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88 Namen von Matt Ruff - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



88 Namen 


von Matt Ruff 

Gesprochen von: Simon Jäger
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 7 Std. und 58 Min.


Der erste Satz: 

DU HAST NOCH NIE EIN ONLINE-ROLLENSPIEL GESPIELT? Keine Sorge! Wir bei Sherpa, Inc. wollen Kunden aller Fähigkeitsstufen eine unterhaltsame, qualitativ hochwertige  Gaming-Erfahrung bieten. Leg einfach los  – wir erklären dir alles Wissenswerte genau zum richtigen  Zeitpunkt. Wenn du schon vorher etwas reinschnuppern möchtest, kannst du dir unseren praktischen  Quick-Start-Guide im ANHANG anschauen, in dem alle wichtigen Konzepte und Begriffe erklärt werden. Wir freuen uns dar-auf, für dich zu arbeiten!


Wer die Bücher von Matt Ruff kennt, weiß, dass er sich immer wieder ungewöhnliche Themen vornimmt und in allen Genres zu Hause ist. Warnung: Wer noch nie ein Abenteuer-PC-Spiel, ein Onlinespiel gespielt hat, noch nie gegen Orks und Monster kämpfte, Rätsel- und Such-Aufgaben erfüllen musste, für den ist dieser Roman wahrscheinlich nichts. Denn hier geht es um Onlinespiele. John Chu liebt seinen Job. Als Sherpa begleitet er zahlungskräftige Kunden in Online-Rollenspielen, wie das populäre Call to Wizardry und zeigt ihnen die Kniffe des Games. Eigentlich sind Sherpa illegal, genauso wie Sheets, aber bis zu einem gewissen Grad werden sie von den Spielemachern akzeptiert. Sherpa müssen vorsichtig agieren, um nicht aufzufallen. Schnell kann eine Figur gesperrt werden. Für diese Spiele muss man Geld zahlen. Und je weniger versiert man hier ist, im Kämpfen und Sammeln, um so schneller verliert man sein Leben, fliegt raus. Manche Kunden zahlen den Sherpas viel Geld u.a. für ausgereifte starke Spielavatare, die bereits einige Level überstanden haben, und dafür, dass man ihnen den Rücken freihält, ihnen Tipps gibt, damit sie schneller einen höheren Level erreichen. Die Sherpa-Crews sind gut ausgerüstet, spielen mit brillanten Figuren, die sich große Stärke erspielt haben. 


Steckt hinter diesem Mr. Jones der Diktator Kim Jong-un?

Ich bin ein Tank und spiele einen Kriegertroll namens Klotzkopf von Moria. Meine Aufgabe ist es, die  Aggro – also die Angriffe – der Monster auf mich zu lenken, damit sie mich in meinem Plattenharnisch   der Unverwundbarkeit angreifen, während die DPS-Charaktere – Brad und meine Kollegen Jolene und  Anja  – das machen, was man eben macht, wenn man ordentlich Schaden pro Sekunde verteilen will. Ray, der als Gnomkleriker für das Heilen zuständig ist, verarztet alle Wunden, die meine Rüstung nicht verhindern kann. Es geht um die Balance. Die DPS-Charaktere müssen die Monster töten, bevor der Heiler kein Mana mehr hat und alle sterben. Doch wenn sie zu schnell zu viel Schaden anrichten, ziehen  sie die Aggro auf sich, und was eigentlich ein wohlgeordneter Blutrausch sein sollte, wird zu einem chaotischen Gemetzel.


Das Geschäft brummt für und John. Er hat eine virtuelle Freundin, Darla, die allerdings einen sehr schwierigen Charakter hat, manchen Kunden verschreckt. Nach einem heftigen Streit trennt sie sich von John und schwört, seine Existenz zu vernichten. Nichts passiert. Nun meldet sich ein ominöser Kunde, der vorgibt, keine Ahnung von Onlinespielen zu haben, der anonym bleiben möchte und wirklich alle Spiele kennenlernen will, alles über MMORPG (Spieler von Mehrspieler-Online-Rollenspielen) erfahren möchte. Ein Asiat, wie es scheint. Aber in welchem Land ist man so strunzdumm, sich in diesem Bereich so gar nicht auszukennen? Korea? Der Mann, der sich Mr. Jones nennt, gibt sich schwerreich. Was hat dieser Typ vor? Steckt Darla dahinter? Der Auftrag wird extrem gut bezahlt. Detailliert beschreibt Matt Ruff hier die Entwicklungen der Spielphasen, so dass Fantasyfans sich bildlich hineinfühlen können. Das alles erinnert an World of Warcraft, Star Trek, Final Fantasy und Guild Wars. Und nun meldet sich auch noch ein Geheimdienst, erpresst John, bietet für die Arbeit, diesen Mr. Jones zu berichten, die gleich Summe. Darla hat kein Geld – sie kann es nicht sein – das gibt keinen Sinn. Die Sache fühlt sich merkwürdig an. In seiner Not wendet sich John an seine Mutter, die beim CIA arbeitet. Steckt hinter diesem Mr. Jones der Diktator Kim Jong-un – ein nahestehender Mitarbeiter oder er selbst? Das Ganze endet dann am Ende sogar im reel life. Es wird immer gefährlicher ... Nerdig, lustig, spannend, tiefgründig, hat mir Hörvergnügen bereitet. An manchen Stellen deht sich die Geschichte ein wenig. Gut, aber nicht Matt Ruffs bester Roman. Wer Spaß am Gaming hat, wird den Roman mögen. 


Letzter Satz: 

Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist.


Matt Ruff, 1965 in New York geboren, wurde bereits mit seinem ersten Roman (»Fool on the Hill«) zum Kultautor. Seitdem nimmt er sich auf seine unnachahmliche Weise verschiedenste Fragen der Gegenwartskultur an. In »88 Namen« beschäftigt er sich mit unklaren Identitäten im Internetzeitalter.



Matt Ruff   
88 Namen
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Alexandra Jordan
Gesprochen von: Simon Jäger
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 7 Std. und 58 Min.
Techno-Thriller, Science-Fiction-Thriller, Online-Rollenspiele, Virtual Reality, Gaming-Roman
Anbieter: Argon Verlag
Fischer TOR Verlag, 2020, gebunden, 336 Seiten

Fantasy, Fantastic, Dystopien

Hier bin ich leider in letzter Zeit etwas ratlos. In dieser Rubrik wird wenig auftauchen. Leider habe ich das Gefühl, dass hier keine neuen Ideen kommen. Ich mag nicht immer wieder das gleiche Buch in Abwandlung lesen ... Aber auch hier lasse ich mich gern überraschen. Meist findet man unter den Dystopien doch mal was Neues.
Fantasy



Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller


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