Direkt zum Hauptbereich

Noir Burlesque von Enrico Marini - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing



Noir Burlesque 


von Enrico Marini

Band 1 


New York in den 50er Jahren, Terry Slick, ein Ex-Boxer, Spieler, Kriegsveteran und Kleingangster, ist wieder zurück und versucht, in dem Haifischbecken der Unterwelt zu überleben. Seine Exfreundin, Caprice ist nun mit seinem Ex-Boss Rex leiert, der sie als sein Eigentum betrachtet. Rex will das Geld von Slick zurück, das Slicks verstorbener Bruder schuldet, stellt ihm das Ultimatum, binnen 24 Stunden die 5000 Dollar aufzutreiben oder für ihn zu arbeiten. Slick hat keine Lust mehr, für Rex Drecksarbeit zu leisten, schert sich darum nicht und kann zudem nicht seine Finger von Caprice lassen. Und sie nicht von ihm. Noir, düster, atmosphärisch, erotisch ... 



Debbie Hollow, die als Burlesque-Tänzerin Caprice auftritt, treibt ein böses Spiel mit Terry «Slick» Cole. Eigentlich hatte Slick sie aufgesucht, um mit ihr abzurechnen, denn sie hatte ihm einen Raubüberfall vermasselt. Die Leidenschaft glüht auf zwischen den beiden. Sie geht mit ihm ins Bett, doch der Einzelgänger ist ein Looser und sie weiß, was ihm blüht, wenn sie sich auf ihn einlässt. Gangsterbosses Rex McKinty behandelt Caprice als sein Eigentum, was ihr nicht gefällt. Doch andererseits hat er ihr eine Karriere geebnet, die sie ohne ihn nicht erreicht hätte, und sie führt ein luxuriöses Leben an seiner Seite, das sie nicht missen will. 



Der smarte, anrüchige Gentleman, der Frauenherzen bricht ... Die Graphic Novel beginnt mit einem Banküberfall bei dem Slick in Bedrängnis gerät, eine Angestellte ihn über den Hinterausgang entkommen lässt, er ihr einen Kuss dafür aufhaucht und eine Perlenkette in ihren voluminösen Ausschnitt gleiten lässt. Eben 50-er Jahre ... Ein skrupelloser Gangsterboss mit seiner abgebrühten Truppe ist hinter dem liebenswerten Gangster her, der einiges an Prügel einstecken muss – dazwischen eine eiskalte Femme fatale, die beim Helden auftaut – ein Gangsterepos, das auf einen Kinderfahrschein passt. Aber das ist es nicht, was diesen Comic ausmacht. Es sind die Illustrationen. Hollywood in alter Schwarz-Weiß-Manier, ein Film läuft vor den Augen des Lesers ab. Marinis Zeichnungen lassen das Herz hochhüpfen, einfach klasse! Er zeichnet in Grautönen, schwarz-weiß und setzt Blickpunkte in leuchtendes Karminrot ein: mal ein Kleid, ein Auto, eine Handtasche, die Haare, Lippen, Schuhe von Caprice oder die Haare von einem Gangstertrottel. Ein Farbtupfer leuchtet aus der Seite heraus. Marini zeichnet sich in Zeit des Genres: New York, Häuserschluchten, schicke Bars, Diners, die rauchige Atmosphäre der Jazzclubs, protzige Autos, stimmungsvolle Grafiken; toxische Männlichkeit und eine schöne Femme fatale, Rache und Vergeltung, Offene Rechnungen, Gangster, Prügeleien, Schießereien, Erotik. Die Zeichnungen im Filmmodus, Perspektivenwechsel: Zoom, Weitwinkel, eine Sicht von oben. Eine Kriminalgeschichte, Noir, Hardboiled in alter Manier. Der Carlsen Verlag gibt eine Altersempfehlung ‎ ab 14 Jahren. Na ja. Halte es nicht für Jugendliteratur. Schwerlich vorstellbar, dass die Story bei Jugendlichen ankommt. Comic für Erwachsene für mich.



Enrico Marini hat mit Serien wie GIPSY, DER SKORPION oder DIE ADLER ROMS gezeigt, dass er ein überragender Zeichner ist. Mit dieser zweiteiligen Graphic Novel tritt er erstmals als Krimiautor auf und entführt die Leser in die goldene Ära des Film Noir. Stimmungsvolle Bilder, scharf gezeichnete Charaktere und ein hohes Tempo machen diesen Comic aus. Marini ist zweifellos auf dem Höhepunkt seiner Kunstfertigkeit!



Enrico Marini, Jahrgang 1969, studierte Grafik an der Kunsthochschule in Basel. Sein Stil ist von den amerikanischen Comics, den italienischen Fumetti und dem Manga beeinflusst. Zu seinen Vorbildern gehören Künstler wie Hermann, Moebius und Otomo. Seine Karriere begann 1987, als er mit knapp 18 Jahren den Comicwettbewerb in Sierre gewann. In Frankreich veröffentlichte er seine erste Serie in Zusammenarbeit mit Thierry Smolderen. 1992 erschufen die beiden gemeinsam die sechsteilige Serie «Gipsy». Es folgten Kollaborationen mit Jean Dufaux («Raubtiere - Jäger der Nacht») und mit Stephen Desberg («Der Stern der Wüste»), mit dem Marini die Mantel-und-Degen-Serie «Der Skorpion» entwickelte. Seit 2007 ist Marini Autor wie Zeichner der Serie «Adler Roms», der Geschichte von Hermann dem Cherusker. 2017 meisterte er eine neue Herausforderung: Für DC Comics zeichnete er inzwischen zwei Bände «Batman». Mit «Burlesque Noir» wendet sich Enrico Marini dem Comic Noir zu und hat einen rasanten Krimi im New York der 1950er Jahre geschaffen.


Enrico Marini
Noir Burlesque 1
Originaltitel: ‎ Noir Burlesque
Band 1 
Graphic Novel, Kriminalliteratur, Comics, Noir, Hardboiled, Noir Krimi, 
104 Seiten, 23.2 x 1.5 x 29.8 cm
Carlsen Verlag, 2022
Altersempfehlung: ‎ ab 14 Jahren - Allage



Graphic Novel, Comic, Grafisches  

Für die Fans von Comis / Graphic Novels und sonstigem Gezeichneten, wie Satire. Hier auf dieser Seite zusammengefasst.  Alle Altersgruppen. Graphic Novel, Com


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Abbruch - Virtuoso von Jelena Moskovich

  Virtuoso  von Jelena Moskovich Jelena Moskovich hat einen schrägen Roman geschrieben, der mich immer wieder zum Abbruch bewegte, andererseits faszinierte, so dass ich weiterlas. Abwechselnd hin und hergerissen. Eine teils surreale Story, mit feinem lyrischen Stil. Ich habe nicht durchgehalten, in der Mitte dann doch abgebrochen. Eine tote Frau in einem Hotelzimmer, die Schauspielerin Céline. Die mit ihr verheiratete Arzthelferin Aimée kommt ins Zimmer, nähert sich dem leblosen Körper, versucht, Céline wiederzubeleben, betrachtet ihn von allen Seiten.  Paranoia war unsere Spezialität. Ich erinnere mich, wie mein Onkel kurz für diesem letzten Herbst 1989 zu meinem Vater sagte, er solle sich auf kein Klo setzen, ohne vorher in die Schüssel zu schauen. Es geht zurück zum Beginn der Beziehung der beiden Frauen, aber auch ins Prag von 1980, zu zwei Kindern, Jana und Zorka. Die Angst im kommunistischen Regime rückt in den Vordergrund und Kindesmissbrauch. Als das kommunistisch...

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Grazie Roma von Daniel Gottschlich, Sebastian Späth und Dimitrios Katsavaris

  Wie ich mein Sternerestaurant zurückließ, in Italien Inspiration für neue Gerichte fand und mich am Ende selbst überraschte Daniel Gottschlich erhielt als erster Koch das Stipendium an der Deutschen Akademie in Rom – die bedeutendste Auszeichnung für deutsche Künstler im Ausland. Ein Koch, als Künstler? Man argumentierte mit dem von Joseph Beuys geprägtem «erweiterten Kunstbegriff», der das Kreative mit dem Künstlerischen gleichsetzt. Tage des Austauschs und der Inspiration, Stunden voller kreativer Eindrücke und künstlerischer wie musischer Erlebnisse. Im Mittelpunkt aber stand: die ausgezeichnete italienische Küche. Neben dem Reisebericht und den Eindrücken gibt es 30 Rezepte. Das erzählende Sachbuch ist eine Mischung aus Reiseliteratur und Kochbuch. Inspirierte Italienische Küche, Kulinarisches der mediterranen Küche, Lieblingsrezepte, Weltküche. Ein gelungenes Buch! Empfehlung! Rezension:   Grazie Roma von Daniel Gottschlich, Sebastian Späth und Dimitrios Katsavaris...

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler

  Mischa und Nits sind beste Freunde. Mischa liebt die Poems von Nits. Und der bewundert Mischa, weil er schlau ist und ein wandelndes Lexikon über Tiere zu sein scheint. Lügen geht gar nicht, so Nits Überzeugung. Darum fragt er sich, warum Mischa dem Lehrer weismachen will, er hätte eine Chlorallergie, als der Schwimmunterricht beginnt – Nits erzählt er, die Badehose sei von Mäusen angefressen worden. Überhaupt scheint Mischa in Schwierigkeiten zu stecken – doch wohl eher sein Vater ... Nits betritt in dieser Familie plötzlich eine völlig andere Welt – die der Armut. Aber das ist ein Unterthema – Mischas Vater ist untergetaucht; Mischa und Nits werden ihn nicht im Stich lassen – aber das könnte gefährlich werden ... Spannung, Humor und ein wenig Tragik machen das Buch zu einem Leseerlebnis. Meine Empfehlung ab 11 Jahren für diesen exzellenten Kinderroman.  Weiter zur Rezension:    Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler 

Rezension - Männer, die die Welt verbrennen von Christian Stöcker

  Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit  Profiteure der fossilen Brennstoffe versus erneuerbare Energien im Zeichen der Klimakatastrophe – wer ist dabei, unsere Welt zu verbrennen und warum? Die Welt steckt in der Endphase eines Kulturkampfs: Gier gegen Gerechtigkeit, Zerstörung gegen Nachhaltigkeit, Zynismus gegen Empathie. Nichts zeigt dies deutlicher als die Reaktionen auf die Klimakatastrophe: Hier jene, die versuchen, das Schlimmste zu verhindern, dort jene, die alles tun, um aus dem Verbrennen fossiler Stoffe Profit zu ziehen, die behaupten, es gäbe keinen Klimawandel, bzw. das sei alles nicht schlimm. Jahrzehntelang haben Ultrareiche mit ihren Unternehmen mit CO₂-Produktion gut verdienen, mit skrupelloser Desinformation Zweifel daran gesät, dass wir Menschen mit unserer Sucht nach fossilen Brennstoffen die Erde aufheizen.  Ich kann nur jedem raten, dieses Buch zu lesen, wenn er die Klimaerwärmung verstehen will. Denn Öl, Gas und Kohle sind die Haupt...

Rezension - Die Bestimmung der Mondsteinkinder von Maike Harel

  Der kindliche König ist erwachsen geworden, das Land braucht ein neues Kind! Eine neue Prophezeiung ist gesprochen. Der 13-jährige Meelo, ein Perlentaucher, will es probieren – denn er hat Angst vor dem Wasser, eignet sich nicht für den vorgesehenen Beruf. Er schnappt sich den Mondstein der Perlentaucher, macht sich auf den Weg zur Königslese, um sich zu bewerben. Dort lernt er Ria vom Stamm der Flügelhüter kennen, die unbedingt Königin werden will, um die Pferde zu Beschützen – und sie weiht Meelo in ihr Geheimnis ein. Spannendes Fantasy-Abenteuer ab 10 Jahren. Weiter zur Rezension:    Die Bestimmung der Mondsteinkinder von Maike Harel 

Rezesion - Ein Bett für Rosa von Helme Heine

  Die Familie war unbeschwert, doch damit ist es jetzt vorbei. Sie machen sich auf, ein neues Heim zu finden. Opa sagt, er bleibt, ist zu alt, neu anzufangen. Mal nur ein Übergang, mal sind sie nicht gern gesehen, beim Überleben muss man auch schon mal zur List greifen oder als Straßenmusiker arbeiten. Und dann ergibt sich etwas, Mama und Papa können sich damit arrangieren. Doch Rosa gefällt die neue Bleibe nicht, also macht sie sich allein auf den Weg. Sie erlebt einige Dinge, bis auch sie ein neues zu Hause findet. Witzig gestaltet, ein aktuelles Thema – typisch Helme Heine! Bilderbuch ab 4 Jahren – Allage – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Ein Bett für Rosa von Helme Heine

Rezension - Gleich ... von Katja Reider und Sabine Wilharm

  Jeder kennt das, jemand sagt zu dir, was du tun musst: GLEICH? Nein, JETZT! Warum haben es nur alle immer so eilig? Wenn Lenni morgens noch ein bisschen mit Teddy Eddi Dschungel spielen will, soll er zum Frühstück kommen. GLEICH! Und wenn er ein paar Müslikörner auf der Nasenspitze balanciert, soll er sich anziehen. Dabei hat er das passende Shirt für den Waldausflug ja noch gar nicht gefunden! GLEICH! Und GLEICH geht’s los, sagt Papa. Aber dann will Mama vorher noch schnell die Betten machen und was reparieren. Ein lustiges Bilderbuch vom Trödeln und Drängeln, Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Gleich ... von Katja Reider und Sabine Wilharm