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Brennender Zorn von Stine Bolther Line Holm - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing



Brennender Zorn 


von Stine Line Holm


Eine Fotografie war ihr besonders gut in Erinnerung geblieben. Sie zeigte eine hübsche Frau, der die langen lockigen Haare abrasiert wurden, anderen waren von einer wütenden Horde Männer die Kleider vom Leib gerissen worden. Wieder andere wurden auf die Ladefläche von Lastwagen herumgefahren und zur Schau gestellt, von Kindern angespuckt. Das alles waren Bilder, einer menschlichen Rohheit, die Maria nur schwer mit Dänemark vereinbaren konnte. Fakt war jedoch, dass die Deutschenmädchen über Jahrzehnte – auch noch nach dem Krieg – als moralisch degeneriert angesehen wurden, und die Kinder, die aus den Affären hervorgegangen waren, zeit ihres Lebens mit der Verheimlichung und der Schande leben mussten.


In Jütland wird das Skelett einer jungen Frau gefunden. Sie starb durch einen Schuss in den Nacken. Die Tat liegt über siebzig Jahre zurück, ist für die Polizei nicht interessant. Aber Polizeihistorikerin Maria Just, die das Polizeimuseum in Kopenhagen leitet, lässt die Sache nicht los. Eine Frau die während des Zweiten Weltkriegs hingerichtet wurde, war keine Seltenheit. Die sogenannten Deutschenmädchen, Däninnen, die mit einem der deutschen Besatzersoldaten eine Affäre begannen, wurden gern vom dänischen Widerstand liquidiert. Maria will mehr über diese Frau wissen. Wird ihr die Kette weiterhelfen, die bei ihr gefunden wurde? In einem zweiten Strang wird parallel der Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Kopenhagen überfahren und beinahe getötet. Die Polizei steckt in einer tiefen Krise, fordert mehr Personal, und die Politk will im Gegensatz Personal einsparen. Kommissar Mikael Dirk wird darauf angesetzt, den Anschlag auf seinen Chef aufzuklären. Als es zu einem weiteren Attentat kommt, erhält Mikael unerwartete Hilfe von Maria. Bereits im ersten Band sind sich die beiden Figuren persönlich ein wenig näher gekommen. Wer profitiert davon, wenn die Polizei ihr Gewaltmonopol verliert, und was verbindet die tote junge Frau mit den Tätern von heute?


Erst im letzten Drittel wird es spannend

Insgesamt ein mittelmäßiger Krimi. Teil eins gefiel mir besser – und die Kritik ist fast identisch. Ich habe nichts gegen dicke Bücher, ausgefeilte Plots, die tief in die Figuren gehen. Aber hier liegt die Länge an den vielen Strängen, dem Auftritt von sehr viel Personal, was zu verzichtbaren Nebenhandlungen führt, die die Geschichte lähmen, in die Länge ziehen, die sowieso zu breit auserzählt wird. An Personal wird wahrlich nicht gespart, auch nicht an Klischee – aber leider in der Figurentiefe; und das ist der Punkt. Genauso wie im ersten Band: Spannung erst am Ende, zu viel Tell, zu viel drumherum, zu viel schwarz-weiß, zu wenig Figurentiefe, zu wenig Tiefe in der Sache, zu wenig Atmosphäre. Hier sind alle Politiker egozentrische, machtgeile Typen, die sich schmieren lassen. Hier die Guten, da die Bösen; Vorgesetzte, die die Helden nerven, an der kurzen Leine halten wollen, Ex-Partner die nichts taugen, der traumatisierte Bulle. Eben das, was wir schon 1000 Mal gelesen haben. Ich habe durchgehalten, – und ja, nach der Hälfte zieht die Sache leicht an und im letzten Drittel wird es spannend. Und es gibt einen weiteren Grund: Hier wird die aktuelle dänischen Politik angesprochen, das Ausdünnen von staatlichen Stellen, insbesondere bei der Polizei, außer Kraft gesetzter Bürgerrechte, Wutbürger, eine reaktionäre Polit-Verschwörung will manipulativ die Macht an sich reißen. Auch hier wird nur an der Oberfläche gekratzt, nicht hinter die Kulissen geschaut. Und ganz ehrlich, der historischem Mord war ebenfalls ein Anhängsel, interessant, aber letztendlich unnötig, ein weiterer Blähfaktor. Ich steige hier aus. nicht schlecht, aber mir persönlich zu wenig.


Line Holm wurde 1975 geboren und ist eine mehrfach ausgezeichnete Investigativjournalistin. Sie arbeitet für die Berlingske, eine der größten dänischen Zeitungen. Stine Bolther wurde 1976 geboren. Sie ist Fernsehmoderatorin und seit achtzehn Jahren als Kriminalreporterin tätig. Mit ihrem Debüt »Gefrorenes Herz«, dem Auftakt der Reihe um Kriminalhistorikerin Maria Just, gelang den beiden Autorinnen auf Anhieb ein SPIEGEL-Bestseller.


Stine Bolther wurde 1976 geboren. Sie ist Fernsehmoderatorin und seit achtzehn Jahren als Kriminalreporterin tätig. Sie hat bereits mehrere True-Crime-Bestseller in Dänemark veröffentlicht.


Line Holm, Stine Bolther 
Brennender Zorn
Die Maria-Just-Reihe (2)
Originaltitel: ‎ Lovløs
Übersetzt aus dem Dänischen von Franziska Hüther und Günther Frauenlob
Krimi, Kriminalroman, Kriminalliteratur, Polit-Krimi, Kopenhagen, Dänemark, dänische Literatur
Paperback, 592 Seiten
Heyne, 2022




Gefrorenes Herz von Line Holm und Stine Bolther

Polizeihistorikerin Maria Just bereitet gerade eine Ausstellung zum Thema «100 Jahre ungelöste Mordfälle» im Polizeimuseum von Kopenhagen vor, als der Generalsekretär des Roten Kreuzes auf bestialische Art ermordet wird. Der Tote hängt gekreuzigt an einem Geländer, auf seinem Körper wurde ein rätselhaftes Zeichen eingeritzt. Und genau diese Symbole hatte Maria in einem alten Mordfall entdeckt, den sie in ihre Exposition mit aufnehmen möchte. Sie wendet sich an die Polizei. Gut lesbarer Krimi, aber mir fehlte Spannung und Atmosphäre. Ein Polizeikrimi, dänischer Skandinavienkrimi, der viele Seiten hat, aber an der Oberfläche agiert.

Weiter zur Rezension:  Gefrorenes Herz von Line Holm und Stine Bolther



Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller





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