Direkt zum Hauptbereich

Fenster in der Nacht von Shusterman und Andrés Vera Martínez - Rezension

 

Rezension

von Sabine Ibing





Fenster in der Nacht 


von Shusterman und Andrés Vera Martínez

Geschichten der Hoffnung - Graphic Novel über die Zuversicht im Holocaust



Man sagt: Wenn eine Tür geschlossen wird, dann öffnet sich ein Fenster!
Ein Fenster führt in Welten jenseits des Terrors.
Ein Held aus Asche bewahrt Unzählige vor den Gaskammern.
Die Macht der Märchen begegnet den Mächten des Bösen .
Der Stab des Moses führt Tausende in die Freiheit.
Wie es hätte sein können …


Eine ergreifende Graphic Novel über die Hoffnung im Holocaust … wie es hätte sein können, wenn es die mythischen Gestalten unserer verschiedenen Kulturen gegeben hätte, und sie eingeschritten wären. Eine Mischung aus grausamer Wirklichkeit der Shoah und Fantasy. Reales vermischt mit Fiktivem, gute Geister gehen zur Hand. Neal Shusterman erzählt von Träumen, wo träumen nicht mehr möglich ist, und lässt Augenblicke echten menschlichen Mitgefühls aufleuchten. Denn die Kraft der Vorstellung ist unser mächtigstes Werkzeug für die Zukunft, auch wenn wir die Vergangenheit nicht ändern können. In einer Zeit des wiederauflebenden Antisemitismus setzt der Bestsellerautor, der selbst jüdischer Abstammung ist, ein Zeichen gegen Hass und Gewalt mit fünf bewegenden Geschichten über den Holocaust. 




In der ersten Story sind die Eltern von Anna, Katja und Gretchen ins Arbeitslager verschleppt worden. Die drei Mädchen werden von einer älteren Frau zu Hause versteckt und der Lieferjunge Friedrich weiß davon, steckt heimlich bei jeder Lieferung ein paar Lebensmittel mehr für die alte Frau in die Tüte. Doch sie werden erwischt und die SS steht plötzlich in der Wohnung. Aber das heimliche Fenster in Nacht zeigt einen Ausweg … Und richtig, es gab die mutigen Menschen, die Juden versteckten. Mich hatte u.a. die Geschichte von Hans Rosendahl berührt, den späteren Showmaster. Den hatte eine ältere Dame in Berlin über Jahre in ihrem Schrebergarten versteckte, in dem sie wohnte. Einfach so, aus Menschlichkeit, die beiden kannten sich vorher gar nicht. Er war durch die Kolonie geschlichen, auf der Suche nach einem Unterschlupf. 




Die zweite Geschichte handelt in Auschwitz: Hier wird ein Golem geschaffen, der einer ganzen Reihe von Juden die Freiheit verschafft, die entkommen können, während der Golem einige Nazis plattmacht. Der Golem ist eine Figur der jüdischen Literatur und Mystik. Dabei handelt es sich um ein Wesen, das von einem Weisen mittels Buchstabenmystik aus Lehm gebildet wird, ein stummes, menschenähnliches Wesen, das mit riesigen Kräften die Aufträge seines Schöpfers ausführt, dem es unterworfen ist; der Golem hat keinen freien Willen. 




In einer anderen Geschichte hat selbst die böse Baba Jaga – eine sehr boshafte Hexe aus der russischen Mythologie – ein Einsehen. Sie hilft den Juden, die sich im Wald verstecken und zieht in den Krieg gegen die Nazis. Am Ende dieser Geschichte gibt es den historischen Hinweis: Es gab einen bewaffneten jüdischen Widerstand! Besonders stark waren sie in Osteuropa, wo 20.000 – 30.000 Juden sich organisiert hatten, im Wald lebten. Die Realität des Holocaust vermischt mit europäischen und jüdischen Mythen, Sagen, Märchen und einem Schlag Fantasy – was ein wenig die Grausamkeit der Geschehnisse nimmt. Der Glaube, dass irgendwer zur Hilfe kommt, dem Irrsinn ein Ende macht. Das Wissen um die Judenvernichtung vermischt mit dem Wissen, dass Widerstand möglich ist, wenn man ihn lebt und wenn man von Helfern unterstützt wird. Der Comic liefert auch Fakten mit Zahlen zu Fluchtversuchen aus Konzentrationslagern, zu Helfern und dem Widerstand. Viele Helfer zusammen können einen Golem bilden. Wichtig ist, nicht stumm in der Ecke sitzen zu bleiben. 




