes über die Autorin las: Baek Hee Na, geboren 1971, studierte Pädagogik an der Ehwa Frauenuniversität. Wir sehen hier eine Mutter in Schürze und Topflappen, die den Haushalt führt, die Kinder bekocht. Dagegen einen Vater im schwarzen Anzug mit roter Krawatte und Aktentasche, der zur Arbeit hetzt. Das wird noch getoppt: Papa sitzt im Büro vorm Computer und ein hübsches Ponyweibchen im Rock serviert ihm Kaffee, trägt die Postmappe (?) unter dem Arm. Solche Bücher möchte ich eigentlich im 21. Jahrhundert nicht mehr sehen! Bücher prägen Kinder! Die Sozialisation, das Menschenbild manifestiert sich in den ersten 4 Jahren und ist prägend in den ersten 10 Jahren. Nicht umsonst wird unterschwellig in jedem Schulbuch dergleichen vermittelt. Schon die Namensgebung der Kinder im Schulbuch sagt viel aus. Das reicht hinein bis ins Mathebuch: Mama backt Kekse, 100 Gr. Teig … Papa mäht den Rasen. Es sind 100 qm. In einer Minute schafft er … Indoktrinierung durch Bücher. Das Bilderbuch wird vom Mixtvisio Verlag ab 3 Jahren empfohlen. Dem würde ich mich anschließen. Gestaltung und Fantasie sind außergewöhnlich gut und darum wohl wurde das Bilderbuch ausgezeichnet auf der Kinderbuchmesse Bologna 2005, ausgewählt als Bilderbuch des Monats August 2009 von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V., nominiert für den LesePeter Dezember 2009 der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien. Dieses Buch ist eine Neuauflage von 2009, neu gestaltet in 2019. In der Jury sitzen jeweils wohl zum größten Teil Männer – wie das so üblich ist.



Baek Hee Na, geboren 1971, studierte Pädagogik an der Ehwa Frauenuniversität und produzierte zunächst CD-Roms für Kinder. Sie lebte längere Zeit in den Vereinigten Staaten und absolvierte dort zusätzlich ein Animations-Studium. Heute illustriert sie schwerpunktmäßig Kinderbücher.
Kim Hyang Soo widmete sich zunächst der Gestaltung von Magazinen und Zeitschriften für Kinder. Zurzeit arbeitet er für einen Verlag und ist dort für die Texte und Bilder von Kinderbüchern zuständig. Für seine Bilder bevorzugt er statt »Fotos« den Ausdruck »Lichtbilder«. Mit den Lichtbildern für Wolkenbrot knüpft er an seine Kindheitserinnerungen an. Damals spielte er bei Regen oft im Hof und wurde dabei völlig durchnässt.


Baek Hee Na und Kim Hyang Soo
Wolkenbrot (2004)
aus dem Koreanischen übersetzt: Christina Youn-Arnoldi
Mixtvision, erste Fassung 2009, dieses ist eine neue Gestaltung von 2019
42 Seiten, gebunden

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler

  Mischa und Nits sind beste Freunde. Mischa liebt die Poems von Nits. Und der bewundert Mischa, weil er schlau ist und ein wandelndes Lexikon über Tiere zu sein scheint. Lügen geht gar nicht, so Nits Überzeugung. Darum fragt er sich, warum Mischa dem Lehrer weismachen will, er hätte eine Chlorallergie, als der Schwimmunterricht beginnt – Nits erzählt er, die Badehose sei von Mäusen angefressen worden. Überhaupt scheint Mischa in Schwierigkeiten zu stecken – doch wohl eher sein Vater ... Nits betritt in dieser Familie plötzlich eine völlig andere Welt – die der Armut. Aber das ist ein Unterthema – Mischas Vater ist untergetaucht; Mischa und Nits werden ihn nicht im Stich lassen – aber das könnte gefährlich werden ... Spannung, Humor und ein wenig Tragik machen das Buch zu einem Leseerlebnis. Meine Empfehlung ab 11 Jahren für diesen exzellenten Kinderroman.  Weiter zur Rezension:    Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler 

Rezension - Die Windmacherin: Eine Sommergeschichte von Maja Lunde und Lisa Aisato

  In dem Land, in dem Tobias lebt, sind endlich wieder bessere Zeiten eingekehrt, und alle Kinder sollen zur Erholung die Sommerferien auf dem Land verbringen. Doch statt zu zweit oder zu dritt auf einem idyllischen Bauernhof, landet der 11-jährige Tobias allein auf einer Insel weit draußen im Meer, wo er bei einer menschenscheuen Frau namens Lothe unterkommt. Lothe wollte kein Ferienkind haben, man hat ihr Tobias aufgedrückt – was die mürrische Frau ihn spüren lässt. Ein Geheimnis gilt es zu lüften, Menschen und Handeln zu verstehen; Freundschaft, Kriegstraumata, vom Dunkel ins Licht gehen … Allage, Jugendbuch ab 12 Jahren. Weiter zur Rezension:    Die Windmacherin: Eine Sommergeschichte von Maja Lunde und Lisa Aisato

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Das Herz eines Schiffes von Elinor Mordaunt

Die spannenden Kurzgeschichten, gespickt mit ein wenig Seemannsgarn haben eins gemeinsam: Hier geht es um Segelschiffe, um Dreimaster. Wir tauchen ein in eine Zeit der rauen Seefahrt. Spannend und atmosphärisch, ein wenig Humor und Seemannsgarn – Kurzgeeschichten über Schiffe und Menschen, die zur See fahren. Meine Empfehlung für den Klassiker mit ausgewählten Erzählungen von Elinor Mordaunt! Weiter zur Rezension:    Das Herz eines Schiffes von Elinor Mordaunt

