Rezension
von Sabine Ibing
Young Agents: Operation «Boss»
von Andreas Schlüter
Der Anfang: Das darf nicht wahr sein! Ich bin so blöd! Hab nicht aufgepasst. Man kann es gar niemandem erzählen. Würde ohnehin keiner glauben. Und doch ist es wahr. Möglicherweise komme ich nicht einmal je in die Versuchung, es jemandem zu erzählen, weil ich die nächsten fünf Minuten nicht überlebe.
Offiziell gibt es sie gar nicht. Jeder Insider würde ihre Existenz leugnen. Und doch leben sie unter uns: Die Young Agents, europäische, jugendliche Geheimagenten, ausgebildet an einer EU-Agentenschule, fast unsichtbar, denn wer achtet schon auf Kinder? Sie sind im Alter zwischen 11 und 14 Jahren, leben bei ihren Familien und gehen ganz normal zur Schule. Der zwölfjährige Billy, ein Agent aus Deutschland, ist der Icherzähler dieser Geschichte. Gleich am Anfang erklärt er, man soll sich das nicht so vorstellen wie bei 007, James Bond, denn wir befinden uns ja in der Realität. Aber genau das ist es letztendlich! Ein Plotaufbau nach James Bond, eine Heldenreise in drei Akten, beginnend mit einem nervenzerreißenden Intro, in dem der Agent hoher Gefahr ausgesetzt wird – sehr spannend geschrieben Im Kino käme erst jetzt der Filmtitel. Gefahr gebannt und ziemlich kurz geht es in die Ruhepause, Schule, normales Leben, um den Helden kennenzulernen. Billy wohnt mit seinen Eltern, die nicht besonders helle sind, in Berlin in einer Hochhaussiedlung im sozialen Brennpunkt. Und schon kommt der nächste Auftrag herein: Zusammen mit der technisch versierten 14-jährigen Naomi aus Paris und dem 12-jährigen Charles, aus London, einem Strategen, soll er den »Boss« beobachten, einen der mächtigsten Mafia-Bosse der Welt, dem man bisher nichts nachweisen konnte. Sie sollen den Boss persönlich erwischen. Wie gut, dass die verzogene Tochter dieses Mannes gerade eine Band gründen will und Musiker sucht …
Nicht›, sagt sie. «Der Mobilfunkempfang funktioniert auf Schiffen meist über eine eigene GSM-Basisstation, die per Satellit mit einer terrestrischen Basisstation verbunden ist. Wenn das einer kontrolliert, kann er über die GSM-Basisstation dein Handy erkennen. Es könnte uns verraten. Wir sollten unsere Smartphones ausschalten.
Letztendlich ein wenig zu viel Action
Dieser Jugendroman ist ein absoluter Pageturner! Action von der ersten bis zur letzten Seite. Eine Gefahrsituation folgt der nächsten, der Leser hat kaum die Chance Luft zu holen. Ein Stein nach dem anderen wird den Helden in den Weg gelegt. Hier hätte ich mir ein wenig Verschnaufpause gewünscht, mehr Zeit für Atmosphäre und Charaktere, die letztendlich ein wenig flach bleiben. Andreas Schlüter schreibt wie immer technisch korrekt, bleibt in diesem Bereich wie immer frei von Phantasmen. Ich kenne eine Menge Schlüter-Kinder- und Jugendbücher, meine Tochter hat viele davon verschlungen. Aber bei diesem hier habe ich doch das ein oder andere Mal geschluckt. Was diese Jugendlichen so alles zu leisten imstande sind, war mir doch zu sehr aufgepfropft. Weniger ist oft mehr. Es liest sich wie ein American Hero Film. Das erste Mal fehlte mir bei diesem Autor die Message. Auf einem Frachter findet das Team eine in Folie eingewickelte Leiche. Nicht erschreckend beschrieben, aber hier fehlt mir der Sinn. Ein Toter wird gefunden – Ende. Weder wird aufgeklärt, wer dieser Mensch ist, noch sonst wie ist er in die Geschichte eingebunden. Im wahrsten Sinn ein toter Charakter, eine Spur, die nicht zu Ende geschrieben wird. Gruselfaktor steigen? Zartbesaitete Leser könnte das erschrecken. Und obendrauf wird auf die Helden geschossen. Das Buch ist eine klasse Vorlage für ein Drehbuch, wobei dann die Altersfreigabe wahrscheinlich auf 16 Jahre gesetzt wird. Bleiben wir beim Buch. Natürlich ist es altersgerecht für die Gruppe 11 - 13 Jahre in Satzaufbau und Verständnis geschrieben. Es kommt auf das Kind an. Aber wer bei einem Toten erschreckt, der wird auch nicht zu einem Action-Buch greifen. Insofern gehe ich mit der Altersangabe mit. Ich selbst habe mit 12 Jahren mein Taschengeld in John Sinclair – Hefte investiert, andere hätten bei der Lektüre die nächsten Wochen nicht schlafen können. Die Bewertung fällt mir schwer. Ich habe das Buch verschlungen – ein Pageturner. Ein wenig zu viel des Guten, irgendwann war mir das Ganze zu unglaubwürdig. Pädagogischer Wert, Message? Hier punktet Andreas Schlüter bei mir normalerweise. Diesmal 0 Punkte – tut mir leid. Das Ende hat mir nicht gefallen. Es gab keinen klaren Abschluss – nur einem halben – wer wissen will, wie es ausgeht, der muss zum nächsten Buch greifen. Man kann in einer Serie Fälle abschließen. Resümee: Wer einfach mal abspannen will mit viel Suspence, Action – der liegt hier richtig.
Andreas Schlüter, Buch- und Drehbuchautor, schreibt vor allem Kinder- und Jugendbücher und Krimis. Er wurde 1958 in Hamburg-Barnbek geboren, und arbeitete zunächst als Groß- und Außenhandelskaufmann, bevor er sich der Arbeit von Kinder- und Jugendgruppen widmete. Danach arbeitete Schlüter als freiberuflicher Journalist und Redakteur in einem Hamburger Medienbüro und bei verschiedenen Fernsehsendern. Seit 1996 schreibt er ausschließlich Bücher und Drehbücher. Bekannt wurde er mit seiner «Level 4»-Reihe, die bei Kindern und Jugendlichen sehr erfolgreich einschlug. Inzwischen ist er erfolgreicher Autor mehrerer Serien und Bücher für Kinder und Jugendliche. Er ist Mitautor diverser Tatort-Krimis.
Andreas Schlüter
Young Agents: Operation »Boss«
Jugendbuch (Jugendthriller)
Edel Kids Books, 2019, 256 Seiten
Empfohlenes Alter: 11 - 13 Jahre
was geeeeehhhttt
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