Rezension
von Sabine Ibing
They Are Everywhere
von Andreas Langer
Der Anfang:
Eigentlich mochte ich Überraschungen.Genau wie Gespräche und .. Jungs. Doch wann immer zwei oder drei dieser Dinge zusammenkamen, war ich heillos überfordert.Jedenfalls im sogenannten echten Leben. Im Metaverse war alles leichter. Dort merkte niemand, wie ich vor Aufregung rot wurde. Niemand sah die Schweißflecken unter meinen Achseln oder die kleinen Härchen, die meine Arme bevölkerten. Im Metaverse hatten alle mein virtuelles Ich vor sich und das war 24/7 selbstsicher und cool.
Sommer 2055: Roboter, Androiden und virtuelle Welten bestimmen den Alltag der Menschen, angefangen von Haushaltsrobotern, selbstfahrenden Verkehrsmitteln bis zu online-Dauerberieselung. Die 16-jährige Hannah soll endlich mal offline gehen, mit echten Menschen Kontakt haben, wird auf analoge Ferien auf eine Farm in Ohio geschickt. Ziemlich zur gleichen Zeit gerät die Welt aus den Fugen: Die Maschinen wenden sich plötzlich gegen Menschen – mit tödlichen Folgen. Der Aufstand der Maschinen als Jugendroman.
Hannah wird am Flughafen von Jarret und einem KI-SUV abgeholt. Hier frage ich mich, wozu ein Mensch, der sich nicht wirklich um sie kümmert – und ein SUV in der Zukunft, der einzelne Personen transportiert? Eine Smartwatch (warum kein kreativer Name) ist unter die Haut gelegt, aber man muss noch Buchstaben tippen. Es fällt mir auf den ersten Seiten auf, dass die Zukunft nicht stringent durchdacht ist und hier mit alter Technik agiert wird, was mir die Glaubwürdigkeit in Frage stellt. Auf der Farm angekommen, wird Hannah herzlich begrüßt, hier wird noch richtig gekocht und gebacken – allerdings vom Hausandroiden Bones. Hannah und Jarret werden aufgefordert, etwas zu essen, damit Bones nicht beleidigt ist. Das nächste Mal, dass ich mit dem Kopf schüttele. Draußen auf dem Feld arbeiten Roboter, nur der Traktor, so Farmer Quentin, ist noch ein Museumsstück, das sich nur bewegt, wenn der Mensch es fährt. Plötzlich reagiert Quentins Hologramm unter der Haut nicht mehr. Komisch. Die Jähroboter rasen auf den Traktor zu, die Düngedrohnen spritzen Quentin und Jarret gezielt Pestizide ins Gesicht (gibt es in der Zukunft noch giftige Pestizide?). Sie versuch den Traktor zu erreichen. Im Haus dreht Bones durch, greift die Frauen an. Lediglich Hannah und Jarret können mit dem Traktor entkommen. Am Highway angekommen bietet sich ihnen ein grauenhaftes Bild!
Schreiend fasste er sich an die verätzten Augen und während die Drohnen ihn aus allen Richtungen besprühten, walzte über den Feldweg der Panzer heran. Jarrett brüllte und endlich setzte sich Quentin wieder in Bewegung.Aber er taumelte nur noch vorwärts und geriet vom Weg in den angrenzenden Acker, wo er blindlings in eine Ackerfurche stolperte. Er ging zu Boden, seine Augen waren einen Moment lang ungeschützt und die Tanks der Drohnen noch längst nicht leer. Schreiend und wankend rappelte sich Quentin wieder auf. Doch im nächsten Moment walzte der Panzer über ihn hinweg und der Pflug grub seine eisernen Messer in ihn.
Gleich auf den ersten Seiten des Near-Future-Thriller geht die Post ab. Für Hannah und Jarret beginnt eine atemlose Flucht, auf der sie sich größten Gefahren und ihren Ängsten stellen müssen. Während ihre Gefühle verrücktspielen, jagt eine Gefahr die nächste – die Maschinen sind überall. Ein Pageturner, spannend, leider ziemlich vorhersehbar. Hannah hat sich bisher in der virtuellen Welt versteckt, die sie sicher durchschreitet, im Gegensatz zur realen Welt, in der sie sich unsicher im Umgang mit Menschen fühlt. Die beiden Jugendlichen müssen sich nun aufeinander verlassen, um zu überleben. Langsam fassen sie Vertrauen und es fängt an zu knistern. Ein dystopischer Thriller, der aufzeigt, wie Maschinen, die uns behilflich sein sollen, zur tödlichen Falle werden, wie abhängig wir von ihnen sind. Und der Autor zeigt, wie einsam wir eigentlich sind, wenn wir ins Virtuelle flüchten. Das Thema wurde oft beschrieben: Die Maschinen, die wir erfinden, werden uns vernichten. Hier ist mir so einiges nicht genau für die Zukunft durchgespielt, zu dicht an der heutigen Technik, teils bereits überholt, inhaltlich zu durchsichtig und vorhersehbar, auch philosophisch recht kraftlos. Nicht der große Wurf, aber gute Unterhaltung, da das Jugendbuch von Action und Spannung lebt. Der Ueberreuter Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 14 Jahren. Das passt für mich.
Andreas Langer ist gelernter Journalist und arbeitete anderthalb Jahrzehnte lang als Lokalredakteur und Werbetexter. Mittlerweile begleitet er vormittags Schwabens ländliche Entwicklung in Wort und Bild, während er sich nachmittags, abends oder auch nachts Geschichten ausdenkt und von fantastischen Welten erzählt. Gemeinsam mit seiner Frau, drei Kindern und zwei dreifarbigen Katzen lebt er in einer kleinen Stadt am Westrand Bayerns. Für sein Kinderbuch »Schneekinder« wurde Andreas Langer mit dem Kranichsteiner Kinder- und Jugendliteraturstipendium ausgezeichnet.

They Are Everywhere
Near-Future-Thriller, Spannung, Utopie, KI, Kinder- und Jugendliteratur, Jugendroman
Taschenbuch, 352 Seiten
Ueberreuter Verlag, 2025
Altersempfehlung ab 14 Jahe
Kinder- und Jugendliteratur

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