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Die Stunde der Wut von Horst Eckert - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Die Stunde der Wut 


von Horst Eckert

Ein Fall für Melia und Vincent-Reihe (2)


Der erste Satz: 

Was damals geschah, wiederholt sich in jeder schlaflosen Nacht aus Neue.


«Die Stunde der Wut» baut auf «Im Namen der Lüge» auf, ist aber unabhängig davon verständlich zu lesen. Neben dem ersten Kriminalhauptkommissar Vincent Veith (KK 11), bekannt aus den vorherigen Krimis von Horst Eckert, ist auch dieses Mal Melia Adan wieder die zweite Hauptprotagonistin. Sie ist vom Inlandsgeheimdienst zur Kripo gewechselt, leitet in Düsseldorf als Kriminalrätin die Kriminalinspektion 1 für Gewaltverbrechen und ihr unterstehen die KK 11 bis 14. Die gesamte Aufgliederung der Polizei findet man sogleich vorweg als Schaubild. Eine gute Idee, denn bereits im letzten Band hat Horst Eckert eine Menge Personal aufgestellt – das nicht nur bei der Polizei. Interessanterweise schafft es der Autor, dass der Leser mithalten kann im ständigen Personalhopping, nicht hilflos zurückblättert oder Notizen schreibt. 


Kurze Kapitel, ständig wechselnde Personen und Orte, Cliffhanger


Den Reichtum der einen bezahlen die anderen. Manchmal mit dem Leben.


Ein Pageturner! Sehr spannend treibt Eckert dieses Mal seinen Plot voran, wie bereits im ersten Band der Melia und Vincent-Reihe, hat er seinen Stil gewechselt: Kurze Kapitel, ständig wechselnde Personen und Orte, Cliffhanger – der Krimi hat den Stil einer Drehbuchvorlage. Alles beginnt mit einem Notruf: Eine junge Frau meldet sich schwer verletzt aus ihrer Wohnung: Messerattacke. Die Sanitäter treffen ein, leiten erste Notfallmaßnahmen ein – Schlag auf den Kopf. Der Täter befand sich noch in der Wohnung. Die Verzögerung hat alles kompliziert. Klara Dorau, die Tochter eines bekannten Psychiaters, verstirbt und ihr Freund Miran Alver ist spurlos verschwunden. Alles sieht zunächst nach einer Beziehungstat aus. Eine Mordkommission wird gegründet und Vincent Veith stellt ein Team zusammen. Der Leser vom vorherigen Band weiß, was einem Jahr zuvor der Verfassungsschützerin Solveig Fischer zugestoßen ist. Melia Adan ahnt es nur, sie vermutet, dass die Kollegin ermordet wurde. Die Polizei kennt den letzten Standort ihres Handys – genau auf diesem Gelände gab es damals eine Baukuhle, am nächsten Tag wurde Beton gegossen ... Ein Ausbildungszentrum für rechte Kader, ein Gelände, das einem großen Immobilienmogul gehört. Melia Adan sucht obsessiv Beweise, sie will wissen, was mit der Kollegin geschah.


Die Story geht auf Tempo und Spannung zulasten der Themen


Sie verabredeten sich für sieben Uhr im Präsidium. Um diese Uhrzeit wird auch niemand mitbekommen, wenn ich etwas Subversives an der Pinnwand vor dem Kasino befestige, dachte er. 


Das hohe Tempo durch ständige Cliffhanger erzeugt Spannung. Das liest sich wunderbar, auf jeden Fall. Die Polizeiarbeit ist wie immer gut strukturiert auf den Punkt gebracht. Die Handlung ist komplex und glaubhaft. Nur bleibt der alte Eckert ein wenig auf der Strecke. Heute springt er von Szene zu Szene, jeweils zwei bis sechs Seiten, und er streift viele Themen. Ein Immobilienmogul, der sich als ein habgieriger Bonze entpuppt, dem die Mieter egal sind, korrupte Typen bei Polizei, Verfassungsschutz und Politik; alle sind miteinander verstrickt, gehören der rechten Szene an oder werden erpresst, dabei eine CDU-Bundeskanzlerin in spe. Die linken Exterroristen aus der RAF-Szene zünden Autos an, was nicht schön ist, aber verständlich. Drogendealer und Koks in der Medienszene, ein traumatisierter ehemaliger Afghanistankämpfer, ein wenig rechte Hate Speech, Gewalt im Netz, Wutbürger peitschen sich gegenseitig im Netz hoch; in jede Kiste wird reingegriffen, aber nichts ist durcherzählt, mit Hintergrund unterfüttert. Dazu eine merkwürdige Liebesgeschichte und eine sich anbahnende, die nicht sein darf. Manchmal dringt ein Fünkchen Humor durch, z.B. wenn Vincent ein linkes Flugblatt seiner Mutter an der Pinnwand vor der Kantine der Kripo befestigt. Die Story geht auf Tempo und Spannung zulasten der Themen. Horst Eckert spricht ein anderes Publikum an, als mit den alten Krimis, die mir besser gefallen haben. Früher ging der Autor der Sache auf den Grund. Für mich kein Politkrimi mehr; trotz allem ein spannender Polizeikrimi, etwas oberflächlich, der leider auch sehr durchsichtig ist.


Horst Eckert, 1959 in Weiden/Oberpfalz geboren, lebt seit vielen Jahren in Düsseldorf. Er arbeitete fünfzehn Jahre als Fernsehjournalist, u.a. für die «Tagesschau». 1995 erschien sein Debüt «Annas Erbe». Seine Romane gelten als «im besten Sinne komplexe Polizeithriller, die man nicht nur als spannenden Kriminalstoff lesen kann, sondern auch als einen Kommentar zur Zeit« (Deutschlandfunk). Sie wurden unter anderem mit dem Marlowe-Preis und dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet und ins Französische, Niederländische und Tschechische übersetzt.


Horst Eckert 
Die Stunde der Wut
Ein Fall für Melia und Vincent-Reihe (2)
Krimi, Thriller, Polizeikrimi, politischer Krimi
Klappenbroschur, 448 Seiten
Heyne Verlag, 2021


Im Namen der Lüge von Horst Eckert

Linke Terroristen, rechte Terroristen ein Verwirrspiel – mitten drin der Geheimdienst, der intern Geheimnisse verbirgt, sich gegenseitig überwacht – selbst mitmischt. Was ist die Wahrheit? Der Thriller beginnt mit dem Überfall von drei Ex-Terroristen auf einen Geldtransporter – die RAF-Rentnergeneration, die sich bisher im Untergrund versteckt halten konnte. Brauchen Sie die Gelder aus ihren Überfällen lediglich zum Überleben oder wollen sie sich wieder organisieren mit einer neuen Generation? Melia-Khalid vom Geheimdienst ermittelt. Im nächsten Kapitel steigen wir in die rechte Szene ein. Polizeieinsatz  im Reichsbürger-Milieu. Eine Frau hat die Polizei gerufen, ihr Mann habe aus Eifersucht einen Mitbewohner ermordet.

Weiter zur Rezension:    Im Namen der Lüge von Horst Eckert


Interview mit Horst Eckert: Interview mit Horst Eckert


© Horst Eckert

Wie ich zum politischen Krimi kam 


Horst Eckert hat mir einen sehr persönlichen Text geschrieben. Er ist ein bekannter Krimiautor des Genre «Politkrimi». Warum hat er dieses Genre gewählt? Folgendes sagt er dazu:
Die Erzählung eines Mordfalls wirft ein Licht in die Abgründe des Menschen und der Gesellschaft. Mich interessieren die Mechanismen unseres Zusammenlebens. Mit dem Märchen vom guten Kommissar, der den bösen Unhold schnappt und dadurch die Welt wieder in Ordnung bringt, kann ich nicht viel anfangen. Die Welt war vor dem Delikt nicht in Ordnung, und sie ist es auch hinterher nicht. Das Schreiben ist für mich immer auch ein Nachdenken über unser Mit- und Gegeneinander.
Neugierig? Hier geht es weiter zum Text:    Wie ich zum politischen Krimi kam



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