Direkt zum Hauptbereich

Tiny Hotels von Florian Siebeck - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Tiny Hotels von Florian Siebeck
Kleine Quartiere für große Tage

Große Hotelbunker kann ich nicht leiden, schon gar keinen Pauschaltourismus. Ich freue mich immer, wenn ich kleine, ausgefallene Herbergen finde, die Charme besitzen. Meist bekommen die Reisen durch diese Übernachtungen ein besonders Highlight. Auf der Britischen Insel findet man eine Menge dieser Häuser. Es muss nicht unbedingt komfortabel sein, nur gemütlich und charmant. Auch die Paradors in Spanien bieten sich an. In der Regel hat man Glück, manchmal ist es einen Tick zu skurril, plüschig oder nerdig – egal – nur selten gibt es einen Reinfall. In Coronazeiten kann man das Fernweh mit Büchern stillen und sich anschauen, was in der Zukunft auf einen warten könnte. Da fiel mir «Tiny Hotels» ins Auge.


"48 Lighthouse Street" auf Sri Lanca

Es waren einmal vier Freunde, drei Investmentbanker und ein Pulitzer-Preisträger … die bauten sich in den Bergen von Wyoming ein Ferienhaus. Ein ziemlich imposantes.

«Jackson Hole», ein weitläufiges Chalet ist ein Boutique-Hotel in einem Skigebiet im Grand-Teton-Nationalpark, Wyoming, USA. Acht große Suiten mit zwei Schlafzimmern auf 140 qm, bzw. vier Schlafzimmer auf 470 qm, die Seilbahn liegt gleich vor der Haustür. Gemütlich eingerichtet, ganz persönlich durch die Eigentümer. Tiny bedeutet eben nicht unbedingt, dass die Zimmer sehr klein sind – sondern dass hier auf kleine, individuelle Häuser wert gelegt wird. Dies ist die erste Herberge, die vorgestellt wird. Hotels? Doch eher Herbergen, B&B’s, Gästehäuser, oder wie auch immer man diese Übernachtungsmöglichkeiten bezeichnen mag. Klein und gemütlich, mit Charme, Eleganz, Kitsch, ungewöhnlich - 40 bezaubernde Angebote weltweit, die jeweils nur über einige wenige Zimmer verfügen, ausgefallen eingerichtet und gestaltet.

Wer auf kitschigen Prunk steht, sollte in Miami Beach in der alten Versage Villa übernachten, «Villa Casa Casuarina». Gianni Versage entdeckte das Haus, das in Anlehnung an den Palast von Christoph Columbus im mediterranen Stil 1930 erbaut wurde. Damals verfallen, kaufte der Modedesigner das Haus und baute es aufwendig um: «Vergoldetes Holz, schillernde Mosaike – den Pool schmücken tausende italienische Goldkacheln.» Versage wurde auf den Treppen dieser Villa erschossen. Ein historischer Ort, heute ein Boutique-Hotel ziemlich prunkvoll, bunt und kitschig – eben Versage. Völlig gegensätzlich das «Le Collatéral» in Arles, Frankreich: Auf achthundert Quadratmeter Waschbeton, auf den dicken Wänden einer ehemaligen Kirche gebaut, deren Fundamente aus dem 6. Jahrhundert stammen, sind vier Zimmer, ein Salon und eine Bibliothek entstanden. Von der Dachterrasse aus blickt man über die Stadt. Schlicht, Beton, Metall, Holz - dazwischen moderne Kunst. Wie wäre es mit einer Übernachtung in einem Schäferwagen in Yorkshire, England? Britischer Plüsch im «40 Winks», zwei Zimmer im Town-House in London: «Liegt irgendwo zwischen Palazzo und landhausgewordener Opiumhöhle, zwischen Alice im Wunderland und Marie-Antoinette.»

Baumhaus in Witzhausen bei Kassel



"Brücke 49" Pension im Vals

Übernachtung in einem Brückenwärterhäuschen in Amsterdam, in einer alten Bischofskanzlei in Andernach, Deutschland, vielleicht in einem Baumhaus in der Nähe von Kassel oder in Arlena di Castro in Italien. Eine alte waliser Villa in Vals in den Schweizer Alpen bietet vier Zimmer, in Kopenhagen in Dänemark ein Zimmer über einem Café: «Aber dieser Ort hier oben ist wie eine kleine Höhle.» – oder in Litløya im «Litløy Fyr» übernachten, einem Leuchtturm im Vesterålen-Archipel mit Blick auf die nahe gelegenen Lofoten. 68 Meter hoch liegt eine Suite im Prager Fernsehturm, «das zweithässlichste Gebäude der Welt», doch die Suite kann sich sehen lassen, Chauffeur mit Limousinenservice steht zur Verfügung. Das Herrenhaus im Jugendstil «Casa Poppea» in Brăila, Rumänien, wurde 1900 von einem griechischen Kaufmann erbaut, erstrahlt heute im alten Glanz. Die Höhle des Schriftstellers findet man als eine der sieben Suiten im «Riad Mena» in Marrakesch – im «Giraffe Manor» in Nairobi, Kenia, stecken bereits um 6:30 Uhr die Giraffen ihre Köpfe durch das Fenster und in Randa finden wir eine besondere Form von Lodgen. In Namibia stehen mitten in der Wüste so etwas wie gestandene Schiffe. In Tasmanien, Australien, führt ein Steg weit hinaus auf einen See, ein Art-déco-Gebäude mit 12 Zimmern. Diese Häuser und eine Menge mehr an Inspiration macht Lust auf das Reisen, individuelles Reisen an Orte der Gastlichkeit.




«Tiny Hotels» enthält eine exklusive Auswahl von 40 Übernachtungsmöglichkeiten, verteilt über die ganze Welt. Über 200 Fotos machen Lust, diese Orte zu besuchen. Einige der Häuser gehören ins Luxussegment, andere sind gar nicht so teuer. Aber vielleicht regt das Buch an, es mal selbst in die Hand zu nehmen! Nach Boutique-Hotels suchen und B&B, da findet sich manche Perle. Dieses Buch ist ein kleines Kunstwerk, es macht schlicht Spaß, sich die Fotos anzuschauen.


Florian Siebeck ist freiberuflicher Journalist, Fotograf und Autor. Er lebt in Frankfurt am Main, doch seine Reiselust führte ihn bereits in 70 Länder dieser Welt. Derzeit arbeitet er als Redakteur für AD Architectural Digest.


Florian Siebeck 
Tiny Hotels
Kleine Quartiere für große Tage
Sachbuch, Hotelführer, Reiseliteratur
Hardcover, Pappband, 224 Seiten, 17 x 17 cm, 230 farbige Abbildungen
Prestel Verlag, 2020

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Ambivalenz von Amélie Nothomb

  Eben noch war Claude mit Reine im Bett. Beim Anziehen erklärt sie, sie würde ihn für den erfolgreicheren Jean-Louis verlassen; eiskalt sie offeriert ihm, der habe mehr zu bieten. Claude schwört, sich an Reine zu rächen. Claude heiratet Dominique; Frau und Tochter interessieren ihn nicht, er hat andere Pläne. In Zeitraffern und Extrakten teilt der Leser das Leben der Familie – hier geht es um Liebe, Rache und Vergeltung auf mehreren Ebenen, die radikale Bloßstellung menschlicher Ruchlosigkeit. Feiner kurzer Roman! Weiter zur Rezension:    Ambivalenz von Amélie Nothomb

Rezension - Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

  Rezepte, die du lieben wirst Der Israeli Yotam Ottolenghi hat zusammen mit seinem dreiköpfigen Küchenteam das nächste Kochbuch entwickelt. Das Team widmet sich dem Comfort Food und liefert inspirierende Gerichte, die nach Zuhause und Geborgenheit schmecken. Aber auch nach Kindheitserinnerungen und Reiseeindrücken. Comfort Food bedeutet für jeden etwas anderes, auf jeden Fall etwas wie Geborgenheit und Wohlfühlgefühl: ein Gefühl von Nostalgie, aber auch Vertrautheit. So sind über 100 Rezepte entstanden, von der Bolognese (mit asiatischen Gewürzen) bis zu Eier-Gerichten, von der One-Pot-Pasta bis zum Apfelkuchen. Rezepte, die zugleich originell aber auch vertraut und bewährt sind. Und immer mit dem gewissen Ottolenghi-Twist. Weiter zur Rezension:    Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

Rezension - O du schreckliche: Ein garstiger Weihnachtskanon

  Kurzgeschichten herausgegeben von Felix Jácob Felix Jácob liebt Weihnachten und fürchtet es zugleich. Im Kreis seiner großen Familie wird an den Feiertagen zelebriert, beschenkt – und lautstark gestritten. Als passionierter Leser, studierter Philologe und langjähriger Büchermacher in europäischen Verlagen sammelt er seit Jahren die schönsten und bösesten Geschichten zum Fest. Wer spricht davon, Weihnachten zu feiern? Überstehen ist alles! Garstige, schräge Weihnachtsgeschichten für Lesende, die schwarzen Humor lieben. Weiter zur Rezension:     O du schreckliche: Ein garstiger Weihnachtskanon

