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Wullefump – Die Reise ans Meer von Henry Sperling - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Wullefump – Die Reise ans Meer 

von Henry Sperling


Der erste Satz: Die Sonne tauchte den Süffelsee in helles Licht und ein paar kleine Strahlen kitzelten Wullefump in der Nase.

Ein Kinderbuch für das Erstlesealter mit einer schrägen, abenteuerlichen Geschichte. Wullefump lebt im Süffelsee, einem ziemlich großen See bei Prümpeldorf. Er sammelt am Seeboden das Zeug auf, das Menschen hineinschmeißen, einiges ist nämlich noch brauchbar, und aus den alten Autoreifen hat er sich ein Reifenlabyrinth gebaut, durch das er zusammen mit den lilafarbenen Knadderkarpfen flitzt. In der Froschlöffelbucht lässt er sich von den blubbernden Fiesmuscheln den Rücken massieren. Wullefumps bester Freund ist die Möwe Maximus, ein verfressenes Plappermaul, das sich von Pfannkuchen, Fischbrötchen, Eiswaffeln, Kuchen und anderen Dingen ernährt, die haufenweise in den Mülleimern am Seeblick herumliegen. Was für ein Tier ist Wullefump? Das weiß er selbst nicht genau. Eben Wullefump. Maximus erklärt, das sei ein Name, wie Maximus – Möwe ist bei ihr die Gattung. Und davon gibt es ganz viele. Er erklärt, es gibt viele Seen und Flüsse, das große Meer ist nicht weit entfernt. Noch nie ist Wullefump aus seinem See herausgekommen, vielleicht gibt es irgendwo anders einen von seiner Art? Nur wie soll er aus dem See herauskommen, um zum Meer zu gelangen? Maximus ist sicher, irgendwas wird ihm einfallen. Da gibt es noch Bauer Schlocke, den die Leute für verrückt halten, weil er behauptet, im See ein Ungeheuer entdeckt zu haben und lila Fische. – Was für ein Blödsinn. Eine Segelregatta und Fassbrause sind im weiteren Verlauf der Geschichte von Wichtigkeit.



Oke, ich gebe zu, ich weiß auch nicht so richtig, was er ist. Irgendwie eine Mischung aus Elch, Robbe und Fuchs in der Größe einer Kuh, die Miau macht. Also, so’ne Art Robbenelchkuhkatzenfuchs vielleicht.

Ich fange damit an, was mir gefallen hat: Die ganze Geschichte ist absolut witzig und kreativ! Die Zeichnungen sind recht bunt, knallig, was aber nicht stört, da es nur kleine Grafiken sind, die im Text eingefügt werden und so eine Wirkung erzielen. Die Darstellungen erinnern an das »Werner-Comic«, sind lustig gestaltet. Die Sprachkreativität ist fantastisch und enthält viel Sprachwitz. Ob es nun um Neuerfindungen geht wie Fiesmuscheln oder schlicht Namensfindung von Orten wie »Schnatterenten aus der Bürzelbucht«, »Froschlöffelbucht« oder um die Neuerfindung von Ausrufen und Schimpfworten. Das klingt auch alles sehr norddeutsch und authentisch, Meeresbrise liegt in der Luft. Sein eigenes Dorf verlassen, sich die Welt ansehen, schauen, was sie zu bieten hat, eine gute Aufforderung. Mit Hilfe von Freunden kann man Ideen verwirklichen, im Team kommt die Lösung, Ideen Mithilfe. Auch hier eine klare Aussage: Wenn du nicht weiterkommst, frag deine Freunde. Hilfe naht. Die Message ist in ein Abenteuer verpackt, das hat mir gut gefallen, auch die Umweltanspielungen auf die Wegwerfgesellschaft, die so ganz nebenbei ohne Zeigefinger aufgenommen werden. Durch Kreativität und Gestaltung bekommt das Buch für mich einen hohen Wert. Leider rumpelt es gewaltig in der Sprache.



Ja, und dann sagte er, dass er gerne das Meer sehen würde, um herauszufinden, wie es da wohl ist und ob es da noch andere Wullefumps gibt. Wir haben dann ausprobiert …

Die vielen Füllwörter sind mir ziemlich schnell auf die Nerven gegangen. Doch, noch, dann, ja jagten mir irgendwann Schauer über den Rücken. Es gibt ein paar Ausdrucksfehler, Rechtschreib- und Grammatikfehler, was bei der kleinen Menge an Text nicht schön ist. Die Möwe soll anscheinend einen eigenen Sprachcharakter bekommen, indem sie bei Verben das e am Ende weglässt: »hab, treff, komm«. Wenn man das macht, muss man es durchgängig anwenden. Doch Maximus spricht manchmal so, manchmal korrekt. Das ist ein Kinderbuch, eins für Erstleser! Natürlich kann man einem Charakter eine eigene Sprache geben, aber bitte nicht so, mit schlechter Umgangssprache. Kinder sollen eine richtige Grammatik lernen – hier lernen sie falsches Deutsch. Weiteres zum Thema Erstleser: »Klar, Mampffimuff, bring fi doch mal mit.« Die Möwe isst viel und redet beim Essen. Klar, ab drei Gramm wird die Aussprache bei Möwen undeutlich. Aber auch der Erstleser kommt damit nicht klar. – Es soll witzig sein, doch bitte an die Zielgruppe denken! Insgesamt ein gutes Buch. Henry Sperling hat das Kinderbuch selbst im Kleinverlag herausgebracht, seine Idee, sein Text, seine Illustration. Meine Hochachtung! Vor einer Neuauflage sollte ein Lektor über den Text gehen, jemand, der auf Kinderbücher spezialisiert ist und ein Korrektor. Dann wird es insgesamt gut. Der Verlag Schwarzweißradio empfiehlt ein Lesealter von 6 -123 Jahren. Danach ist man eindeutig zu alt für dieses Buch. Meine Empfehlung: 6-8 Jahre.


Henry Sperling ist Autor, Maler, Illustrator, Filmemacher, Produzent, Verleger und Musiker. Henry ist an der Ostsee in der DDR aufgewachsen, war dort im Leistungskader der Segler. In der Sportschule wunderte er sich über schwergewichtige Schwimmerinnen mit tiefen Stimmen und mit sechzehn stieg er aus dem plagenden Leistungs- und Kaderleben aus und erlernte den Beruf des Elektromechanikers. Später baute er ein eigenes Tonstudio auf, um als selbstständiger Produzent für Musik, Radio und TV zu agieren. Er war sieben Jahre lang – gemeinsam mit seinen Teambrüdern Jens Böttcher und Karsten Deutschmann - verantwortlich für die kultige Miniserie „Neulich im Bundestag“ bei Extra3 (ARD/NDR), in der er unter anderem Angela Merkel seine Stimme verlieh. Mit ihnen gründete er das »Schwarzweißradio«, das Hörbücher und Bücher verlegt (Eigenproduktionen), sowie Hör- und TV-Produktionen anbietet.

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