Rezension - Devil’s Kitchen von Candice Fox

  Die Feuerwehrleute von «Engine 99» gelten als die Besten in New York – mutig, unerschrocken, verehrt. Was niemand ahnt: Sie sind parallel eine beinharte Gang, denn sie legen Brände, um im Chaos Vorbereitungen zu treffen, um später Banken und Juweliere auszurauben. Das könnte immer so weiterlaufen, wenn Bens Lebenspartnerin Luna und ihr Sohn nicht verschollen wären und er seine Kumpel nicht im Verdacht hätte, sie getötet und verscharrt zu haben. Er will es wissen! Und dafür ist er bereit, die Bande auffliegen zu lassen, sich selbst ans Messer zu liefern. Er bietet dem FBI an, wenn sie «seine Familie» finden, herausfinden, was mit Frau und Kind passiert ist, wer verantwortlich ist, dann packt er aus. Und so wird die freiberufliche Ermittlerin Andrea Nearland auf die Truppe angesetzt. Blockbuster – Spannung, die niemals abfällt! Klasse Thriller! Weiter zur Rezension:    Devil’s Kitchen von Candice Fox

Rezension - Splendido. Primavera/Estate: Italienische Küche für Frühling und Sommer von Juri Gottschall und Mercedes Lauenstein

  Lauenstein und Gottschall laden wieder dazu ein, die Vielfalt und Hochwertigkeit der regionalen italienischen Küche zu entdecken. Eine Reise durch Italien mit Fotos von Landschaften und Menschen, von hervorragenden Rezepten. Die Frühjahrs-Sommerküche überzeugt durch die Qualität der Zutaten, denn das ist der Grundstock des Geschmacks. 70 Rezepte zu saisonalen Besonderheiten, Ursprüngen, Küchengeschichten, italienische Kultur und Feste – saisonale Schätze und Spezialitäten spielen zu bestimmten Anlässen eine große Rolle. Wieder ein sehr gutes Kochbuch, das Liebhaber der italienischen Küche im Regal stehen haben sollten. Weiter zur Rezension:    Splendido. Primavera/Estate: Italienische Küche für Frühling und Sommer von Juri Gottschall und Mercedes Lauenstein 

Rezension - Übung in Gehorsam von Sarah Bernstein

  Eine junge Frau aus einer Anwaltskanzlei aus der Stadt und zieht auf die Bitte von ihrem Bruder, der von Frau und Kindern verlassen wurde, zu ihm in ein Land im hohen Norden; sie kann von dort ihren Job weiter erledigen. In dem abgelegenen Dorf in einem nördlichen Land lebten bereits die jüdischen Vorfahren der Familie; es ist ihnen dort nicht gut ergangen. Als jüngstes von zahlreichen Geschwistern scheint es der jungen Frau nichts auszumachen, sich als Haushälterin des Bruders aufzuopfern. Eine komplexe Geschichte, Sarah Bernstein ist eine feine Beobachterin, alles ist offen; ist diese Erzählerin zuverlässig? Das Gehirn des Lesenden ist in Arbeit, viel Interpretation ist an vielen Stellen offen. Klasse! Weiter zur Rezension:    Übung in Gehorsam von Sarah Bernstein

Rezension - Grazie Roma von Daniel Gottschlich, Sebastian Späth und Dimitrios Katsavaris

  Wie ich mein Sternerestaurant zurückließ, in Italien Inspiration für neue Gerichte fand und mich am Ende selbst überraschte Daniel Gottschlich erhielt als erster Koch das Stipendium an der Deutschen Akademie in Rom – die bedeutendste Auszeichnung für deutsche Künstler im Ausland. Ein Koch, als Künstler? Man argumentierte mit dem von Joseph Beuys geprägtem «erweiterten Kunstbegriff», der das Kreative mit dem Künstlerischen gleichsetzt. Tage des Austauschs und der Inspiration, Stunden voller kreativer Eindrücke und künstlerischer wie musischer Erlebnisse. Im Mittelpunkt aber stand: die ausgezeichnete italienische Küche. Neben dem Reisebericht und den Eindrücken gibt es 30 Rezepte. Das erzählende Sachbuch ist eine Mischung aus Reiseliteratur und Kochbuch. Inspirierte Italienische Küche, Kulinarisches der mediterranen Küche, Lieblingsrezepte, Weltküche. Ein gelungenes Buch! Empfehlung! Rezension:   Grazie Roma von Daniel Gottschlich, Sebastian Späth und Dimitrios Katsavaris...

Rezension - Die Witwe von Helene Flood

  Gesprochen von Cornelia Tillmanns Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer 10 Std. und 41 Min. Eine gutbürgerliche Nachbarschaft in Oslo, Evy ruft ihrem Mann nach: «Fahr vorsichtig!» Wenige Minuten später erleidet Erling wieder einen Fahrradunfall und stirbt im Krankenhaus. Ein Herzinfarkt? Zurück bleiben Evy, mit der er seit fünfundvierzig Jahren verheiratet war und seine drei Kinder. Der Unfall lässt Fragen offen, denn wo sind die Herzmedikamente, sein Terminkalender, und wo ist sein Fahrrad? Die Polizei ermittelt, da Erling ohne diese Dinge aufgefunden wurde. Ein Testament schockiert die Familie: Erling hat kurz vor seinem Tod fast sämtliches Bargeld in Immobilien investiert. Evy ist die Alleinerbin. Sie erfährt von Erlings Freund, dass Erling der Meinung war, jemand wolle ihn umbringen – wahrscheinlich eins seiner geldgierigen Kinder. Und darum sei auch Evy in Gefahr. Ein Kriminalroman, der unaufgeregt bis zur letzten Seite dahinplätschert, sich mit den Inneneinsichten von Evy befasst...