Direkt zum Hauptbereich

Eckart Witzigmann – Was bleibt von Christoph Schulte

Rezension

von Sabine Ibing


Eckart Witzigmann – Was bleibt 
von Christoph Schulte

Zwei Bände im hochwertigen Leinenschuber


Für Spiegeleier, die ihrem ursprünglichen Namen ‹Ochsenaugen› ... geschmacklicher Sicht ist das ideale Fett zum Ausbacken Butter, .... Auch das Ei liebt es nicht, wenn es zu schnell gegart wird, sondern möchte seine Metamorphose zum Frühstücksspiegelei allmählich vollziehen. Lassen Sie also ein nussgroßes Stück Butter langsam auf kleiner Flamme zergehen und schlagen Sie das Ei so hinein, dass der Dotter schön in der Mitte der Pfanne zu liegen kommt. Für die Länge der Garzeit gilt als Faustregel, dass das Eiweiß gestockt sein sollte, während der Dotter unbedingt weich und glasig bleiben muss.

 

GEFÜLLTER ARTISCHOCKENBODEN MIT GAMBAS


In dieser zweibändigen Buchausgabe präsentiert der Eckart Witzigmann seine Lebenserinnerungen und seine berühmtesten Klassiker: Gerichte, mit denen Kulinarik-Geschichte geschrieben wurde! Er ist ein Pionier und Visionär, der die Welt der Kulinarik wie kaum ein anderer Koch geprägt hat. Er etablierte die Nouvelle Cuisine im deutschsprachigen Raum und begründete damit eine neue Schule des Kochens. Zu seinen mittlerweile selbst berühmten Schülern zählen Starköche wie Harald Wohlfahrt, Hans Haas und Roland Trettl. Im ersten Band lässt der Sternekoch Revue passieren: Was ihm wichtig war. Wichtig ist. Und wichtig bleibt. Im zweiten Band, dem dickeren, präsentieren seine Schüler die Witzigmann-Rezepte neu und ergänzen eine eigene Neukreation als Hommage an das Werk des Meisters.


«WILD & FREI» REHHAXERL, STEINPILZE & NÜSSE


Was ich sagen will: Es muss nicht immer Hummer oder Wagyu-Fleisch sein. Es geht auch mit vermeintlich ganz einfachen Lebensmitteln, sich völlig dem Genuss zu verschreiben. Man muss deren Herrlichkeit nur erkennen.

 

HECHTNOCKERL AUF BLATTSPINAT


Es kommt auf die Qualität an, erklärt Witzigmann, ein Butterbrot mit Schnittlauchröllchen kann ein hoher Genuss sein, wenn Brot und Butter im Charakteristikum stimmen. Sein Leben war eine «gigantische Schlemmertour», aber alles das, was seine Mutter aus altem Brot zauberte, ihre Kartoffelsuppe am Waschtag, genau das gehört für ihn genauso zu den den Highlights des Kulinarischen. Erinnerungen an seinen Lehrherrn Paul Bocuse, an die Zeit der Entschlackung der Nouvelle Cuisine – hin zum guten Produkt, Gedanken an die Kindheit, die Schlichtheit des guten Geschmacks, gastronomische Strömungen, ein Wort zu Gourmetführern und zu Kritikern, zu Internet-Blogs, Anekdoten und Rückblicke, ein Band mit privaten Fotos und persönlichen Erinnerungen zu seinem 80. Geburtstag. Die französische Küche hat Witzigmann geprägt. Ein Spitzenkoch muss bereit sein für Fisch, Fleisch und Gemüse allerbeste Zucht-, Schlachtungs- und Erntebedingungen zu garantieren, das alles im Einklang mit nachhaltigen, ökologischen Überlegungen, sagt Witzigmann; echter Essgenuss ist nur im Einklang mit der Natur möglich. Allerdings ist eine absolut auf regionale Küche ausgerichtete Gastronomie für ihn auch nicht wünschenswert – denn manche Dinge, z.B. bestimmte Fische, sind regional nicht erhältlich. Die molekulare Küche, Sous-vide und das Niedrigtemperaturgaren ist nicht seine Sache – zu zeitaufwenig – aber, jeder soll kochen, wie es ihm beliebt. «Service ist Maßarbeit am Gast», betont Witzigmann, «Anders ausgedrückt: Service ist fachliche Exzellenz, gepaart mit psychologischer Kompetenz, in Verbindung mit allerhöchster Diplomatie.» Für ihn ist ein Spitzenrestaurant nur im Team auf Augenhöhe vorstellbar. Ein Hoch auf die französische Küche, den Puritanismus der Zutaten der italienischen Küche, den Puritanismus des Küchenequipments der Chinesen, auf Indiens Vielfalt von Farben, Formen und Größen der Auberginen. «Auf Mallorca habe ich das Mediterrane gelebt. Dort habe ich zudem entdeckt, dass Aromen auf Arten kombiniert werden können, die mir völlig neu waren, auch wenn sie alte Wurzeln hatten.» Reste der Maurenküche vereint sich im Süden von Spanien: Kaffee zu Meerbarbe oder Lamm oder bittere Schokolade zu Hummerkrabben, Vanille zu sonstigen Krustentieren, die Geheimnisse einer Paella. Um neue Ideen zu bekommen, um seinen Geschmack zu bilden, muss ein Koch auf Reisen gehen – so Witzigmann. Das alles liest sich gut, mit einem Schlag Humor. Es sind eine Menge Themen angesprochen, die interessant sind – insoweit geht das Buch weit über Lebenserinnerungen hinaus.


Der Trend ist, dass es keinen gibt.


SOUFFLIERTER CRÊPE MIT KIRSCHEN


Gourmet-Rezepte zum Schmökern und Nachkochen im zweiten Band: Sterneküche für zuhause, hier haben sich Bobby Bräuer, Karl Ederer, Matteo Ferrantino, Stephan Franz, Joachim Gradwohl, Hans Haas, Marc Haeberlin, Karlheinz Hauser, Michael Hoffmann, Christian Jürgens, Martin Klein, Johann Lafer, Claus-Peter Lumpp, Thomas Martin, Norbert Niederkofler, Jörg Sackmann, Alfons Schuhbeck, Roland Trettl, Claude Troisgros, Jean-Georges-Vongerichten, Björn Weissgerber, Heinz Winkler, Hans-Peter Wodarz, Harald Wohlfahrt, Jörg Wörther die Ehre gegeben; große Namen, Schüler von Witzigmann, um mit kleinen Anekdoten und alten Fotos zu Witzigmann, und vor allem mit seinen Rezepten ihm eine Erinnerung zu geben. Sie sind seine Weggefährten und Schüler des «Chef of Kings and Gods» (New York Times), erhielten die Aufgabe, ein Gericht des «Chefs» in eigener Interpretation herzustellen und zusätzlich durfte jeder ein Rezept kredenzen, welches nicht zwingend auf Witzigmann zurückzuführen ist. Es sind Menüs von Spitzenköchen – kein Kochbuch für den täglichen Gebrauch. Sicher wird man manches Rezept bestaunen, es wahrscheinlich nicht nachkochen, mangels Zutaten und / oder Geduld. Das ein oder andere ist aber auf jeden Fall nachkochbar! Neben dem Foto findet man auf der anderen Seite die Zutatenliste und die Zubereitungsweise je für die Einzelteile des Menüs je in Vignetten. Deutsch, mediterran oder asiatisch, 75 Rezepte, jeweils in gleicher Position auf schlichten, weißen Tischdecke präsentiert, hervorragend fotografiert. Ein Geschenk für sich selbst oder für einen Koch oder Hobbykoch, zumindest für jemanden mit gutem Gespür für die Nouvelle Cuisine.


STEINBUTT AUF BLATTSPINAT MIT ZWEI SAUCEN


Eckart Witzigmann wurde 1994 vom Restaurantführer «Gault & Millau» zum «Koch des Jahrhunderts» gekürt. Diese höchste Auszeichnung der Kochwelt wurde vor ihm nur an drei andere Meister verliehen: Paul Bocuse, Joël Robuchon und Frédy Girardet.





Christoph Schulte, schreibt seit den 90er-Jahren als freier Journalist und Buchautor hauptsächlich über die Formel 1 und Food-&-Beverage-Themen.


Helge Kirchberger gehört mit seinem Team europaweit zu den gesuchtesten Werbefotografen. Der Salzburger hat sich auf die Food und People Fotografie spezialisiert und dabei Porträts und Werke von grossen Sternen- und Hauben-Köchen ins rechte Licht gesetzt. 


Christoph Schulte 
Eckart Witzigmann – Was bleibt
Illustratorin: Veronika Halmbacher, Fotograf: Helge Kirchberger
Sachbuch, Biografie, Kochbuch
Gebundene Ausgabe: Zwei Bände im hochwertigen Leinenschuber, 592 Seiten
Pantauro Verlag, 2021



Sachbücher

Hier stelle ich Sachbücher vor, die im Prinzip nichts mit Fachliteratur zu tun haben. Eben Sachbücher jeder Art, die ein breites Publikum interessieren könnte.
Sachbücher


Kulinarische Bücher 

Kochbücher, Backbücher und alles rund um Lebensmittel findet sich kompakt auf dieser Seite. Auch Genussromane, soweit ich welche lese. Schleckermäulchen also hierher klicken:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

  Ein atmosphärisch dichter und spannender Schweden-Krimi von Hans Rosenfeldt, bekannter Krimiautor und Drehbuchautor (skandinavische TV-Serie «Die Brücke», britische Fernsehserie «Marcella» über Netflix) erwartet uns mit dem Auftakt einer neuen Serie. Die Erwartungen waren hoch. Rosenfeldt hat geliefert. Die Kleinstadt Haparanda, nahe der finnischen Grenze, wird zufällig zum Schauplatz eines Drogendeals. Wer hat die Drogen und das Geld, wer wird sie am Ende bekommen? Der einzige der durchblickt, ist der Leser – Dank Mehrperspektivität. Denn alle Protagonisten tappen im Dunkeln – wissen nichts voneinander. Ein komplexer und spannungsreicher Thriller! Weiter zur Rezension:    Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige . «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille , zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

  1983 , der Polizist Noah Scott ist besessen davon, den Serienmörder Bible John zu erwischen. Er steht im Verdacht, Frauen, die aus Diskotheken verschwanden, nie wieder auftauchten, ermordet zu haben. Seit Jahren ist Noah an dem Fall dran, und er glaubt, den Täter identifiziert zu haben. Er folgt John Clyde und es gelingt ihm, auf seinem persönlichen Friedhof die Handschellen anzulegen – doch dann krampft sich etwas in seiner Brust zusammen und es wird schwarz vor seinen Augen … Ein spanischer literarischer Thriller vom Feinsten! Weiter zur Rezension:    Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim