Direkt zum Hauptbereich

Der Donnerstagsmordclub von Richard Osman - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Der Donnerstagsmordclub 


von Richard Osman

(Die Mordclub-Serie 1)


Der Anfang: 

Fangen wir mit Elizabeth an, einverstanden? Der Rest ergibt sich dann schon.

Ich wusste natürlich, wer sie war, Elizabeth kennt hier jeder. Sie hat eine von den Vierzimmerwohnungen im Larkin Court. Die Eckwohnung mit der Sonnenterrasse. Und einmal war ich im selben Quizteam wie Stephen, der, aus diversen Gründen, bereits ihr dritter Mann ist.

Ich saß beim Mittagessen, ein, zwei Monate ist das jetzt her, und es muss Montag gewesen sein, weil es Shepherd’s Pie gab. Sie wolle mich nicht bei meiner Mahlzeit stören, sagte Elizabeth, aber sie habe eine Frage an mich, zum Thema Stichwunden, wenn ich nichts dagegen hätte.


Ein Cozy-Krimi, durch den ich mich durchgekaut habe. Auf der einen Seite ein intelligenter Plot mit feinem britischen Humor, auf der anderen Seite zieht sich für mich die Geschichte langsam dahin, verstrickt in Einzelheiten und Nebenbeschreibungen, so dass für mich nie echte Spannung aufkam. Coopers Chase ist eine luxuriöse Seniorenresidenz in der idyllischen Grafschaft Kent, die eher einer Ferienanlage gleicht, die Bewohner eine Ansammlung von elitären Snobs. Als die fast achtzigjährige ehemalige Krankenschwester Joyce dort einzieht, wird sie im Donnerstagsmordclub aufgenommen, eine Runde, die sich donnerstags im Puzzlezimmer trifft, sich durch Akten wühlt, um uralte ungelöste Kriminalfälle aufzuklären. Angeführt von Elizabeth, einer ehemaligen Geheimagentin; mit dabei Ron, er war Gewerkschaftsführer, und Ibrahim, der früher als Psychiater arbeitete. Als der Bauunternehmer Tony Curran, der Coopers Chase plante und baute, mit einem Schraubenschlüssel erschlagen wird, ist es für die Clubmitglieder klar, dass sie selbst die Ermittlung in die Hand nehmen müssen. Denn bei dem Toten findet sich ein Foto von ihm und zwei seiner Freunde, einem bekannten Boxer und dem Sohn des Clubmitglieds Ron. 


Insgesamt war es mir an allem zu viel

Was mir gefallen hat, ist die Darstellung der Senioren, die mit allen ihren Zipperchen empathisch beschrieben werden. Bloß weil einer nicht mehr richtig laufen kann, kann er doch fit in der Birne sein. Doch es gibt bei Angehörigen auch die dunkle Seite, ein Ehemann der mit aufkommender Demenz zu kämpfen habt, eine Frau, die im Koma liegt, rührend betreut wird; Menschen, die mit dem Tod ihres Partners hadern. Ein typischer englischer Whodunnit mit sehr vielen überraschenden Wendungen, bei denen man manchmal nicht ganz mitkommt; mit verschrobenen, originellen Protagonisten – wobei, sie für meinen Geschmack zu stark karikiert sind. Es gibt wundervolle Dialoge und die Dreistigkeit, die die Protagonisten manchmal an den Tag legen, ist absolut witzig. Offenherzige Tatverdächtige und Täter haben das merkwürdigerweise das Herz auf der Zunge und gestehen, was das Zeug hält. Die Polizei ist deppisch, der Inspektor lässt sich dauernd von den Senioren an der Nase herumführen. Joyce hält die Ermittlung und die Ergebnisse in ihrem Tagebuch fest, was eher im Schreibstil langweilig daherkommt. Es wechselt die Ich-Perspektive Joyce zu einem Erzähler, der viele Randgeschichten beiträgt. Für mich waren die Charaktere eher schwach, weil Nebensächliches und Wendungen im Vordergrund stehen. Insgesamt war es mir an allem zu viel: zu viel Snobismus, Unglaubwürdiges, zu viele Wendungen und Nebengeschichten, zu viel Cosy, zu viel dumme Polizisten, die sich von Senioren helfen lassen, die immer weit voraus sind in ihrer Ermittlung – aber das Ganze eben für mich mit zu wenig Spannung. Hier teilt sich der Geschmack von Krimilesern in Realos und Cosys – ich denke, ich gehöre eher zu den Lesern der realen Plots. Denn auch bei den Whodunnits habe ich spannende, reale Lektüre gefunden. Nette Unterhaltung. Lesen ist eben Geschmacksache.


Richard Osman ist ein englischer Fernsehmoderator, Produzent und seit Neuestem auch Autor. Die Idee für seinen Krimi kam ihm, als er eine Verwandte in einem noblen Seniorenheim besuchte und ihm das Schlimmste zustieß, was einem modernen Menschen widerfahren kann: Er hatte keinen Handyempfang. Wer denkt da nicht sofort an Mord und Totschlag? Der Donnerstagsmordclub ist sein erster Roman.


Richard Osman 
Der Donnerstagsmordclub 
(Die Mordclub-Serie 1)
Original: The Thursday Murder Club
Aus dem Englischen übersetzt von Sabine Roth
Kriminalroman, Krimi, Cozy-Krimi, Whodunnit, Mystery-Krimi englische Literatur
Klappenbroschur, 464 Seiten
List, 2021



Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

  Rezepte, die du lieben wirst Der Israeli Yotam Ottolenghi hat zusammen mit seinem dreiköpfigen Küchenteam das nächste Kochbuch entwickelt. Das Team widmet sich dem Comfort Food und liefert inspirierende Gerichte, die nach Zuhause und Geborgenheit schmecken. Aber auch nach Kindheitserinnerungen und Reiseeindrücken. Comfort Food bedeutet für jeden etwas anderes, auf jeden Fall etwas wie Geborgenheit und Wohlfühlgefühl: ein Gefühl von Nostalgie, aber auch Vertrautheit. So sind über 100 Rezepte entstanden, von der Bolognese (mit asiatischen Gewürzen) bis zu Eier-Gerichten, von der One-Pot-Pasta bis zum Apfelkuchen. Rezepte, die zugleich originell aber auch vertraut und bewährt sind. Und immer mit dem gewissen Ottolenghi-Twist. Weiter zur Rezension:    Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

Rezension - O du schreckliche: Ein garstiger Weihnachtskanon

  Kurzgeschichten herausgegeben von Felix Jácob Felix Jácob liebt Weihnachten und fürchtet es zugleich. Im Kreis seiner großen Familie wird an den Feiertagen zelebriert, beschenkt – und lautstark gestritten. Als passionierter Leser, studierter Philologe und langjähriger Büchermacher in europäischen Verlagen sammelt er seit Jahren die schönsten und bösesten Geschichten zum Fest. Wer spricht davon, Weihnachten zu feiern? Überstehen ist alles! Garstige, schräge Weihnachtsgeschichten für Lesende, die schwarzen Humor lieben. Weiter zur Rezension:     O du schreckliche: Ein garstiger Weihnachtskanon

Rezension - Der Rückwärtsdieb - Mehr als nur ein Trick! von Ulrich Fasshauer von Ulla Mersmeyer

  Der Vater des 11-jährigen Nachwuchs-Zauberkünstler Lenny ist Antiquar. Die wertvollsten Bücher hält er im Tresor verschlossen. Das eine will er nun verkaufen, es ist ziemlich viel wert. Es sei ein uraltes, wertvolles Zauberbuch. Lenny glaubt, es können ihm weiterhelfen, berühmt zu werden; und so stibitzt er den Band, nur ausgeliehen! Was soll denn schon passieren? Doch dann wird Lenny selbst bestohlen! Wer könnte es auf das alte Buch abgesehen haben? Spannend, turbulent, witzige Dialoge. Lesespaß ab 10 Jahren.  Weiter zur Rezension:    Der Rückwärtsdieb - Mehr als nur ein Trick! von Ulrich Fasshauer von Ulla Mersmeyer

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor. ...

Rezension - Die Schatzinsel von Sebastià Serra, nach Robert Louis Stevenson

In diesem hochwertigen Pappbilderbuch wird der Klassiker «Die Schatzinsel» in Reimform erzählt. Es ist die Geschichte einer abenteuerlichen Suche nach einem Piratenschatz, bei der der Junge Jim eine Hauptfigur ist; ebenso eine Schatzkarte. Ich war ja ehrlich gesagt skeptisch, ob man einen dicken, spannenden Roman in eine kurze Reimform bringen kann. Das ist gelungen. Spannendes Bilderbuch ab 3 bis 4 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Schatzinsel von Sebastià Serra, nach Robert Louis Stevenson

Rezension - Franz – oder warum Antilopen nebeneinander laufen von Christoph Simon

Ein Schweizer Kultbuch von 2001, neuaufgelegt, ein Comming of age – Roman, schräg, amüsant, empathisch, spleenig. Franz ist einer, der weiß, dass er irgendwie die Schule überstehen muss, mit Abschluss, aber wozu das alles gut sein soll, hat er noch lange nicht kapiert. Schule ist irgendwie ein Stück Heimat, wenn nur der Unterricht nicht wäre. Ein typisches Jugendbuch, allerdings in einer Form, das auch Erwachsenen gefällt. Hier geht es zur Rezension:    Franz – oder warum Antilopen nebeneinander laufen von Christoph Simon

Rezension - L’Osteria Grande Amore von L’Osteria und Diana Binder

  Die Geheimnisse unserer Küche L’Osteria Grande Amore – das erste Restaurant eröffnete 1999 in Nürnberg. Systemgastronomie – heute hat die Kette gut 200 Restaurants in neun Ländern mit rund 8.000 Beschäftigten. Seitdem hat sich das Ursprungskonzept mehr als bewährt: Frische italienische Küche, lässiges Ambiente, Pizze, die über den Tellerrand hinausragen und Systemgastronomie, die schmeckt. Im Buch sind in der Einführung einige Fotos zu den Lokalitäten enthalten. Und dann geht es los zu den Rezepten aus L’Osteria Grande. Neues Rezepte zu Pasta und Pizza! Empfehlung! Weiter zur Rezension:    L’Osteria Grande Amore von L’Osteria und Diana Binder

Rezension - Der Schneeflockensammler von Robert Schneider und Linda Wolfsgruber

  Eine wunderschön poetisch geschriebene Geschichte über einen verträumten Jungen, der viel Zeit mit Nachdenken verbringt und fasziniert ist von den kleinen Dingen der Welt im Lauf der Jahreszeiten: den Eigenheiten der Blätter, der Steine und der Schneekristalle, die ihn besonders begeistern. Immer wieder entrückt Wilson Bently bei der Arbeit, beschäftigt sich mit den Details der Natur. Schau dir das Ulmenblatt an, es hat die gleiche Form wie der Baum, in der Mitte der Stamm, die Verästelung der Blattadern, wie ein kleiner Baum. Schneekristalle begeistern ihn. Wilson Bently ist eine reale Person – es ist eine Biografie. Linda Wolfsgruber taucht die Erzählung in winterliches Blau-Weiß ein, Grafiken, die sich in die Tonalität von Robert Schneider einpassen. Empfehlung! Bilderbuch ab 5 Jahren. Weiter zur Rezension:    Der Schneeflockensammler von Robert Schneider und Linda Wolfsgruber

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer