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Mein Leben als Serienmörder von Josef Kleindienst - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Mein Leben als Serienmörder 


von Josef Kleindienst


Der Anfang: 

Das Telefon läutet. Der Wagen stehe bereits vor der Tür, höre ich eine männliche Stimme.


Dieser Krimi ist so erfrischend anders, klasse geschrieben und voller Humor, Satire auf hohem Niveau! Der Schriftsteller Konrad Mola bekommt das Angebot, in einem Krimi für das TV einen Serienkiller zu spielen. Er ist doch gar kein Schauspieler! Aber der Produzent meint, er passe genau auf den Charakter. Da er gerade nicht gut bei Kasse ist, nimmt der Krimiautor das Angebot an. Während des Drehs erfährt er, Grundlage ist eine reale Geschichte. Frauen ins Gebüsch zerren, bedrohen, würgen, schlagen, in den Kofferraum sperren, mit Beton am Bein in der Donau versenken. Spaß macht ihm die Sache nicht, aber alle sind rundum zufrieden mit ihm. Sehr humorvoll wird aus der Sicht von Mola zunächst sein Marokkourlaub und danach die Zeit am Set geschildert. 


Soll ich Gerry anrufen? Warum soll ich ihn aus der Sache heraushalten? Er hat mir das Koks gegeben. Gut, ich habe es genommen. Hat mich niemand gezwungen. Hätte jetzt gern eine Line. Besser zwei Lines. Ich muss ruhig bleiben. Wahrscheinlich ist es nur eine rein informelle Befragung als Zeuge. Ob ich etwas gesehen habe, ob mir etwas Verdächtiges aufgefallen sei, so in der Art. Bestimmt total harmlos. ... Ich wähle nochmals die Nummer. ‹Höld›, höre ich wieder diese junge, klare Stimme.

‹Mola. Ich soll Sie zurückrufen.›

‹Ach ja, Herr Mola. Einen Moment, bitte.›

Ich höre ein paar Papierblätter rascheln, ein Stuhl wird zur Seite geschoben.

‹Herr Mola, wir ermitteln in einem Mordfall.›


Der Dreh ist in der Kiste, und nun wird gefeiert! Der Autor geht mit dem Produzenten in eine Kneipe und letzterer verschwindet irgendwann. Mola trinkt weiter. Als er am Morgen mit dickem Kopf erwacht, kann er sich nicht einmal erinnern, wie er nach Hause gekommen ist. Totales Blackout. In den Nachrichten vernimmt er, eine Prostituierte sei ermordet worden, in der Nähe der Bar, in der er abgestürzt ist. Er kennt sich aus mit solchen Dingen ... die Ermittler werden garantiert auch an seine Tür klopfen. Man wird in der Bar nachfragen, Kameras durchforsten, Handydaten. Wenn er sich bloß erinnern könnte! Es dauert nicht lange, schon bittet die Polizei ihn zum Gespräch und am nächsten Tag kann er sein Foto in allen Zeitungen finden; er gilt als Hauptverdächtiger.


Wenn ich schuldig wäre, könnte ich nichts dagegen tun. Blöd wäre es bloss, wenn ich unschuldig wäre, aber als schuldig betrachtet werden würde. Und ich nicht einmal wüsste, dass ich unschuldig bin und mich in mein Schicksal ergäbe.


Der Kriminalroman ist eine interessante Form des Whodunnit. Denn der Protagonist geht hier der Frage nach: War ich es? Ein friedlicher Mensch, gewaltfrei, ohne jede Aggression, traut er sich selbst das zu? Seine Erfahrung als Serienmörder, als Schauspieler, haben ihn nachdenklich gemacht. Er ist sich selbst auf der Spur, Indizien sammeln, die gegen ihn selbst sprechen, für andere Personen. Ist er zu einem Mord fähig? Er weiß es nicht. Dazu kommt die Rufmordkampagne durch die Presse. Denn er ist ja nicht mal angeklagt worden, er wurde lediglich als Zeuge verhört. 


‹Sie wirken nervös.›

Er steckt sich ein paar Erdnüsse in den Mund.

‹Die Seele vergisst nichts.›

‹Was?›

‹Man kann alles tun, jede Schweinerei, aber die Seele vergisst nichts. Irgendwann ist die Seele dein Gesicht.›


Unser Autor ist ein Pechvogel. Direkt vor dem Dreh wurde ihm in Spanien sein Koffer geklaut, der nicht nur fast seine gesamte Garderobe beinhaltete, sondern auch das handschriftlich lektorierte Manuskript seines neuen Buches und seinen Pass. Der spanische Polizist will wissen, was es wert sei. Tja? Seine Freundin, eine Orchestermusikerin, verweilt derzeit in Indien, kann ihm nicht zur Seite stehen. Wir leiden mit Mola, wenn er sein Foto in der Zeitung entdeckt, die Leute ihn verholen anschauen, wenn er auf Facebook geht, verzweifelt mit sich hadert. Nicht zu vergessen die Ziege in Marokko, die uns durch die Geschichte begleitet ... Ein netter chaotischer Kerl, dieser Mola. Aber wer weiß, was alles in ihm steckt ... So genau kennt der Lesende ihn ja nicht. Die Grundfrage: Könnte jeder Mensch theoretisch unter besonderen Umständen zum Mörder werden? Eine spannende Geschichte mit viel tiefem Humor. Kriminalliteratur, die Spaß macht, Empfehlung!


Josef Kleindienst, 1972 geboren. Studium der Philosophie an der Universität für angewandte Kunst Wien. Er schreibt Romane, Theaterstücke und Drehbücher. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen für seine literarischen Arbeiten, zuletzt gewann er 2020 den Carl Mayer Drehbuchpreis.



Josef Kleindienst 
Mein Leben als Serienmörder
Krimi, Kriminalroman, Kriminalliteratur, Whodunnit, Österreichische Literatur
Hardcover, 184 Seiten
Sonderzahl Verlag, 2022







Kriminalliteratur: Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre

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