Direkt zum Hauptbereich

Tödliche Algarve von Carolina Conrad - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Tödliche Algarve 


von Carolina Conrad


Der Anfang: 

Ein Geräusch. Laut. Ein Knall? Mitten in der Nacht? Schlaftrunken setzt sie sich in ihrem Schlafsack auf, fährt sich mit den Handrücken über die Lider. Das Mondlicht


Ein einsamer Wanderweg. Ein Knall, dann Stille. Tödliche Stille. Auf einem uralten Pilgerweg verschwinden innerhalb kurzer Zeit drei Wanderer. Für Chefinspektor João Almeida besonders heikel: Eine der Vermissten ist seine Halbschwester Liliana. Die Leiche einer jungen Britin wird gefunden, von Wildschweinen verstümmelt. Das Wort Mord wird zunächst verboten, denn es könnte ein Jagdunfall gewesen sein, entscheidet der Staatsanwalt. Zu wichtig ist der Wandertourismus für das ländliche Hinterland der Ostalgarve. Kurz danach wird unweit der ersten Leiche eine weitere gefunden, ein Deutscher. Doch einen Messerstich im Bauch kann man nicht mehr abtun. Zwei Ausländer ermordet auf dem Pilgerweg – jetzt ist Vorsicht geboten in der Ermittlung. 


Ein Jagdunfall?


Ganz ehrlich, das hatte was, dieses Wandern. Sogar allein. Besonders allein. Wer hätte das gedacht? Mit jedem Meter, den ich lief, wurde mein Kopf freier. So ähnlich wie beim Joggen. Aber mit einem Unterschied, und der gefiel mir sehr: Statt meines eigenen Keuchens hörte ich den Atem der Natur.


Almeida übernimmt die Ermittlungen und bittet seine Freundin, die deutsche Journalistin Anabela Silva, um Unterstützung beim Übersetzen. Denn die Portugiesin ist in Deutschland aufgewachsen, in die Ostalgave zurückgekehrt, um ihre betagten Eltern zu unterstützen, die als Senioren heimkehrten. Zwei Tourist:innen, die auf dem Wanderweg zu Tode kamen – ein Jagdgewehr, ein Jagdmesser. Die Jäger geraten in Verdacht. Die Via Algarviana ist ein gut dreihundert Kilometer langer Wanderweg durch das Hinterland der Algarve. Fast unberührte Landschaften, jahrhundertealte Schafspfade und mozarabische Pilgerwege … Am Ende steht man am Cabo de São Vicente und damit an der Südwestspitze Europas. Ursprünglich war Mértola im benachbarten Alentejo der Ausgangspunkt des Pilgerweges, heute ist es der Ort Alcoutim. Ist ein Serienmörder hier unterwegs? Oder ist es ein Fememord? Denn der Tote hatte eine rechtsextreme Vergangenheit, war später als Spitzel für den Verfassungsschutz tätig und wahrscheinlich aufgeflogen. Die Frau war möglicherweise zufällig eine Zeugin – ein Kollateralschaden … Aber wie passt Almeidas Halbschwester dort hinein – auch hier gibt es Querverbindungen zu beiden Opfern. 


Und dann war die Spannung war weg

Der Chefinspektor hält dem Team zunächst zurück, dass auch seine Schwester verschwunden ist, weil man ihm sonst den Fall abnehmen wird. Denn die scheint lediglich ihrer Beziehung entflohen zu sein – aber wer weiß das schon? Hatte sie ein Verhältnis mit der Engländerin angefangen? Das passt alles nicht zusammen. Anabela recherchiert derweil in eine andere Richtung; denn der Tote war Ingenieur bei einer Solarfirma, die Solarfelder anlegt. Vielleicht gab es hier Probleme. Gut, der Lesende weiß mehr durch den Anfang der Geschichte und leider kommt es genauso, wie man ahnt, wie sich im weiteren Verlauf der Täter selbst entlarvt. Es gibt auch ein paar kleine Logikfehler und der Spannungsverlauf bleibt irgendwann auf eine Nulllinie hängen. Bis knapp zur Mitte hatte mir der Krimi gefallen. Aber dann hakte er fest, drehte sich im Kreis, und die Spannung war weg. Es kam, wie es kommen musste, kein Red Hering, oder andere Kniffs, so zieht man sich die eigene Spannung aus dem Plot. Der Versuch, das mit einer Actionszene am Ende zu retten, entwickelte sich eher zur lame Duck. Atmosphärisch ist der Krimi der Unterhaltungsliteratur gut geschrieben, in der Figurentiefe ist noch Luft nach oben. Eine Menge Themen werden oberflächlich angekratzt, aber war wirklich das Thema? Mir fehlte insgesamt die Tiefe, die Message, die sich mir nicht aufgetan hat. Warum haben diese Regio-Krimis alle diesen banalen Titel: Tödliche/s … Weil sie letztlich keinen Inhalt haben?


Carolina Conrad ist das Pseudonym der aus dem niedersächsischen Oldenburg stammenden Autorin Bettina Haskamp. Die gelernte Journalistin hat ihre Basis in Hamburg, lebt aber seit mehr als zwölf Jahren in Portugal. Anfangs auf einem selbstgebauten Segelboot, inzwischen in einem kleinen Holzhaus im Hinterland der Ostalgarve. In der zweiten Heimat entstanden Bestseller wie «Alles wegen Werner» und «Hart aber Hilde». Nun legt sie den dritten Band ihrer beliebten Portugal-Krimireihe um die deutsch-portugiesische Journalistin Anabela Silva vor. Für Detlef



Carolina Conrad 
Tödliche Algarve 
Krimi, Regio-Krimi, Kriminalroman, Kriminalliteratur, Portugal, Algave
Taschenbuch, 288 Seiten 
Rowohlt








Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz Karnauchow und Petra Thees

  Alter könnte so schön sein. Doch ältere Menschen werden in unserer Gesellschaft diskriminiert. Schlimmer noch, sie denken sich alt und grenzen sich selbst aus, sagen die Autor:innen. Das hat Folgen: Krankheit und Gebrechlichkeit im Alter gelten als normal. Altenpflege folgt daher dem Prinzip «satt, sauber, trocken». Und genau dieses Prinzip kritisieren Dr. Petra Thees und Lutz Karnauchow und gehen mit ihrem Ansatz neue Wege. Dieses Buch stellt einen neuen Blick auf das Alter vor - und ein radikal anderes Instrument in der Altenpflege. «Coaching statt Pflege» lautet die Formel für mehr Lebensglück im Alter. Ältere Menschen werden nicht nur versorgt, sondern systematisch gefördert. Das Ziel: ein selbstbestimmtes Leben. Bewegung, Physiotherapie und Sport statt herumsitzen! Ein interessantes Sachbuch, logisch in der Erklärung, ein mittlerweile erfolgreiches, erprobtes Konzept. Weiter zur Rezension:    Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz...

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Helisee - Der Ruf der Feenkönigin von Andreas Sommer

  Im 10. Jahrhundert gehört der westliche Teil der heutigen Schweiz zum Königreich Birgunt, erzählt uns diese Geschichte. Es ist eine wilde Gegend voller Wälder und Sümpfe, wo viele Menschen noch im Glauben an die alten Götter und Geister leben. Die Mauren greifen das Land an. Die Königin Bertha schützt das Land tapfer gegen räuberische Einfälle der mediterranen Mauren. Als der Hirtenjunge Ernestus, den die Leute im Dorf Erni nennen, einer ausgerissenen Ziege in den Wald folgt, überschreitet er unabsichtlich die Grenze des verrufenen Landstriches Nuithônia, dem Land der Feen. Seit Menschengedenken ist es verboten, dieses Gebiet am Fuß der Alpen zu betreten. Und er findet dort einen besonderen weißen Kiesel … Ein epischer Roman der High Fantasy, ein wenig Schweizer Sagenwelt, gut zu lesen. Weiter zur Rezension:    Der Ruf der Feenkönigin von Andreas Sommer

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt 

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Die Legende von John Grisham

  Die Schriftstellerin Mercer Mann wird auf ein Drama aufmerksam, das sich quasi direkt vor ihren Augen abspielt: Ein skrupelloses Bauunternehmen will eine verlassene Insel zwischen Florida und Georgia bebauen, ein Touristenparadies mit Hafen, Golfplatz, Spielcasino, Hotels, Villen, Apartmenthäusern – ein Luxusreservoir. Lovely Jackson, die letzte Bewohnerin der Insel hingegen behauptet, die Insel gehöre ihr, als letzte Nachfahrin der entflohenen Sklaven, die dort seit Jahrhunderten gelebt haben. Sie will das Naturparadies aufrechterhalten, die Gräber ihrer Vorfahren pflegen. Die Geschichte der Sklaverei, verbunden mit einem Gerichtsurteil im Jetzt. Kann man lesen, aber nicht der beste Grisham. Weiter zur Rezension:    Die Legende von John Grisham

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore