Rezension
von Sabine Ibing
Sapiens - Die Falle
von Yuval Noah Harari, David Vandermeulen und Daniel Casanave
Die Graphic Novel zu Yuval Noah Hararis Weltbestseller «Eine kurze Geschichte der Menschheit» geht weiter. Im ersten Band schwangen sich die frühen Sapiens zu Herren der Welt auf. Im zweiten Band treffen sie eine Entscheidung, die den Weg der Menschheit völlig verändert wird. Vor etwas mehr als 10.000 Jahren fingen einige Sapiens an, sesshaft zu werden und Weizen anzubauen. Das Drama nahm seinen Lauf ... War dies eine falsche Abzweigung in der Evolution? Der Sach-Comic berichtet, was sich daraus bis heute entwickelte.
Mit der Sesshaftigkeit begann die Idee vom Eigentum. Freier Jäger und Sammler lebten wahrscheinlich gesünder. Denn durch die Möglichkeit, mehr Menschen zu ernähren, explodierte das Bevölkerungswachstum. Das Domestizieren von Pflanzen und Tieren setzte sich fort und die Bevölkerung wuchs und wuchs ... Der Mensch war nun Sklave des Weizens, verrichtete Arbeiten, für die der menschliche Körper eigentlich nicht konstruiert ist. Eigentum entwickelte Machtgefüge und eine große Anzahl hart arbeitender und gleichzeitig schlecht ernährter Bauern fütterte eine Handvoll fetter Befehlshaber. Die landwirtschaftliche Revolution legte die Grundlage für komplexe soziale und politische Gebilde in der Entwicklung der Menschen. Imperien entstanden, Sklaverei, Kriege und Ungleichheit durchzog die Welt; der Kapitalismus unterdrückte den Großteil der Menschen und wenige Herrschende profitierten. Ein Blick in die Geschichte: Hochkulturen, Imperien, Geldwirtschaft und Religionen, gesellschaftliche Stände, erdachte Ordnungen mit Gesetzen entstanden. Wo waren die Kipppunkte in der der Geschichte, an denen sich etwas veränderte? Die Frage stellt sich: Was wäre aus uns geworden, wenn wir immer noch sammeln und jagen würden? War diese Art zu leben wirklich so idyllisch? Und wenn diese These stimmt, wie kommen wir aus dieser Nummer wieder heraus? Dieser Comic bietet guten Stoff zu Diskussionsrunden.
Der Comic beginnt mit einem Theaterbesuch, das Stück, ein umstrukturierter «Faust», in dem Mephisto den Menschen in Ketten legt, indem er einem Sonderling das Weizenkorn als Nahrungaufschwatzt, ihm rät, es anzubauen. Die Graphic Novel ist als erzählendes Sachbuch aufgebaut, ziemlich witzig, voll schwarzem Humor mit herrlichen Dialogen, prominenten Gastauftritten wie von Fred Feuerstein, Thomas Jefferson, Adams, Justizia, Supermann, Scarlet O’Hara mit Jeff und Ashly, Papst Julius II, Konfuzius, Franz Kafka, Margaret Thatcher, John Lennon. Sesshaftigkeit, Domestizierung von Pflanzen und Tieren, Machtgefüge durch Besitz, die Erfindung des Geldes, die Rolle von Göttern, die Unterdrückung der Frauen, die Klassen-, Rassen- und Geschlechterhierarchien, Ordnungen und Revolten.
All das verdanken wir letztendlich der Weizen-Abhängigkeit in der Jungsteinzeit. So zumindest setzt Yuval Noah Harai seine provokativen Geschichtsthesen auf. Unser Leben besteht aus Fiktion – der Gaube an irgendetwas. Der Glaube an die Götter (die irgendein Mensch mal erfand), der Glaube an ein Wirtschaftssystem, der Glaube, dass eine Gruppe der Menschheit über der anderen steht (Frau Mann, Schwarz-Weiß, Religion usw.) ... Religion, Regeln, Gesetzte, unser gesamtes Denken ist Fiktion: Du musst nur eine größere Menge überzeugen, etwas zu glauben, damit es im Ganzen funktioniert, und dann ist es Gesetz. News – Fakenews. Lebendige Dialoge, detailreiche, humorvolle Zeichnungen, teils im Pop-Art lassen die Thesen lebendig werden. Ein wundervoller Stoff um zu diskutieren, wer wir sind und wohin wir gehen wollen – wir, die Sklaven des Weizens. Eine Graphic Novel, ein Comic für alle Altersstufen, als Jugendbuch ab 14 Jahren geeignet.
Yuval Noah Harai wurde 1976 in Haifa, Israel, geboren. Er promovierte 2002 an der Oxford University. Aktuell lehrt er Geschichte an der Hebrew University in Jerusalem mit einem Schwerpunkt auf Weltgeschichte.
David Vandermeulen ist ein belgischer Comicautor. Er hat zahlreiche humoristische und historische Comics veröffentlicht und ist Co-Autor von Yuval Noah Harari bei «Sapiens».
Daniel Casanave ist ein französischer Comicautor, dessen breites Œuvre von Kinderbüchern bis zu Zeitungscartoons reicht. Er ist der Zeichner von «Sapiens». Mit dem Astrophysiker Hubert Reeves verwirklicht er die Sachbuch-Comic-Reihe «Hubert Reeves erklärt...».
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