Rezension
von Sabine Ibing
Vier Frauen - Jedes. Wort. Eine. Lüge.
von Gina LaManna
Ein Thriller ist dieses Buch ganz sicher, aber eben ein seichter; eine amerikanische Soap letztendlich; garantiert kein Pageturner, wie der Verlag dieses Buch anpreist. Mal was ganz anderes im Aufbau – doch Neues muss nicht unbedingt besonders gut sein. Wie manche Leser den Roman als Humoreske einordnen, ist mir allerdings ein Rätsel. Rein literarisch gesehen ist der Text sehr flach – doch als Unterhaltungsliteratur flott zu lesen. Worum geht es? Die Hochzeit einer der Superreichen der USA steht an und darum lädt das Brautpaar in ein luxuriöses Spa-Hotel an der kalifornischen Küste ein: Eine Woche lang finden Aktivitäten um die Hochzeit herum statt. Hotel und Extras muss jeder selbst zahlen. Am zweiten Abend verstirbt ein Mann. Vier Frauen behaupten unabhängig voneinander, eine Mörderin zu sein.
Vier Frauen gestehen einen Mord
Drei ehemalige College-Freundinnen der Braut, eine ältere Dame, die Tante des Bräutigams und eine junge Frau mit Baby, die Cousine des Bräutigams, sind die Hauptprotagonistinnen. Manche von ihnen reisen mit Partnern an, eine von ihnen dazu mit drei Kindern. Die vier ehemaligen Freundinnen und Wohnungsgenossinnen haben sich seit dem College nicht mehr gesehen, haben nur losen Kontakt. Zwei sind sich spinnefeind – dahinter steckt ein Ereignis aus College-Tagen. An der Bar treffen die Protagonistinnen aufeinander; natürlich nicht immer gleichzeitig. Nach dem Prolog (der keiner ist) beginnt das erste Kapitel mit einer polizeilichen Befragung von Lulu Franc – die den Mord gesteht. Die Verhöre sind echt ein Witz, haben rein gar nichts mit der Realität zu tun. Zwischen den Befragungen gibt es Rückblicke. Bei manchen Protagonistinnen beginnt es mit der Anreise, bei anderen mit der Ankunft. Es läuft dann chronologisch zeitlich nach vorn: Der erste Abend, der erste Tag, der zweite Abend endet dann in einer Katastrophe.
Wer gern Soaps liest, für den ist dies eine passende «Crimeliteratur»
Die Befragungen sind Ausschnitte, megakurz – danach hat die jeweilige Protagonistin den Part, eine Zeitspanne zu rekapitulieren und einen Rückblick auf ihr Leben und ihre Psyche zu geben. Die Figuren sind simpel angelegt, klischeehaft und der Text hat ellenlange Wiederholungen, immer wieder, die den Leser irgendwann abstumpfen lassen; mich zumindest. Es gibt verdammt viel Kaugummi in diesem Text, um den Roman zu füllen. Ginger, Kate, Emily, Sydney und Lulu: Die gestresste Mutter; die unzufriedene, kinderlose Karrierefrau; die traumatisierte Frau mit heißem Draht zur Therapeutin; die arme Alleinerziehende und die Betrogene, die endlich länger als fünf Jahre verheiratet sein will, nicht mehr ausgetauscht gegen etwas Jüngeres sein möchte. Ab der Mitte ahnt man, wer der Tote ist, weiß, er hat es verdient; so kommt es dann auch. Bei der Mörderin kann es jede gewesen sein. Aber weit gefehlt, am Ende gibt es dann doch eine Wendung – endlich kommt Betriebsamkeit in den Plot. Aber das ist dann leider überzogen. Lebensdramen, eine Menge kaputte Beziehungen, gewalttätige Ehemänner, unerfüllte Kinderwünsche; aber Tiefe hatte diese Geschichte nicht einen Millimeter. American Kitsch, superreiche Schönlinge, die das Geld rausschleudern, brave Arme, die sich für jeden Dollar abrackern müssen, Frauen, die den Sinn des Lebens in Cremes und Puder, Glimmerklamotten finden, und ja, es ist harte Arbeit, mit einem reichen Mann verheiratet zu sein: Styling, Präsenztermine, Haltung und Mimik müssen immer stimmig sein ... Und jede Frau wünscht sich doch irgendwie ein Kind! Die Moral von der Geschicht? Glücklich ist man mit weniger Geld, aber mit vielen Kindern. Freundschaft hält ein Leben lang, auch wenn sie mal ruht. Wer gern Soaps liest, für den ist dies eine passende «Crimeliteratur».
Die falschen Leser angesprochen
Für mich hat hier das Verlagsmarketing versagt. Früher stand Penguin für niveauvolle Crimeliteratur, heute leider immer weniger. Hier wird eine seichte amerikanische Soap als Pageturner und Thriller vermarktet, spricht so das falsche Publikum an. Thriller ist nicht falsch; aber die Erwartung als Gesamtpaket stimmt nicht. Nicht immer wo grundsätzlich ein Thrill drinsteckt, sollte das auf dem Cover landen. Da muss man sich nicht wundern, wenn es nicht gefällt. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit im Klappentext spricht dann auch die richtige Leserschaft an.
Gina LaManna stammt aus Minnesota, hat aber auch schon in Los Angeles und Italien gelebt. An der Uni beschäftigte sie sich eine Weile mit Zahlen und Gleichungen, bis sie feststellen musste, dass das absolut nichts für sie ist. Seitdem schreibt sie. Sie liebt Cappuccino und Marathonlaufen und lebt mit ihrer Familie nur neun Blocks vom Strand entfernt.
Aus dem Englischen übersetzt von Sabine Thiele
Soap, Thriller, amerikanische Literatur
Taschenbuch, 432 Seiten
Penguin Verlag, 2021
Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre
Krimis und Thriller
Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller
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