Rezension
von Sabine Ibing
Die Schnellimbissdetektivin
von Liza Cody
Der erste Satz:
Ich bin fürs Stillsitzen nicht gemacht.
Hannah Abram, keine dreißig, arbeitet teilzeit in Digbys Imbissbude, schmiert Sandwiches, kocht Käsemakkaroni, holt sich am Grill Brandblasen, kocht Kaffee; gleich in der Frühschicht ist genug zu tun. Ach ja, sie war einmal Polizistin – und weil sie ihren Vorgesetzten bei der Londoner MET in einen Kanal geschubst hat, musste sie sich etwas Neues suchen. Nebenbei hat sie eine kleine Detektei aufgebaut – noch ohne Büro, mit Klienten, die durch Empfehlung an sie gelangen.
Beschatte ich einen verlogenen, treulosen Saftsack für eine verunsicherte, tränenblinde Klientin, oder arbeite ich für eine, die seit Ewigkeiten weiß, dass ihre Ehe eine rottende Leiche ist, aber den verlogenen, treulosen Saftsack drankriegen will, um das Haus und den Löwenanteil des gemeinschaftlichen Eigentums zu behalten?
Hannah macht das, was Privatdetektive so tun: entlaufende Haustiere wiederfinden, vermeintlich fremdgehende Ehepartner beschatten, nächtliche Überwachungen von Gebäuden, Anbringen von Überwachungsanlagen; aufspüren von gestohlenen Fahrrädern und vieles mehr, wie die Suche nach der Halbschwester eines Klienten mit Zwangsstörung, die alle für tot halten. Denn er ist sicher, er hatte sie in einem Callcenter am Telefon. Als Hannah bereits einige Aufträge am Laufen hat, meldet sich ein älterer Herr, der im Souterrain wohnt, und dem man wöchentlich den Inhalt der Mülltonnen auf seine Treppe entleert. Er möchte wissen, wer der Übeltäter ist. Eine Gemeinschaft von Kleingärtnern will wissen, wer die gesamte Ernte von Biogemüse in der Kolonie abgeräumt hat. Hannah hat alle Hände voll zu tun mit dem Kleinkram, mit dem die Polizei sich nicht beschäftigt. Und Digby geht ihr gehörig auf die Nerven! Die Zeit ist reif, etwas gegen die Ausbeuterei am Imbissstand zu tun. Hier muss sich etwas ändern!
Es gibt ein paar Hundekämpfe und ein paar Kämpfe wegen Hunden. Einige Kinder weinen. Ältere Kinder maulen, weil sie irgendwas im Fernsehen verpassen. Noch ältere Kinder verpassen alles, weil sie mit dem Kopf in ihren Telefonen im Tabletts stecken. Im Großen und Ganzen ist die Stimmung heiter.
Der Müllterrorist ist gefilmt, die Aufnahme beim Auftraggeber abgegeben, als eine wütende Furie vor Hannah steht, die sie bezichtigt, mit ihrem Freund, diesem alten Knacker, ein Verhältnis zu haben. Da hilft kein Abstreiten. Jetzt hat Hannah auch noch eine Stalkerin am Hals, die am nächsten Tag brüllend vor dem Imbiss steht, Hannah beschimpft. Kurz darauf wird diese Frau nach einem Fest im Park erdrosselt aufgefunden. Hannah ist gewissenhaft und Überstunden machen ihr nichts aus – ihr alter Bulleninstinkt hilft ihr enorm bei der Arbeit: «Wenn du mal Bulle warst, ist dein tief verwurzelter Reflex, sicherheitshalber alle für schuldig zu halten.» Ihre Klienten kommen aus Vierteln, wo man weniger Geld zur Verfügung hat. Die Aufträge sind klein, aber Hannah ist nicht die Wohlfahrt. Über ihren Preis gibt es keine Diskussion. Auch ihr Imbiss-Chef, der nicht auf sie verzichten kann, lernt sie nun von der geschäftlichen Seite kennen. Plötzlich hat sie einen betuchten Kunden an der Angel, der verzweifelt seine Frau sucht, die durchgebrannt war und nun in der Patsche sitzt; er würde gern helfen will. Eine ziemlich knifflige Angelegenheit, die Frau aufzuspüren.
Echt, ich vermisse die Met. Als ich noch Cop war, wurde mir gesagt, was ich zu tun und wo ich hinzugehen habe. Natürlich habe ich rumdiskutiert und Befehle für bescheuert gehalten, aber immerhin hatte ich ein stabiles Gerüst, an dem ich meinen Tag aufhängen konnte.
Die zynische Hannah, die gern grimmig daherkommt, trotzdem ein großes Herz hat, muss man gern haben. Eine Frau, die mit Männern kein Glück hat, immer an die fiesen Typen gerät. Und da ist BZee, ein Jugendlicher, der auf der Straße lebt, den sie heimlich am Imbiss durchfüttert, der ihr als Hilfsdetektiv zur Seite steht. Was ich an Liza Cody liebe, ist, dass sie keinen Mainstream schreibt. Jedes Buch ist völlig anders und schwer in eine Schublade zu stecken. Cosy? Nein, sondern herrlich schwarzer Humor, man ist ständig am Schmunzeln. Ein Fall gelöst? Nein, ziemlich viele, einige kurz und schmerzlos, andere sind komplizierter. Hannah muss auch mal einstecken, nicht jeder ist ihr gutgesinnt. Berufsrisiko. Eine schräge Geschichte, gleichzeitig sehr authentisch und spannend. Klug, vielschichtig, hervorragende Dialoge und wundervolle Figuren; Kriminalliteratur, wie ich sie liebe.
Warum ich in dem Jahr, in dem ich jetzt für ihn arbeite, ihn nicht auf vierzig verschiedene Arten gekillt habe. Ja, er ist ein sexistisches Arschloch, ein schrecklicher Arbeitgeber und ein sarkastischer, herzloser, pfennigfuchsender Schweinehund. Aber niemand ist vollkommen. Würdet ihr ihn fragen, würde er sagen, ich bin genauso unausstehlich wie er. Und er hätte recht. Das Leben hat mich dazu gemacht.
Liza Cody ist die preisgekrönte Autorin zahlreicher Romane und Kurzgeschichten. Sie lebt in Bath, wurde aber in London geboren, und die meisten ihrer Werke spielen dort. Mit ihrer Anna-Lee-Reihe führte sie die professionelle weibliche Privatdetektivin in die britische Krimiliteratur ein. Sie wurde für das Fernsehen adaptiert und im Vereinigten Königreich und in den USA ausgestrahlt. Zu ihren weiteren Büchern gehören Lady Bag, Miss Terry, Ballad of a Dead Nobody, Rift und die Kurzgeschichtensammlung Lucky Dip.
Liza Cody
Originaltitel: The Short-Order Detective
Aus dem Engl. von Iris Konopik
Kriminalroman, Kriminalliteratur, Detektivroman, Englische Literatur
Taschenbuch, 352 Seiten
Ariadne im Argument Verlag
Ballade einer vergessenen Toten von Liza Cody
Die Schriftstellerin Amy nimmt sich vor, eine Biografie über Elly zu schreiben, Elly Astoria, die fiktive Bandleaderin der »SisterHood«, brutal und grausam 1980 ermordet. Eine kurze Karriere einer sehr jungen Frau, die tragisch endete. Der Täter konnte bis heute nicht gefasst werden. Amy beginnt zu recherchieren, versucht, Begleiter aus dem direkten Umfeld von Elly zu interviewen.
Liza Cody hat hier zeitgenössische Literatur über die Musikszene verfasst – ja, man kann es auch als Krimi bezeichnen – aber das allein wäre dem Roman nicht angemessen … wie so oft bei Liza Cody. Wer den Deutschen Krimi Preis verfolgt, kennt ihren Namen, der immer unter den Bestnomminierten in der Kategorie »Internationales« auftaucht.
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Krimis und Thriller
Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller
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