Interview mit Cristian Momo
von Sabine Ibing
© Cristian Momo |
Cristian Momo ist das Pseudonym für einen Foodblogger. Er ist in Baden-Württemberg aufgewachsen, hat sizilianische Wurzeln und er lebt heute in der Schweiz. Auf seinem Küchen-Blog präsentiert er italiensch-mediterrane Gerichte, zeigt viel Traditionelles. Zu jedem Gericht gibt es eine kleine Geschichte, und genauso ist sein Kochbuch gestaltet: traditionelle Rezepte mit Geschichten zur Entstehung des Gerichts bzw. traditionelle Geschichten aus Sizilien, die sizilianische Seele.
Website: www.cristian-momo.com
Facebook Gruppe: Cristian Momo – mediterrane Küche, Rezepte und mehr
YouTube: Kochen mit Cristian Momo
Instagram: kochen_mit_cristian_momo
S. I.: Du hast dein Kochbuch als Selfpublisher herausgebracht. Hast du versucht, an einen Verlag oder Agenten heranzutreten? Wenn nicht, warum hast du nicht den Verlagsweg gewählt?
C. M.: Ich habe nie damit gerechnet, dass mein Buch erfolgreich wird. Das Kochbuch ist aus einer ideellen Idee entstanden. Es war keinerlei geplante Marketingstrategie dahinter. In allererster Linie war es eine Hommage, ein Geschenk an meine Mutter und ein Buch für die Mitglieder meiner Kochgruppe. Daher habe ich die Möglichkeit, die Publikation über einen Verlag einzuleiten erst gar nicht in Erwägung gezogen.
S. I.: Das Buch heißt «Die Rezepte meiner italienischen Mamma», und du schreibst, du hast irgendwann angefangen, ihre Rezepte zu notieren, um sie nicht zu vergessen, wolltest sie nun einem größeren Publikum präsentieren. Planst du noch einen weiteren Band der Traditionen?
C. M.: Ursprünglich war ein zweiter Teil geplant. Zwischenzeitlich habe ich neue Buchprojekte, an denen ich arbeite. Ich schließe es nicht aus, zu einem späteren Zeitpunkt einen zweiten Band zu schreiben. Genügend Rezepte habe ich allemal. Meine Mutter hat uns sehr verwöhnt mit ihrer vielseitigen Küche.
S. I.: Das Kochen gehört zur Kultur, und Kultur ist wandelbar. Wenn man deine Familienrezepte als Grundlage nimmt, was hat sich zur heutigen italienischen Küche verändert? Gibt es noch die italienische Bescheidenheit der cucina povera, der Küche der armen Menschen?
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© Cristian Momo |
C. M.: In Italien leben nach wie vor viele arme Menschen, die wissentlich, willentlich oder unwissentlich die Küche der armen Menschen kochen. Ja, die Bescheidenheit gibt es noch. Was sich allerdings gewandelt hat, ist, der Preis der vermeintlich "günstigen" Zutaten. Für gewisse Käsesorten, Schinken – und Specksorten oder auch Gemüse muss inzwischen auch in Italien ordentliches Geld hingeblättert werden. Warum das so ist, ist einfach zu erklären. Die Küche der armen Menschen war und ist sehr regional bestimmt. Ich nenne ein Beispiel: Während auf Sizilien der Pecorino pepato praktisch hinterhergeworfen wird, kostet dieser eigentlich sehr günstige Käse in Norditalien das doppelte. Guanciale ist mittlerweile nicht mal mehr in Amatrice günstig und die Preise von einem gut gealterten Parmesan kennen wir alle. Reden wir von der Pastaindustrie, sind wir heutzutage bei einer qualitativ hochwertigen Pasta preislich irgendwo dort angelangt, wo sich ein normaler Arbeiter in Italien nicht mit seiner vier - oder fünfköpfige Familie bewegen kann. Was ist also heute la cucina povera in Italien? Es sind vor allem Pastagerichte mit einheimischem Gemüse oder günstige Fischsorten, aber auch viele einfache Eintöpfe mit Hülsenfrüchten, wie Linsen, Bohnen, Kichererbsen. Die echte cucina povera kann also teilweise auch als nicht ganz so preiswert interpretiert werden.
S. I.: Welche Einflüsse von außen haben die italienischen Gerichte am meisten beeinflusst? Und warum?
C. M.: Einflüsse ja, doch woher, kommt ganz auf die Region an. Süditalien und Sizilien sind beispielsweise sehr orientalisch und afrikanisch geprägt. Couscous, Gemüseaufläufe, viele Fischgerichte, gegrilltes Gemüse. Italien war in den verschiedenen Epochen ein Dreh – und Angelpunkt, wichtig für Wirtschaft, Handel, Religion und Politik vieler Völker. Das prägte auch die Küche. Allein die sizilianische Parmigiana di Melanzane gibt es in unzähligen Variationen und viele Kulturen wollen Anspruch darauf haben. Das Gericht kennt man in Norditalien, im arabischen und türkischen Raum und in Nordafrika. Der berühmte Fischeintopf mit Stockfisch «a ghiotta» der Ähnlichkeit mit einem türkischen Gericht hat oder auch «uova al purgatorio» der leicht mit dem israelischen Shakshuka zu verwechseln ist, sind nur einige Beispiele. Im Norden Italiens finden wir deutliche Einflüsse aus der französischen oder germanischen Küche: Tortellini alla panna ist nur ein Klassiker von vielen aber auch viele Schmorfleischgerichte mit Rot- und Weisswein und Pfifferlingen, ähnlich wie es sie in Österreich oder Deutschland traditionell gibt, sind keine Seltenheit.
© Cristian Momo |
Penne Pomodoro, und so geht es:
S. I.: Vor 30 Jahren gab es selbst in Rom kaum ein ausländisches Restaurant, ich erinnere mich an einen Chinesen, den meine italienischen Freunde nicht betreten wollten, nicht einmal ausprobieren. Heute gibt eine Menge Shushi Bars, Fast-Food mit Burgern und Sandwiches, viele Japaner und Chinesen, einige Mexikaner, div. arabische Küche, Inder, Spanier, Griechen usw. Welchen Einfluss hat das auf die italienischen Essgewohnheiten?
C. M.: Was der Bauer nicht kennt, dass isst er nicht; der durchaus sympathische Italiener aus den 60er, 70er und 80er Jahren pflegte gerne nach diesem Motto zu speisen. Nur das Echte, das Originale war gut genug. Das ist damals Teil des italienischen Charakters gewesen. French Dressing zu Salat? Was ist überhaupt Kurkuma, ist das eine Art Safran? Dieses Denken hat sich glücklicherweise deutlich gewandelt. Während die eingesessenen Italiener in Deutschland zum Teil immer noch der Meinung sind, in Italien lebende Italiener essen kein Chinesisch, kein Döner oder gehen in kein amerikanisches Fast Food Restaurant; aber sie irren sich gewaltig. Schlussendlich passiert das, was sich im Laufe der Jahrhunderte wiederholt hat: Es ist eine Entwicklung im Gange. Einer meiner Cousins wohnt in einer Bergregion Siziliens, fernab von Tourismus. Als ich ihn besucht habe, kochte er gerade einen Curryreis mit Ananas. Er koche das schon seit ein paar Jahre, seine Frau wollte es mal probieren. Lecker sei das. Gute Freunde aus Giardini Naxos luden uns an einem Abend zum Essen ein. Es gab selbstgemachtes Gyros mit Tsatsiki. Beide sind noch nie in einem fremden Land gewesen, sie ist Sizilianerin, er aus Kalabrien. Das Essen war übrigens sehr lecker. Ja, die kulinarische Globalisierung hat definitiv auch Italien erreicht. Gleichermaßen schafft man es auch, Traditionen zu bewahren. Die authentische Küche ist mindestens ebenso wichtig und wird trotzdem ohne, dass man einen Spagat machen muss, bewahrt. Sie ist nicht verloren.
S. I.: Wie sieht die moderne traditionelle italienische Küche aus? Tradition mit Modernem vereinen, was bedeutet das?
C. M.: Das kann verschiedene Aspekte haben. Ich persönlich gliedere dies in zwei große Gruppen auf. «Alte» Zutaten neu zu kombinieren beispielsweise: Ich habe vor ein paar Jahren eine herrliche Pizza bianca, also ohne Tomaten und Oregano, sondern mit Salsiccia sale e pepe und Zucchini gegessen. Nichts Neues an sich, vor 30 Jahren jedoch undenkbar. Eine Pizza ohne Tomaten? Die zweite Gruppe gliedere ich in «alte Gerichte mit neuen Zutaten» ein. Ein Beispiel dafür wäre für eine sizilianische Lasagne, statt Provola oder Caciocavallo mal einen Gouda zu nehmen. Den gibt es mittlerweile weltweit. Warum sollte man nicht bei einem Supplì etwas Kurkuma unter den Reis mischen? Der schmeckt in der Kombination mit dem Mozzarella äußerst lecker. Längst haben namhafte italienische Köche den Fortschritt und die Entwicklung verstanden und setzen dieses neue Bedürfnis um.
S. I.: Welche Stellung wird die vegane Küche in der Zukunft haben – und wie passt sich hier die italienische Küche ein?
C. M.: Die italienische Küche oder besser gesagt die mediterrane Küche ist für vegane Gerichte prädestiniert. Olivenöl, frisches Obst und Gemüse, Pasta, auch Reis oder Couscous, einfache Gewürze, frische Kräuter…. wer daraus kein leckeres Essen kochen kann, der hat die mediterrane Küche nicht verstanden.
S. I.: Planst du ein weiteres Buch? Wenn ja, in welche Richtung möchtest du gehen?
© Cristian Momo |
Salmoriglio, und so geht es:
C. M.: Ich habe verschiedene Ideen und einige Projekte. Konkret arbeite ich gerade wieder an einem Kochbuch für ein eher vielseitig interessiertes Publikum. Natürlich sollen es wieder einfache Gerichte sein, aber nicht ausschließlich italienisch. Schnell zubereitete Gerichte mit wenigen Zutaten, die auf dem Tisch eine gute Figur machen. Die Zutaten hat entweder jedermann zuhause oder sie sind leicht zu beschaffen. Das Thema ist zeitgemäß, gar aus meinem Alltag heraus entstanden. Wir sprechen von simpel zubereiteten, frischen Gerichten, teilweise neu interpretierten, aber bekannten Rezepten, Varianten, interessante Kombinationen. Es werden vegane, vegetarische und fleisch – oder fischhaltige Gerichte zu finden sein. Jedes Rezept ist unter 30 Minuten zubereitet. Ich stoppe die Zeiten.
S. I.: Eine ganz andere Frage. Du hast deine ersten Selfpublishererfahrungen gemacht. Würdest du den Weg wieder gehen?
C. M.: Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ein Verlag nimmt einem Autor sehr viel Arbeit ab. Wenn man nur allein an das ganze Marketing denkt. Andererseits gibt man dafür viel Eigenbestimmung her. Selfpublishing verlangt ein starkes Nervenkostüm und viel Ausdauer. Es ist aber auch befriedigend, weckt den Ehrgeiz, gibt Handlungsfreiheit. Pauschal kann ich diese Frage nicht beantworten. Wenn ich ein faires Angebot erhalte, warum nicht?
S. I.: Welche ungeahnten Schwierigkeiten hattest du beim Selfpublishing? Hast du eine Anekdote parat?
C. M.: Da muss man einfach klar sagen: die Unerfahrenheit. Eine Anekdote? Ich habe mindestens 50!!! Die behalte ich aber alle für mich, da sie mit vielen Schimpfwörtern verbunden wären.
S. I.: Und im Nachhinein, da ist man ja immer schlauer, was würdest du heute anders machen?
C. M.: Ich würde das Manuskript von einem Lektorat und Korrektorat beurteilen und korrigieren lassen.
S. I.: Du hast lange in Deutschland gelebt, nun in der Schweiz. Italienische Restaurants vereinen ja auf einer Karte ganz Italien, die vielen verschiedenen Regionen. Doch was ist typisch Deutsch, was ist typisch Schweiz in italienischen Restaurants, so gar nicht italienisch ... Und warum kocht hier der Italiener nach Landesgusto, kann sich nicht durchsetzen?
C. M.: Zunächst muss ich dazu sagen, dass dieser Umstand besser geworden ist. Deutsche und Italiener kennen ihre Küche gegenseitig besser als vor 30 Jahren und es wird viel mehr nach der authentischen Küche verlangt. Authentisch im Sinne, dass eine Carbonara ohne Sahne zubereitet wird und darin kein deutscher Speck, sondern Guanciale enthalten ist. Das wissen Deutsche oder Schweizer inzwischen und möchten es auch so haben. Ein typisch «deutsches» Beispiel, was es in Italien nirgends gibt fällt mir dennoch spontan ein: Der Italiener isst Salat ausschließlich zum 2. Hauptgang, also zu Fisch oder Fleisch oder allenfalls als Abendessen. Der Deutsche und der Schweizer hingegen bestellen immer noch den Salat als Vorspeise oder sogar zu Pasta. Das bringt mich regelmäßig zum Schmunzeln. Egal wo man i(s)st, damit verrät sich wirklich jeder Mitteleuropäer.
S. I.: Ich danke dir für das Interview.
Hier geht es zur Rezension vom Kochbuch:
Die Rezepte meiner italienischen Mamma von Cristian Momo
Nachgekocht:
Nachgekocht vom Onlinerezept von Cristian Momo: Pasta mit Fleischbällchen, wobei ich die Eier in den Fleischbällchen gegen Ricotta ausgetauscht habe und Pinienkerne und Pistazien untergemischt habe. Kochbücher geben ja nur die Richtung für den Kreativen ...
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