Rezension
von Sabine Ibing
Wenn Prinzen fallen
von Robert Goolrick
Der Anfang: Wenn man ein Streichholz anzündet, brennt es in der ersten Nanosekunde heller, als es das in der Folge tun wird. Dieses erste Aufglühen. Dieses plötzliche helle Aufglühen wie ein Blitz. Wir schrieben das Jahr 1980, und ich war das Streichholz, und es war das Jahr, in dem ich lichterloh brannte.
Prinzen der Wallstreet
Der ehemals erfolgreiche Rooney, der sich und seinesgleichen als Abschaum der Gesellschaft bezeichnet, der reichen Gesellschaft, gibt hier seine Lebensbeichte zu Protokoll. Er redet von ich und wir, spricht den Leser direkt mit du an. - Absolution erhält er von mir nicht. Denn am Ende ist keine Reue spürbar, das ganze Buch ist ein einziges Gejammer und ein Abgesang auf sein altes Leben.Rooney gehörte zu den Wölfen, zu den Prinzen der Wallstreet. Er ist ein erfolgreicher Trader. Er interessiert sich insofern nur für seine Kunden, um zu erforschen, womit er imponieren kann, sie einwickeln, schleimt sich ein, erniedrigt sie: es geht um Macht. Der Kunde ist Dreck, Zweck, um an das große Geld zu kommen. Hier wird nicht beraten, sondern verarscht, der Kunde muss den Knochen kaufen, der dem hechelnden Hund vorgehalten wird. Am besten sind die Anlagen, von denen man heute schon weiß, dass sie morgen abschmieren, dann hat der Trader doppelt verdient. In dem Buch erfahren wir nichts von der Wallstreet, nichts über Geschäfte, außer das, was ich eben erwähnte. Das war mir zu wenig, um zu verstehen. Rooney erklärt uns, wie hart die Jungs gearbeitet haben, kaum Schlaf, dafür viel Koks und Alkohol und natürlich Sex. Das Leben besteht aus Arbeit, Drogen und Nutten. Irgendwann heiratet man eines dieser Wallstreetmädchen: superschön, hochgebildet und steinreich von Haus her. Dieses Mädchen heiratet auch zum Zweck. Irgendwann nimmt sie dir alles weg, was du besitzt und du nimmst eben die nächste. Sie wird Milliardärin durch weitere neue Heirat und Scheidung und die armen Wallstreetjungs fallen irgendwann um, überarbeitet oder springen aus dem Fenster. Rooney wird aus der »FIRMA« entlassen, und an diesem Tag verlässt ihn seine Frau, reicht die Scheidung ein, nimmt ihm alles weg.
Wir hassten die Dinge, die wir tun mussten, um diese lächerlich hohen Summen Geldes anzuhäufen. Blödes Geld nannte es Fanelli. Selling long. Selling short. … Wir brachten die Leute dazu, all ihr Geld auf eine Aktie zu setzen, von der wir wussten, sie würde zuerst einen Riesensprung machen und dann abstürzen wie ein Papierflieger. Solange die FIRMA mit diesem Riesensprung Geld machte, war alles ok.
Exzesse, Geld, Drogen, Sex
Das Buch beginnt mit dem Fall. Rooney ist zu Beginn bereits Buchhändler, abgestiegen in ein Loch, er war mal ganz oben, ein Prinz. Er berichtet vom alten Leben: Geld spielt keine Rolle, man kauft alles, was man will, was man meint zu brauchen: Drogen, Sex, Häuser, Autos, Ehefrauen, teuerste Kleidung, handgenähte Schuhe, speist in feinsten Restaurants. Dabei geht man mit Menschen um wie mit Sklaven. Alles unter dir ist Dreck, Angestellte, Kunden, Servicepersonal. Man sch… verächtlich auf den Dreck der Welt und lässt Dollarnote fliegen. Vorm Chef der »Firma« kriecht man so, wie man andere vor sich kriechen lässt, lässt sich anschreien, ohrfeigen, ist selbst nur Dreck. 287 Seiten in Wiederholungsschleife immer die gleiche Geschichte: Exzesse, Geld, Drogen, Sex. Mancher hält den Stress nicht aus und einer der Freunde von Rooney, ein Homosexueller, bringt sich um, weil er AIDS hat, nicht die Schande der Familie sein will, die er sowieso schon ist. Doppelte Moral Amerikas in alle Richtungen. Nichts Neues erzählt in diesem Buch.Und so kam es nie mehr vor, dass ich einem Mädchen meine Telefonnummer auf den Busen schrieb. Eins nach dem anderen verlierst du alles, bis dir nur noch der Elektroschock deines nüchternen Lebens bleibt. Ein Leben ohne Freunde, ohne Geld, ohne Personal Trainer, ohne junge Gräfinnen, die unter deiner Obhut stehen. Und niemand hat mich seither Billy Champagne genannt.
Man könnte fast Mitleid bekommen. Gejammer, was nicht mehr ist … Man hätte eine Abrechnung mit dem Kapitalismus erwartet, ein Einsehen, Läuterung. Der arme Rooney bringt es nicht mehr fertig, ans Meer zu gehen, weil ihn die Erinnerung plagt an das riesige Haus am Meer, das einst ihm gehörte, das seine Frau genommen hat, die auch die Konten plünderte, alles weg. Er gönnt es ihr. Rooney zählt alles auf vom Schal bis zu Socken, von Preis bis zu Marken, was er einmal sein Eigentum nannte.
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