Rezension
von Sabine Ibing
Schwarz. Rot. Müll
von Michael Billig
Die schmutzigen Deals der deutschen Müllmafia
Der Anfang: Müll ist nichts, was man in Deutschland einfach wegwirft. Müll wird gesammelt, gewogen, beprobt, sortiert und verwertet.
Deutschland, der Recycling-Weltmeister als heimlicher Umweltsünder? Vorbildliche Entsorgung durch Mülltrennung, kein Volk trennt seinen Abfall so akribisch wie die Deutschen. Aber wohin verschwindet der Müll? Der Investigativ-Journalist Michael Billig hat recherchiert. In Deutschland hat sich eine Schattenwirtschaft etabliert, deren Gewinnmargen höher sind als im Drogenhandel. Die Unternehmen, die daran beteiligt sind, arbeiten teils Hand in Hand, immer wieder tauchen die gleichen Namen auf. Sie täuschen eine fachgerechte Entsorgung vor, doch hinter den Kulissen durchmischen sie Abfall, fälschen Zertifikate und Lieferscheine, manipulieren Laborergebnisse und Bilanzen. In akribischer Feinarbeit hat Michael Billig Zusammenhänge erarbeitet, Wege verfolgt, deren Netz sich über die gesamte Republik spannt.
In der Branche heißt es, Müll sucht sich das billigste Loch. Die deutsche Müll-Mafia hat es im eigenen Land gefunden.
Das Problem sitzt im System selbst.
Da die Täter sich untereinander kennen, es Vernetzungen gibt, flötet der Flurfunk gleich weiter, wo sich die nächste tiefe Kuhle auftut, in die man seinen Dreck abladen kann. 2005 wurden die bis dahin üblichen Hausmülldeponien verboten, da sie die Böden und das Klima massiv kontaminierten. Mit der sorgsamen Trennung und Entsorgung von Müll, für die viel Geld bezahlt wird, entwickelte sich so etwas wie eine Müll-Mafia. Das Problem sitzt im System selbst. Hier wird in erster Linie Papier geprüft. In den Ämtern werden zuständige Angestellte bestochen, die das Ganze deckeln und Prüfungstermin vor Ort weitergeben. Auch diese Überprüfung läuft optisch - oberflächlich. Der Betrug wird durch die lasche Überprüfung fast herausgefordert. Wird mal einer erwischt, sind die Strafen milde. Im Prinzip alles nichts Neues. Und solange der Staat schläft, nicht unabhängig und systematisch prüft, kontrolliert und bewertet, solange die Strafen dem Überfahren einer roten Ampel mit erhöhter Geschwindigkeit ähneln, wird sich nichts ändern. 130 illegale Abfalllager und schwarzen Deponien nur allein im Bundesland Brandenburg konnte der Journalist aufdecken. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Überall im Land schlummern illegale Deponien, die das Grundwasser verseuchen. Es ist in der Tat an der Zeit, die Ämter mit qualifiziertem Personal auszustatten, um diesen Dreck zu stoppen. Das Buch zu lesen ist anstrengend. Michael Billig hat hier akribisch alle genauen Wege und Beteiligten aufgeführt, Schritt für Schritt – der Text gleicht teilweise einem Polizeibericht, der jedes einzelne Auto, jede Straße aufführt. Um die Problematik zu beschreiben, hätte man auch mit weniger detaillierter Einzelheit auskommen können, dabei lieber einen erzählerischen Sound anschlagen können. Der Inhalt ist gut, keine Frage – die Umsetzung hat mir nicht so gut gefallen.
Das ist das Müllaufkommen, das allein in einer Stadt wie Hannover in einem Jahr anfällt, und das wird einfach in eine Kiesgrube geschoben.
Michael Billig, geb. 1978 in Weimar, studierte Kommunikationswissenschaften, Kunstgeschichte und Ethnologie. Die Beiträge des Umweltjournalisten sind u.a. in »WirtschaftsWoche«, »enorm«, »Potsdamer Neueste Nachrichten«, »natur« und »bild der wissenschaft« erschienen. Seit 2015 recherchiert er über illegale Deponien in Deutschland und ist Co-Autor mehrerer Fernsehbeiträge zu diesem Thema (»NDR«, »RBB«, »RTL«). Seit 2017 schreibt er seinen Blog: muellrausch.de.
Schwarz. Rot. Müll
Die schmutzigen Deals der deutschen Müllmafia
Sachbuch, Umweltpolitik, Illegale Müllverklappung
Klappenbroschur, 240 Seiten
Herder Verlag, 2019
Sachbücher
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