Rezension - Der Rückwärtsdieb - Mehr als nur ein Trick! von Ulrich Fasshauer von Ulla Mersmeyer

  Der Vater des 11-jährigen Nachwuchs-Zauberkünstler Lenny ist Antiquar. Die wertvollsten Bücher hält er im Tresor verschlossen. Das eine will er nun verkaufen, es ist ziemlich viel wert. Es sei ein uraltes, wertvolles Zauberbuch. Lenny glaubt, es können ihm weiterhelfen, berühmt zu werden; und so stibitzt er den Band, nur ausgeliehen! Was soll denn schon passieren? Doch dann wird Lenny selbst bestohlen! Wer könnte es auf das alte Buch abgesehen haben? Spannend, turbulent, witzige Dialoge. Lesespaß ab 10 Jahren.  Weiter zur Rezension:    Der Rückwärtsdieb - Mehr als nur ein Trick! von Ulrich Fasshauer von Ulla Mersmeyer

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor. ...

Rezension - Die Schatzinsel von Sebastià Serra, nach Robert Louis Stevenson

In diesem hochwertigen Pappbilderbuch wird der Klassiker «Die Schatzinsel» in Reimform erzählt. Es ist die Geschichte einer abenteuerlichen Suche nach einem Piratenschatz, bei der der Junge Jim eine Hauptfigur ist; ebenso eine Schatzkarte. Ich war ja ehrlich gesagt skeptisch, ob man einen dicken, spannenden Roman in eine kurze Reimform bringen kann. Das ist gelungen. Spannendes Bilderbuch ab 3 bis 4 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Schatzinsel von Sebastià Serra, nach Robert Louis Stevenson

Rezension - Mittelmeer: Tauche ein in die mediterrane Welt von Katharina Vlcek

Dieses Sachkinderbuch bietet viel Hintergrundwissen zur Mittelmeerregion. Das Buch entführt uns zu Zeugnissen großer Kulturen, Geografie, Geschichte, die Geschichte ihrer Besiedlung und lädt uns ein, ein die Tiefe der Unterwasserwelt zu tauchen. Die mediterrane Region ist aber nicht nur ein Urlaubsort: Schon seit über 42 000 Jahren leben Menschen am und vom Mittelmeer, mit einer 46.000 Kilometer langen Küstenlinie und 521 Millionen Menschen, die in den 24 angrenzenden Staaten leben. Eine runde Information, grafisch hervorragend begleitet, ein Kinderbuch ab 9 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Mittelmeer: Tauche ein in die mediterrane Welt von Katharina Vlcek

Rezension - Franz – oder warum Antilopen nebeneinander laufen von Christoph Simon

Ein Schweizer Kultbuch von 2001, neuaufgelegt, ein Comming of age – Roman, schräg, amüsant, empathisch, spleenig. Franz ist einer, der weiß, dass er irgendwie die Schule überstehen muss, mit Abschluss, aber wozu das alles gut sein soll, hat er noch lange nicht kapiert. Schule ist irgendwie ein Stück Heimat, wenn nur der Unterricht nicht wäre. Ein typisches Jugendbuch, allerdings in einer Form, das auch Erwachsenen gefällt. Hier geht es zur Rezension:    Franz – oder warum Antilopen nebeneinander laufen von Christoph Simon

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - L’Osteria Grande Amore von L’Osteria und Diana Binder

  Die Geheimnisse unserer Küche L’Osteria Grande Amore – das erste Restaurant eröffnete 1999 in Nürnberg. Systemgastronomie – heute hat die Kette gut 200 Restaurants in neun Ländern mit rund 8.000 Beschäftigten. Seitdem hat sich das Ursprungskonzept mehr als bewährt: Frische italienische Küche, lässiges Ambiente, Pizze, die über den Tellerrand hinausragen und Systemgastronomie, die schmeckt. Im Buch sind in der Einführung einige Fotos zu den Lokalitäten enthalten. Und dann geht es los zu den Rezepten aus L’Osteria Grande. Neues Rezepte zu Pasta und Pizza! Empfehlung! Weiter zur Rezension:    L’Osteria Grande Amore von L’Osteria und Diana Binder