Direkt zum Hauptbereich

Lichtputzer und Pulveraffen von Markus Rottmann und Michael Meister - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Lichtputzer und Pulveraffen 


von Markus Rottmann und Michael Meister


89 ausgestorbene Berufe erzählen aus unserer Vergangenheit. Gladiatoren kämpften für den Applaus. Eissäger schnitten ganze Seen in Stücke. Und in den USA berechneten die «Raketenfrauen» als menschliche Computer den Flug der Raumschiffe – nur mit Stift und Papier. Urinwascher, Vorkoster, Prügelknabe, Roddarmadam, Allesschlucker, Krautstreuerin, Aufwecker, Kreuzungskehrer, Nachtmann, Blutegelsammler, Flugzeuglauscher, Lichtputzer, Kunstfurzer, Leichenräuber … das alles waren früher einmal Berufe. Gut, der Letzte davon war etwas illegal, aber der wurde gut bezahlt. All diese Berufe werden erklärt und was noch viel schöner ist: Das Sachbilderbuch ist großartig in der Aufmachung! Schlagverliebt!



Ich habe ein Lexikon der verschwundenen Berufe, das ich gern in Vertretungsstunden eingesetzt habe – mit Jugendlichen, aber auch mit Erwachsenen. Wir hatten ein Quiz draus gemacht, eine Klassenhälfte gegen die andere. Begriff vorlesen und sich Stück für Stück heranraten. Neben Staunen und Lachen ergab das jeweilige Ergebnis oft eine Diskussion: gesellschaftsanalytisch, geschichtsanalytisch – der Wandel von Gesellschaft, Technik, Handwerk. Wir fahndeten nach ähnlichen Berufen. Und genau das kann man zusammenfassend von diesem Kindersachbuch sagen: 89 ausgestorbene Berufe, herausgepickt ganz besondere. Staunen, lachen, nachdenken … warum gibt es Berufe, wie entstehen sie und warum verschwinden sie. Wir benutzen abwertende Begriffe für Menschen – stellen fest: Hey, das war mal ein Beruf! Prügelknabe, Wasserträger, Quacksalber, Rattenfänger … 



Was sagen die Berufe über das Gesellschaftssystem aus? Manche sind hier gebündelt vorgestellt, wie Dienstberufe, Drecksberufe in Städten. Andere entstanden aus einer Mode heraus, wie der Schmuckeremit, Kunstfurzer (gehört der zu den Künstlern oder Musikern?) – künstlerische Berufe, die für ihre Zeit stehen, gibt es so einige. Die Autoren haben sich typische Berufe ihrer Zeit herausgesucht, was ich lobenswert finde; und natürlich Berufe eingefügt, über die wir heute herzlich lachen können; bei anderen läuft uns ein kalter Schauer über den Rücken. Und manche dieser Berufe sind doch noch gar nicht ausgestorben. Die Hutmacher:innen gibt es immer noch, nicht viele, sie nennen sich heute Modisten und haben meist noch andere Dinge in der Fertigung. Die Dienstberufe existieren zum größten Teil auch noch heute, teilweise ein wenig abgewandelt. Nicht viele Familien können sich heute leisten, ein Geschwader von Dienstleuten zu beschäftigen. 



Wie verändert sich die Idee von «Arbeit» im Laufe der Zeit und warum arbeiten wir überhaupt? Wir erfahren etwas über öffentliche Toiletten auf zwei Beinen, über die rasenden Reiter des Pony-Express und Fischbeinreißer. Aber Achtung: Hüte dich vor Londons Scharfrichtern und Deutschlands Kaffeeschnüfflern! Ein Sachbuch, das richtig Spaß macht, weil es vielseitig ist. Automatisch setzt sich der Lesende mit unserer Geschichte auseinander, mit Gesellschaftsbildern und Technik. Am meisten Spaß machen mir dabei die Illustrationen. Großflächig und ausdrucksstark untermalen sie die Tätigkeit, und so mancher Beruf, so meint man zu spüren, riecht schon beim Anblick aus den Seiten heraus … Der Helvetiq Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 8 Jahren. Das passt für mich. Empfehlung Abteilung Lieblingsbuch!



Markus Rottmann lebt mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter in Zürich und schreibt für Bücher, Zeitschriften, die Bühne und Museen. Er arbeitet mit Fotografen, Regisseurinnen, Illustratoren, Künstlerinnen und seit Kurzem mit einem Zauberer zusammen. Er schreibt eine regelmäßige Kolumne über Bergliteratur und hat sogar einen Audioguide zum Friedhof Zürich produziert.

Michael Meister ist ein preisgekrönter Schweizer Illustrator. Seine Arbeiten sind in der New York Times, dem Wall Street Journal, der Washington Post, The Atlantic und vielen anderen Zeitschriften auf der ganzen Welt erschienen. Er hat fünf Bücher illustriert, darunter Swisstory, das mit dem Crystal Kite Award der Society of Children’s Book Writers and Illustrators ausgezeichnet wurde. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe von Basel.



Markus Rottmann, Michael Meister
Lichtputzer und Pulveraffen
Kinderbuch, Berufe, Sachbilderbuch, Historische Berufe, Kinder- und Jugendliteratur
Hardcover, 88 Seiten, 24.5 x 33.5 
Helvetiq Verlag, 2023
Altersempfehlung: ab 8 Jahren




Bilderbücher, Kinderbücher Vor- und Grundschule 5 - 10 Jahre





Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.

Kinder- und Jugendliteratur

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Killer Potential von Hannah Deitch

  Als Evie Gordon an einem Tag bei den Victors klingeln will, steht die Tür offen. Sie ruft, niemand antwortet. Dann findet sie Mr Victor tot im Pool schwimmend, Mrs Victor liegt mit zermatschtem Schädel tot im Wohnzimmer. Das alles muss gerade passiert sein, Evie hat Angst, will das Haus verlassen, als sie leise Hilferufe hört. In einer Kammer unter der Treppe findet sie eine gefesselte Frau. Sie befreit sie. In dem Moment kommt die Tochter nach Hause, schreit entsetzt der Szenerie, geht auf Evie los, die in ihrer Not dem Mädchen eine Lampe über den Kopf zieht. In Panik verschwindet Evie mit der Unbekannten – ein Roadmovie beginnt. Der Roman konnte mich leider nicht überzeugen. Weiter zur Rezension:   Killer Potential von Hannah Deitch

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Pilzliebe von Gerhard Schuster, Christine Schneider

Waldpilze sind einfach zum Verlieben! Und welche sich zum Essen eignen, erfahren wir in diesem Buch – einschließlich mit Rezepten. Pflücken, zubereiten, konservieren. Flexitarier, Vegetarier und Veganer lieben sie als hochwertigen Fleischersatz. Die Pilzexperten Gerhard Schuster und Christine Schneider zeigen, welche Pilze man wie zubereitet, damit sie zum Hochgenuss werden. Nebenbei räumen sie auch mit alten Mythen auf. Unter den mehr als 50 Rezeptideen gibt es neben den bewährten Klassikern auch echte Pilzküchen-Überraschungen zu entdecken. Weiter zur Rezension:    Pilzliebe von Gerhard Schuster, Christine Schneider

Rezension - Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis

  (Detektivbüro LasseMaja, Bd. 37)  Es gibt hochfliegende Pläne im Ort Valleby: Ein Astronaut macht mit seiner Raumkapsel in der Kleinstadt Station und will als Nächstes den Planeten Neptun ansteuern. Und laut tönt er, er suche Astronaut:innen, die ihn begleiten. Bewerber will er einem Astronauten-Test unterziehen, danach bestimmt er, wer mitfliegen darf! Natürlich benötigt er auch Spenden für sein Projekt. Die Detektiv:innen Lasse und Maja hören genau zu. Und bei dem, was der Mann so erzählt, kommt schnell der Verdacht, dass an der Geschichte etwas faul ist und der Typ ein Betrüger ist. Das teilen sie dem Dorfpolizisten mit – doch der hat gerade keine Zeit für sie. Ein Dieb geht um … Spannender, witziger Kinderkrimi ab 8 Jahren, Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis 

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt