Direkt zum Hauptbereich

Tomaten von Kat Menschik - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing



Tomaten 


von Kat Menschik

Illustrierte Lieblingsbücher, Band 13


Kat Menschik ist eine leidenschaftliche Gärtnerin und Tomaten sind ihr Lieblingsgemüse. Es gibt über 3.000 Sorten, berichtet sie im Vorwort. Rund, oval, rot, gelb, lila, manche ähnelt mitunter einem Herzen – so unternimmt sie einen Streifzug durch die wichtigsten Sorten. Von Adora über Besser, Blaue Ananas, König Humbert, Ochsenherz, Orange Rusian, Rosa Oma, Tiflis Rosa bis hin zur Zahnradtomate. 




500 Jahre Tomaten in Spanien und damit in Europa. Ob es denn ganz genau 500 Jahre sind, sei mal dahingestellt, aber so in etwa kommt das hin. 1521, fielen die spanischen Truppen unter Hernán Cortés in die Azteken-Hauptstadt Tenochtitlan ein, sie metzelten circa acht Millionen Eingeborene nieder, steckten die Stadt in Brand. Wer das ganze überlebte, starb an den eingeschleppten Pocken, Grippe und anderen Geschenken, die Kolonialherrscher mitbrachten. Nichts, worauf die Spanier heute stolz sind. Doch die Entdeckung Amerikas brachte auch ihnen neues Gemüse ins Land: Erdnüsse, Mais, Paprika und vor  allem «xictomatl», wie es die Azteken bezeichneten, die Tomate. Mit den ersten grünen Dingern konnte niemand etwas anfangen. Missionare begeben sich bekanntlich unter gern das Volk. Und so erfuhr der Franziskaner Bernardino de Sahagún 1521 auf dem Markt, dass es derer viele Arten und Farben gäbe, und unlautere Händler würden Ausländern «unreife oder verdorbene Früchte» andrehen. In den «Crónicas de Indias» wird berichtet, dass diese «Tomate» von den Azteken zum Abschmecken von Eintöpfen und Saucen benutzt werde, um sie zu säuern. Der katholischen Kirche war das heidnische rote Ding nicht ganz geheuer und so behauptete man, die Pflanze sei toxisch. Sie landete zunächst als Zierpflanze in den Gärten. Unglaublich, aber wahr, was die katholische Kirche so verbreitete: Linsen würden den Charakter verderben, Tomaten die Gesichtsfarben entstellten und Auberginen die schwangeren Frauen krank machen. Alles Hexenzeug, was aus dem neuen Land angeschleppt wurde! Später zog die Tomate doch in die spanische Küche ein, hauptsächlich zu Soße verarbeitet: «tomate frito». Die sogenannte spanische Soße adaptierten die Sizilianer, die Makkaroni mit Parmesan aßen. Diese schmackhafte Sugo gab der Pasta den letzten Pfiff – übrigens war das damals Streetfood, bzw. Fingerfood. Das Sufrito ist in Spanien und Italien ist heute eine Grundlage für viele Soßen und Suppen, in Spanien füllen Flaschen mit «tomate frito» ganze Wände in Supermärkten – eine grauenhafte Industriepampe. Die Artenvielfalt bei den Tomaten schrumpfte leider mit der Industrialisierung stark. Doch dank der Großstadthipster und Kleingarten-Experimentierer eroberten die alten Sorten plötzlich die Wochenmärkte, und Artenvielfalt ist wieder auf dem Vormarsch. Und genau darum geht es in diesem Buch! Nur, was soll lange über Zeichnungen schwatzen ...



69 Seiten sind je einer Tomatensorte gewidmet. Der Namen der Sorte (von A – Z geordnet) steht unter der gemalten Frucht, die in den Größenverhältnissen zueinander stimmig sind. Unter den Grafiken vermerkt ein kurzer Kommentar etwas über Geschmack, Verwendung oder worauf man beim Anbau achten sollte. Kat Menschik zeigt uns die Vielfalt der Pflanze und inspiriert uns, neue Sorten zu entdecken. Tomate ist ja nicht unbedingt ein rundes oder eierförmiges, rotes Ding! Von quietschgelb, orange, wassermelonenrot bis rosé, tomatenrot, lila bis schwarz – von johannisbeergroß bis zur Größe eine Stachelbeere, einer Aprikose eines Apfels, rund oval, herzförmig, faltig – die Tomate hat nicht nur optisch viele Gesichter. Ein künstlerisches Werk zur Inspiration, etwas Neues zu decken, auszuprobieren – oder schlicht eine Hymne auf die Tomate. Ich hatte ehrlich gesagt etwas mehr erwartet. Nette Illustrationen mit kleinen Infos – aber wer etwas über Tomaten erfahren will, liegt hier eher falsch. 




