Rezension
von Sabine Ibing
Queen July
von Philipp Stadelmaier
Der erste Satz: July lag im kalten Badewasser und nippte an ihrem Burgunder, als draußen die Türe ins Schloss fiel. Aziza betrat das Badezimmer, lehnte sich an die Wand und ließ sich, den Rücken gegen die Kacheln gepresst, zu Boden gleiten.
Eine Novelle, die mich in ihrer luftigen Art verblüfft – begeistert – hat. Die Geschichte der ersten Liebe, von einer die nicht loslässt. 17 Jahre ist es her, sie gingen damals noch in Paris die Schule. Er hatte Schluss gemacht – einfach so, ohne Grund. Schluss. Aziza stürzte sich in ihr Medizinstudium. Doch in ihrem Kopf bleibt Strehler präsent. Als sie ihre Fachausbildung zur Anästhesistin abgeschlossen hat, beschließt sie, so weit wie möglich wegzugehen, weit weg von Strehler. Dschibuti ist dafür ein guter Ort.
Die Bilder erwachten aus ihrer Starre und gerieten neu in Bewegung, und so lag sie nun auf ihrem Bett und litt an Schmerzen, die sie längst nicht mehr hätte haben dürfen, litt an abgewetzten Traumbildern und schalen Erinnerungen an eine Geschichte von vor fucking siebzehn Jahren, die vergangen und peinlich war und dabei selbst der Hitze von Dschibuti widerstand, die sie längst hätte ausdorren müssen.
Ein heißer Julitag und July hat Ferien, als Aziza aus Dschibuti für einen kurzen Aufenthalt nach Paris kommt. Jeannine ist eine gemeinsame Freundin, die Aziza bei July unterbringt: »Ab einem gewissen Alter ist es wichtig, sich neue Freunde zu suchen.« July hält es bei der Hitze nur in der Badewanne bei einem Glas weißen Burgunder aus. Aziza setzt sich daneben und berichtet über die letzten 17 Jahre. Beziehungsunfähig, nur kurze Eskapaden, ein ausschweifendes Leben liegt hinter ihr – Strehler verfolgt sie wie ein Schatten – Dschibuti tausende Meilen entfernt, aber aus ihren Gedanken kann sie ihn nicht verdrängen. Strehler spielt gern seine Spielchen und Aziza lässt sich gern von ihren Gefühlen leiten, lässt sich fallen in einen Strom, ist gern bereit, aus kleinen Gesten Luftschlösser zu bauen. 17 Jahre frei von Strehler – zumindest körperlich – und nun gibt es wieder einen zarten Kontakt …
In ›Paradise‹, einem der schönsten Trecks auf dem ›Sound of joy‹ – Album von Sun Ra, schwingt sich das Klavier euphorisch über die Trommeln in den Himmel, um später wieder auf ihnen zu landen, bevor es erneut abheben würde.
Die ganze Story ist entspannt erzählt, ein Hauch an einem lauen Sommerabend, unverkrampft, melanotisch, ohne jeden Kitsch, zieht sie den Leser sofort in seinen Bann. Poetisch, mit einem Sound von Leichtigkeit, schafft Philipp Stadelmaier hier eine wundervolle Geschichte, frei von Depression, mit Humor gewürzt. Aziza erzählt, July liegt in der Badewanne, stellt Fragen, stellt in Frage. So entsteht eine reflektierte Schilderung der ersten Liebe, die nicht loslassen will. Diese Novelle wandert bei mir in die Abteilung »Lieblingsbuch« , keine Frage. Wenn es so klingt, lese auch ich gern Liebesgeschichten. Meine wärmste Empfehlung.
Philipp Stadelmaier promoviert zurzeit als Filmwissenschaftler in Frankfurt und Paris über Jean-Luc Godard und Serge Daney. Seit 2012 schreibt er für die Süddeutsche Zeitung, seit 2015 für das Filmbulletin. 2016 erschien im Verbrecher Verlag der Tagebuch-Essay »Die mittleren Regionen. Über Meinung und Terror«, geschrieben in Paris nach den Anschlägen vom Januar und November 2015 – zwei Jahre später wurde er für dieses Buch mit dem Clemens-Brentano-Preis für Literatur der Stadt Heidelberg ausgezeichnet. 2017 entstand mit der grotesken Komödie »Vanishing Points« (Theaterverlag schaefersphilippen) sein erstes Theaterstück. Er lebt in Wien.
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