Rezension
von Sabine Ibing
Glutspur
von Katrine Engberg
Liv Jensen, ehemalige Polizistin, hat sich als Privatdetektivin in Kopenhagen selbstständig gemacht. Sie bekommt seitens der Polizei den Auftrag, Gemeinsamkeiten zwischen den drei Todesfällen zu finden. Und man lässt durchblicken, wenn sie einen guten Job macht, würde dem Wiedereintritt in den Polizeidienst nichts entgegenstehen. Der Suizid eines Häftlings auf Freigang, der Tod einer Museumsangestellten und ein dreieinhalb Jahre zurückliegender Mord an einem Journalisten – diese Fälle können doch keine Gemeinsamkeit haben. Oder doch? Unterstützung erhält Liv dabei von Hannah Leon, einer Krisenpsychologin, die gerade selbst einen Schicksalsschlag erlitten hat, und Nima Ansari, einem iranischen Automechaniker, der selbst unter Mordverdacht gerät. Gemeinsam stoßen sie auf eine dunkle Vergangenheit, die jemand unbedingt geheim halten will. Mit allen Mitteln …
‹Was hat er geschrieben?›
‹Er hat nicht mit richtigen Buchstaben geschrieben. Vielleicht ist es nur Gekritzel.›
«Jeder ist vor etwas auf der Flucht. Manche in erster Linie vor sich selbst.»
Was haben ein toter Journalist und ein Häftling auf Freigang und eine Museumsangestellte gemeinsam? Livs Vermieterin Hannah Leon versteht nicht, warum ihr Bruder Suizid begann, doch nachdem man die Gefängniszelle ausräumt, um sie zu säubern, finden die Wärter merkwürdige Kritzeleien hinter einem Schrank. In einem Nebengebäude von Hannahs Villa hat der Iraner Nima Ansari seine Autowerkstatt, der unter Verdacht gerät, seine Ex-Freundin getötet zu haben. Drei interessante Protagonist:innen, die auf einem Terrain leben, in wechselnder Perspektive: «Jeder ist vor etwas auf der Flucht. Manche in erster Linie vor sich selbst.» Die Geschichte holt einen immer wieder ein. Eine dunkle Vergangenheit während der Zeit der Nationalsozialisten schwebt über dem Plot, ein Geheimnis, das nicht aufgedeckt werden soll. Wie die Schalen einer abgezogenen Zwiebel zieht Katrine Engberg das Innere ihrer Figuren ab und deckt Stück für Stück Geheimnisse auf.
Solider Kriminalroman
Über den Sommer hatten Mendel und Ebba tatsächlich das Gefühl, dass der Krieg bald zu Ende ist. Stalingrad ist gefallen und die Faschisten verlieren langsam Terrain in Italien. Doch jetzt gibt es Gerüchte, dass die Nazis eine sogenannte Judenaktion in Dänemark planen. Und dass sie bald kommt.
Authentische Figuren, bis ins Detail durcharbeitet, eine grundsätzlich glaubhafte Geschichte und ein atmosphärisches Setting ergeben einen soliden Kriminalroman. Etwas schräg war für mich, dass dieses drei Personen örtlich eng zusammenhängen, sich kennen und persönlich in die Mordgeschichte verwickelt sind, zu viel Zufall. Und weil es so ausgefeilt und detailliert ist, zieht sich die Geschichte ausgewalzt dahin. Die Erzählebenen laufen lange Zeit parallel, wechseln von Kapitel zu Kapitel, bis sie sich irgendwann kreuzen. Tagebucheinträge aus dem den Zweiten Weltkrieg geben einen vierten Strang aus der Zeit der deutschen Besatzung Dänemarks. Distanziert beobachtend im Weitwinkelmodus geschrieben, en détail, fehlte mir persönlich die Spannung. Wer die langgezogenen, gemütlichen Krimis mag, wird hier solide bedient.
Katrine Engberg, geboren 1975 in Kopenhagen, arbeitete für Fernsehen und Theater und war als Tänzerin, Choreografin und Regisseurin landesweit bekannt, bevor sie in der Welt des skandinavischen Thrillers debütierte – mit großem Erfolg, auch international. Katrine Engberg lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen.

Glutspur
aus dem Dänischen von Hanne Hamme
Taschenbuch, 464 Seiten
Krimi, Kriminalliteratur, Kriminalroman, Dänische Literatur
Piper Verlag, 2022

Krimis und Thriller
Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller
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