Kat Menschik ist freie Illustratorin. Ihre Reihe Lieblingsbücher gilt als eine der schönsten Buchreihen der Welt. Zahlreiche von ihr ausgestattete Bücher wurden prämiert. Zuletzt erschienen dort u.a. Kat Menschiks und des Diplom-Biologen Doctor Rerum Medicinalium Mark Beneckes Illustrirtes Thierleben (2020), Mitte (2021), Djamila (2022) und Tomaten (2022). 



Kat Menschik
Tomaten
Illustrierte Lieblingsbücher, Band 13
Gemüse, Tomaten, Kunst, Illustrationen
Hardcover, 80 Seiten
Galiani Verlag; Kiepenheuer & Witsch, 2022




Kreative, künstlerische Seite

Auf dieser Seite stelle ich euch Bücher vor, die im weitesten Sinn mit Kreativität zu tun haben. Kunst. Kochen und das Schreiben haben eine eigene Seite erhalten.
Kreative, künstlerische Seite


Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension -MENSCH!: Eine Zeitreise durch unsere Evolution von Susan Schädlich, Michael Stang und Bea Davies

  Die Entstehungsgeschichte der Menschheit als spannende Comic-Sachgeschichte präsentiert – lehrreich und humorvoll verpackt! Woher kommen wir? Wer waren unsere Vorfahren? Und ab wann lernten sie, mit Werkzeugen umzugehen? Diese Graphic Novel nimmt uns mit auf eine Zeitreise durch die Evolution der Menschen, indem wir ihnen sozusagen hautnah begegnen. Wissenschaft meets Comic, Historische Fiction – Sachkinderbuch ab 10 Jahren, über die Evolution der Menschen – klasse gemacht! Empfehlung auch als Unterrichtsmaterial! Weiter zur Rezension:    MENSCH!: Eine Zeitreise durch unsere Evolution von Susan Schädlich, Michael Stang und Bea Davies

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

  Ein herrlich spaßiger, spannender Kinderkrimi! Mit Papa und seiner neuen Flamme in die Berge zum Wandern oder zu Oma Lore. Keine Frage! Bei der fetzigen Lore ist es immer lustig. Jetzt sitzt Pia aber seit über einer Stunde auf dem Bahnhof, ohne dass Oma sie abgeholt hat. Sehr seltsam. Omas Haus ist nicht weit entfernt; und so macht sich Pia mit ihrem Rollkoffer auf den Weg. Niemand öffnet die Tür! Durch ein offenes Fenster gelangt sie hinein. Doch Oma bleibt verschwunden. Die Detektivarbeit beginnt … Ein Pageturner, ein Kinderroman, eine waschechte Heldenreise, ein rasanter Abenteuerroman und nervenkitzelnder Kinderkrimi ab 8-10 Jahren. Unbedingt lesen!  Weiter zur Rezension:   Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v

Rezension - Spanischer Totentanz von Catalina Ferrera

Der erste Barcelona-Krimi, »Spanische Delikatessen«, von Calina Ferrera hatte mir als Hörbuch gefallen: leichte Story mit Lokalkolorit, feiner Humor, spannende Geschichte. Leider konnte mich der zweite Band nicht überzeugen. Weder Spannung noch ein Gefühl für die Stadt kam auf. Touristische Beschreibungen und Restaurantbesuche lähmen eine durchschaubare Kriminalgeschichte, die die Mossos d’Esquadra auf den Cementiri de Montjuïc und die Zona Alta führt. Weiter zur Rezension:    Spanischer Totentanz von Calina Ferrera

Rezension - Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter

  Eine türkische Familiengeschichte, die mit der Urgroßmutter und der Großmutter einleitend beginnt. Die nächste Generation wandert nach Deutschland aus – das gelobte Land, wo Milch und Honig fließt. Der Traum, den viele «Gastarbeiter» träumten: Arbeiten, viel Geld verdienen, nach Hause zurückkehren und ein Haus bauen. Und dann wurden aus den Gästen Einwohner. In Deutschland die Türken – in der Türkei die Deutschen – entwurzelt, nirgendwo wirklich zu Hause. Eine Familie, die sich bemüht hat, sich zu integrieren. Ein Zwiegespräch zwischen Sohn und Mutter – zwei völlig verschiedene Generationen, aber auch eine Abrechnung mit der deutschen Gesellschaft und eine mit dem Heimatland und dem Machismo, mit der Erniedrigung der Frauen. Ein hervorragender Gesellschaftsroman, ein Bildungsroman über Migration, Rassismus und Misogynie – meine Empfehlung! Weiter zur Rezension:     Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter