Direkt zum Hauptbereich

Reisemomente von Jens Hübner -Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Reisemomente 

von Jens Hübner



Skizzieren, aquarellieren und collagieren – aus dem Erfahrungsschatz eines Weltreisenden



Reiseeindrücke auf Papier festhalten, eine feine Sache. Selbst Prinz Charles hat immer seinen Malutensilien dabei und malt jeden Tag auf Reisen seine visuellen Eindrücke in ein Skizzenbuch, erfahre ich. Jens Hübner reist mit dem Fahrrad um die Welt und hält seine Eindrücke auf Papier fest, gibt seine Tipps als Maler. Ob man sich für ein Skizzenbuch oder Einzelblätter entscheidet, ist letztlich egal, denke ich. Ein Buch hat natürlich den Reiz, ein abgeschlossenes Reisetagebuch zu sein. Man kann auch beides kombinieren, Jens Hübner stellt beide Möglichkeiten vor.

Malen mit Materialien vor Ort

Weiter geht es zum Malen zum Motive erkennen, das Besondere im Motiv zu kristallisieren … Mit dem Bleistift kritzeln, schraffieren, vorzeichen, nass in nass ergänzen, das Radiergummi als Stift zu benutzen, um zu reduzieren, Frottage, diverse Techniken werden angerissen. Was tun, wenn das Wasser ausgeht? Man tunkt den Pinsel ins Bier, ein wenig Kölsch tut es auch, lerne ich. Das nächste Kapitel befasst sich mit Kollagen, dann geht es für mich zu einem interessanten Teil über: Malen mit regionalem Material. Ja, auch mit Kaffee lässt es sich malen, mit Uferschlamm, Textmarker, Lateritstaub der Sahara, Schilfrohr kann man als Pinsel benutzen, Zeichnungen auf Ziegenhaut und Nummernschild als Malgrund. Kurz werden Schriften angerissen, mit denen man ein Bild belebt. Das ist mir zu kurz berührt, das Thema füllt ein eigenes Buch.


Das Aquarell

Nun kommen wir zum zweiten Teil, dem Aquarellieren. Hier bin ich etwas verwirrt. Bisher habe ich die kurzen Anleitungen und Ideen als Anregung für geübte Maler aufgefasst, denn für einen Anfänger fehlen die Grundlagen. Und nun werde ich mit den Grundlagen des Aquarells, der Besonderheit der Pigmentfarben, mit Farbmischen und den drei Aquarelltechniken konfrontiert, reduziert in der Erklärung. Ein Anfänger wäre mit dieser kurzen Einführung überfordert, der Aquarellmaler langweilt sich. 12 Farben sind ausreichend. Wenn man so will, sogar drei, völlig richtig. Meine Erfahrung im Gelände zeigt mir aber, dass ich keine Lust habe, stundenlang Farben zu mischen, weil ich schnell arbeiten muss und eine etwas breitere Palette an Farben erleichtert das Mischen enorm. Gerade Aquarellkästen sind so handlich klein, dass es im Gepäck auf 10 Farben mehr oder weniger nicht ankommt. – Geschmack.



Am Ende kommen wir zum Ordnen des Erlebten auf Papier: Hier sitzt der Autor vor einem Berg von einzelnen Blättern, bringt eine Ordnung hinein. Aber auch das Skizzenbuch kommt nicht zu kurz, immer wieder, zeigt er Kompositionen aus dem Heft. Beides ist möglich, parallel oder ganz so, wie man besser mit seinen Zeichnungen klarkommt.

Für wen ist dieses Buch geschrieben?

Das Buch lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück. Jens Hübner ist ein talentierter Maler und Zeichner. Genau das macht das Buch zum Augenschmaus. An wen ist der Stoff gerichtet? Ich erfahre etwas über Pinsel und Farbenmischen, über die Grundzüge des Aquarellierens. Nie das Grün aus dem Kasten benutzen, immer die Töne mischen. - Gilt das nicht für alle Farben? Hier steckt viel Anleitung für den Anfänger drin. Das Wissen wiederum ist so reduziert behandelt, kann einen Anfänger nur frustrieren, ich habe genügend Anfänger erlebt. Gleiches gilt für die ausgefeilten Zeichnungen, sie hinterlassen für den Anfänger ein weiteres Frustgefühl: Das kann ich nie und nimmer. Jens Hübner betont zwar, dass eine Skizze keine perfekte Arbeit ist, man seine Eindrücke nur reduziert festhält, aber diese Skizzen zeigen den Profi. Der geübte Maler wiederum braucht keine Infos über Pinsel und Farbenmischen, über Aquarelltechnik, kann sich über Komposition und Kreativtechiken, wie das Malen mit Schlamm und Kaffee Ideen ziehen. Ich hätte es besser gefunden, sich auf eine Klientel zu konzentrieren.

Kein Buch für Anfänger

Am Ende fehlt mir etwas. Das Buch geht davon aus, dass der Reisende sich fortbewegt, sich dauernd neue Landschaften erschließt. Manch einer sitzt zwei Wochen am gleichen Fleck und möchte seine täglichen Eindrücke festhalten. Urbanes Skizzieren kommt mir zu kurz, die Stadt, der Strand, Hotel, das Frühstück, usw. Dieses Buch ist auf stark Nordafrika und seine Sandlandschaften ausgerichtet, Landschaftszeichnungen, Portrais, Personen. Was mir besonders fehlt, ist das sogenannte Sketching. Mit Bleistift und Tintenstiften, Filzstiften skizzieren, kolorieren, Alltagseindrücke von der Reise, die Tasse Kaffee mit Croissant, eine mediterrane Skizze einer Stadt, Meer, Düne, Menschen am Strand, Sonnenschirme, ein Berg, Gebirge, eine Bar, der Cocktail … eben Abwechselung in der Themenauswahl der Bilder und Orte. Während der Reise zu skizzieren bedeutet viel mehr als Landschaft. Natürlich sind hier auch Menschen skizziert, aber alles auf hohem Niveau, ohne Anleitung, nordafrikanische Motive. Die Frage stellt sich immer wieder: Für wen ist dieses Buch gemacht? Für den Anfänger? Der möchte mit einfachen Strichen und Farbgebung seine Reise skizzieren, ein paar Anleitungen für Formen Licht und Schatten erhalten, für urbanes Sketching. Für den Fortgeschrittenen ist vieles im Buch Grundlagenwissen, das er längst besitzt. Der hätte sich Neuartiges gewünscht.

Ein wenig altbacken

Neben den Skizzierstiften und Techniken fehlen mir beim Thema Aquarell die neuen Aquarellstifte, dicke Filzer, die man sofort mit dem Pinsel verziehen kann und wie oben erwähnt, die Pipettenpinsel. Beschriften, Schriften haben mir gefehlt, das Thema ist lediglich auf zwei Seiten angerissen. Jens Hübner hat uns gezeigt, wie gut er malen kann, das habe ich mit Genuss aufgenommen. Aber wie kreativ man ein modernes Reisetagebuch erstellen kann, das fehlt mir. Insgesamt wirkt das alles recht altbacken, ich hatte erwartet, dass er dem modernes Sketching Raum gibt. Didaktisch ist für mich der Sinn und Zweck nicht ganz zu erfassen. Insgesamt ist das Buch weder Fisch noch Fleisch, eher eine Präsentation des eigenen Könnens des Autors. Wem kann ich das Buch empfehlen? Keinem Anfänger und niemandem der sich für Sketching interessiert, dass derzeit in aller Munde ist. Wer sich mit Aquarellieren und Zeichnen auskennt, kann etwas für sich mitnehmen. Dies Buch ist für die Maler gemacht, die mit Bleistift und Aquarellkasten Landschaftseindrücke im klassischen Aquarell produzieren möchten, Skizzen von Menschen. Wer sich für Nordafrika interessiert, kann sich an wundervollen Motiven erfreuen, denn zeichnen kann Jens Hübner.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

  Ein atmosphärisch dichter und spannender Schweden-Krimi von Hans Rosenfeldt, bekannter Krimiautor und Drehbuchautor (skandinavische TV-Serie «Die Brücke», britische Fernsehserie «Marcella» über Netflix) erwartet uns mit dem Auftakt einer neuen Serie. Die Erwartungen waren hoch. Rosenfeldt hat geliefert. Die Kleinstadt Haparanda, nahe der finnischen Grenze, wird zufällig zum Schauplatz eines Drogendeals. Wer hat die Drogen und das Geld, wer wird sie am Ende bekommen? Der einzige der durchblickt, ist der Leser – Dank Mehrperspektivität. Denn alle Protagonisten tappen im Dunkeln – wissen nichts voneinander. Ein komplexer und spannungsreicher Thriller! Weiter zur Rezension:    Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige . «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille , zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

  1983 , der Polizist Noah Scott ist besessen davon, den Serienmörder Bible John zu erwischen. Er steht im Verdacht, Frauen, die aus Diskotheken verschwanden, nie wieder auftauchten, ermordet zu haben. Seit Jahren ist Noah an dem Fall dran, und er glaubt, den Täter identifiziert zu haben. Er folgt John Clyde und es gelingt ihm, auf seinem persönlichen Friedhof die Handschellen anzulegen – doch dann krampft sich etwas in seiner Brust zusammen und es wird schwarz vor seinen Augen … Ein spanischer literarischer Thriller vom Feinsten! Weiter zur Rezension:    Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck