Direkt zum Hauptbereich

Wanderer zwischen den Welten von Caroline Ring - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Wanderer zwischen den Welten 


von Caroline Ring

Die Stadt aus der Vogelperspektive


Nachtigall ick hör dir trapsen … das wäre typisch für Berlin. Halsbandsittiche finden wir im Rheinland, Nilgänse in Frankfurt und dank dem Bemühen einer Frau sind die Mauersegler immer noch in Weimar ansässig: Die Vogelwelt in den Städten verändert sich. Menschen vernichten Lebensräume und schaffen andernorts neue. Wie unter einem Brennglas lässt sich in Städten beobachten, was es bedeutet, dass der Mensch den Lebensraum für andere Organismen formt.


Städte müssen sich nicht zwangsläufig zu naturfeindlichen Räumen entwickeln. Wir alle können einen Beitrag dazu leisten, dass sich Tiere und Pflanzen auch in einem dicht besiedelten, urbanen Umfeld wohlfühlen. Das fängt bei Parks und Grünanlagen an, die einfach ein bisschen weniger gepflegt sein müssten, als es der menschliche Sinn für Ordnung verlangt. Das betrifft Architekten, die mit wenig Aufwand Nistkästen bei der Planung von Gebäuden berücksichtigen könnten.



Apus apus, der Fußlose – bekannt als Mauersegler, hat sehr wohl Füße, wenn auch kleine, versteckte, mit denen er nur watscheln kann. Sie können sich damit auf keinem Ast halten, aber dafür an Felsen klettern, oder an Häuser. Haben sie einmal ein Nest gebaut, kommen sie jedes Jahr wieder zurück, schmeißen eventuelle Untermieter heraus. Wozu in Felsen brüten, wenn der Mensch so wunderbare Häuser mit Nischen zur Verfügung stellt, in denen man sich geschützt ansiedeln kann. Wären da nicht die Renovierungsarbeiten, bei denen die Menschen genau diesen Wohnraum zerstören. Kehren die Vögel aus dem sonnigen Süden zurück, hat man sie hinterrücks für die Tür gesetzt. Hoffentlich finden sie im Quartier einen passenden Platz, etwas Neues zu bauen. Helga Brunnemann in Weimar bemerkte genau dieses Desaster. Sie setzt sich dafür ein, Nistkästen für Mauersegler zu schaffen, damit die Vögel in Weimar nicht verschwinden.




Aber eigentlich können alle Menschen, die in Städten leben, etwas tun. Auf Balkone, in Gärten und auf Fensterbretter gestellte insektenfreundliche Pflanzen bieten indirekt auch den Vögeln Nahrung.


Höckerschwäne von Hamburg haben etwas mit der Hanse zu tun, ein Grünspecht treibt in Mainz sein Unwesen; man bekämpft ihn mit Spechtattrappen. Nilgänse in werden in Frankfurt am Main gejagt, weil die aggressiven Tiere die heimischen Vögel vertreiben. Haubenlerchen in Güstrow; Spatzen verschwinden aus dem Münchner Zentrum; ausgebüchste Halsbandsittiche verbreiteten sich in Köln (auch in anderen Städten), das sie zu ihrer Hauptstadt auserkoren haben; in Hildesheim rettet man Uhuküken. Die meisten Vögel finden wir in Berlin und es ist das Revier der Nachtigall. Taubenhasser gegen Taubenschützer, was ist dran? Caroline Ring bereiste zwölf Städte in Deutschland und offeriert hier jeweils einen besonderen Vogel. Sie passen sich den Lebensbedingungen an und vermehren sich unter guten Bedingungen, und mancherorts ziehen sie sich zurück. Was sind die Gründe? Wir lernen einiges über die Vogelwelt, humoristisch angereichert mit Anekdoten. Jedes Kapitel wird von der Autorin mit einer passenden Illustration eingeleitet und am Ende gibt es eine Karte zu den Besuchen. Ein erzählendes Sachbuch, das uns die Vogelwelt in den Städten näherbringt. Nature Writing im städtischen Lebensraum. Empfehlung!



Caroline Ring bereist das Land auf den Spuren seiner Vögel und erzählt ihre bedeutendsten Geschichten: vom Verschwinden der Spatzen bis zur Rückkehr der Mauersegler. Die Biologin zeigt, wie das Zusammenleben von Mensch und Tier funktioniert – und warum wir einander brauchen.



Caroline Ring
Wanderer zwischen den Welten
Was Vögel in Städten erzählen
Sachbuch, erzählendes Sachbuch, Vögel, Natur
Hardcover 288 Seiten
Berlin Verlag, 2022




Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige . «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille , zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Dunkle Sühne von Karin Slaughter

  Gesprochen von NinaPetri  Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 19 Stunden und 55 Minuten  Willkommen in North Falls - einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt. Das glauben zumindest alle. Bis zum großen Feuerwerk am 4. Juli . Als in dieser Nacht zwei Teenager-Mädchen verschwinden, ist die Stadt in Aufruhr. Für Deputy Emmy Clifton wird der Fall zur Bewährungsprobe – beruflich und persönlich, ihr Vater ist der Sheriff der Kleinstadt. Eines der vermissten Mädchen ist die Tochter ihrer besten Freundin, und Emmy weiß, dass sie sie nach Hause bringen muss, um eine alte Schuld zu begleichen. Doch je tiefer Emmy in die Ermittlungen eintaucht, desto stärker wird ihr bewusst, dass hinter den vertrauten Gesichtern der Kleinstadt dunkle Abgründe lauern. Ein klasse Auftakt für eine Serie,  Copkrimi , Whodunnit , ein düsterer, stimmungsvoller literarischer Krimi aus den ländlichen Südstaaten, gut aufgebaute Charaktere, toxische Männlichkeit , Spannung, Familiendramen, Wendun...

Rezension - Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

  Ein atmosphärisch dichter und spannender Schweden-Krimi von Hans Rosenfeldt, bekannter Krimiautor und Drehbuchautor (skandinavische TV-Serie «Die Brücke», britische Fernsehserie «Marcella» über Netflix) erwartet uns mit dem Auftakt einer neuen Serie. Die Erwartungen waren hoch. Rosenfeldt hat geliefert. Die Kleinstadt Haparanda, nahe der finnischen Grenze, wird zufällig zum Schauplatz eines Drogendeals. Wer hat die Drogen und das Geld, wer wird sie am Ende bekommen? Der einzige der durchblickt, ist der Leser – Dank Mehrperspektivität. Denn alle Protagonisten tappen im Dunkeln – wissen nichts voneinander. Ein komplexer und spannungsreicher Thriller! Weiter zur Rezension:    Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Aggie und der Geist von Matthew Forsythe

  Aggie freut sich darauf, endlich in ihr eigenes Haus einzuziehen – bis sie feststellt, dass dort bereits ein Geist wohnt. Das Zusammenleben läuft mehr schlecht als recht; nirgendwo hat sie ihre Ruhe. Also stellt Aggie Regeln auf. Doch der Geist hält sich leider nicht gerne an Regeln, bricht sie alle. Aggie fordert ihn völlig entnervt zu einem Wettkampf in Tic-Tac-Toe heraus – wer gewinnt, bekommt das Haus. Ein herrliches Bilderbuch an 4 Jahren, das mit viel Humor geschrieben ist und eine Menge Diskussionen zum Zusammenleben bietet. Weiter zur Rezension:    Aggie und der Geist von Matthew Forsythe