Sehr eindrucksvoll stellt Andrés Vera Martínez die Geschichte zeichnerisch in Szene, farbbig, und gleichzeitig zurückhaltend in der Farbkraft wird hier im Comicstil gezeichnet. Die Figuren stehen im Vordergrund, sind in den Emotionen gut getroffen. Meist finden wir 2-4 Panels auf einer Seite, auch mal eine einseitige Darstellung – also großformatig. Es braucht nicht unbedingt viele Worte, wenn die Zeichnung aussagekräftig ist – und das ist hier gut gelungen. Der Loewe Graphix Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 12 Jahren. Gerade so, sage ich, tendiere eher zu 13 oder 14 Jahren – und natürlich eindeutig Allage. Empfehlung! 


Neal Shusterman fing schon als Kind an, Bücher zu schreiben. Allerdings musste er erst noch Psychologie und Theaterwissenschaften studieren, bevor sein Talent als Autor entdeckt wurde und er sein erstes Buch. veröffentlichen konnte. Heute lebt er als Drehbuchschreiber und preisgekrönter Autor von mehreren Jugendbüchern mit seiner Familie in Südkalifornien.

Andrés Vera Martínez ist ein Cartoonist und Illustrator. Er ist Mitverfasser der grafischen Memoiren «Little White Duck: A Childhood in China». Seine Arbeiten wurden dreimal von der Society of Illustrators, American Illustration; und auch von  Junior Library Guild, Slate Cartoonist Studio, School Library Journal, Horn Book Magazine, NPR und der New York Times ausgezeichnet. Derzeit lebt er mit seiner Familie in Neuengland.




Neal Shusterman, Andrés Vera Martínez
Fenster in der Nacht
Geschichten der Hoffnung - Graphic Novel über die Zuversicht im Holocaust
Graphic Novel, Comic, Shoa, Holocaust, Jugendbuch, Allage
Hardcover, 256 Seiten, 7.5 x 24.5 cm
Loewe Graphix Verlag, 2024
Altersempfehlung: ab 12 Jahren




Graphic Novel, Comic, Grafisches  

Für die Fans von Comis / Graphic Novels und sonstigem Gezeichneten, wie Satire. Hier auf dieser Seite zusammengefasst.  Alle Altersgruppen. Graphic Novel, Comic, Grafisches





Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis

  (Detektivbüro LasseMaja, Bd. 37)  Es gibt hochfliegende Pläne im Ort Valleby: Ein Astronaut macht mit seiner Raumkapsel in der Kleinstadt Station und will als Nächstes den Planeten Neptun ansteuern. Und laut tönt er, er suche Astronaut:innen, die ihn begleiten. Bewerber will er einem Astronauten-Test unterziehen, danach bestimmt er, wer mitfliegen darf! Natürlich benötigt er auch Spenden für sein Projekt. Die Detektiv:innen Lasse und Maja hören genau zu. Und bei dem, was der Mann so erzählt, kommt schnell der Verdacht, dass an der Geschichte etwas faul ist und der Typ ein Betrüger ist. Das teilen sie dem Dorfpolizisten mit – doch der hat gerade keine Zeit für sie. Ein Dieb geht um … Spannender, witziger Kinderkrimi ab 8 Jahren, Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis 

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt 

Rezension - Osso – Geschichte einer Freundschaft von Michele Serra und Alessandro Sanna

  Ein alter Mann lebt in einem Haus am Waldrand, mit Blick auf die Stadt. Eines Tages kommt ein hungriger Hund zum Haus, der sich nicht herantraut. Der Mann stellt Futter hin und geht zurück ins Haus. Jeden Tag kommt der Hund am Morgen und am Abend, und weil er so knochendürr ist, nennt der Mann ihn Osso, schließt den Streuner ins Herz. Eine wunderschön erzählt und illustrierte Geschichte über die Beziehung Mensch und Hund. Allage, ab 10 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Osso – Geschichte einer Freundschaft von Michele Serra und Alessandro Sanna