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Ein Nashorn namens Clara von Katrin Hirt und Laura Fuchs - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Ein Nashorn namens Clara 

von Katrin Hirt und Laura Fuchs


Ein Bilderbuch, das mich begeistert hat, denn es ist eine wahre Geschichte. Letztendlich eine tragische Story aus heutiger Sicht. Es war einmal ein kleines Nashorn, das mit seiner Familie in Indien lebte. Jäger töteten die Mutter, brachten das Jungtier in die Stadt, wo es von einer Kaufmannsfamilie aufgenommen wurde und den Namen Clara erhielt. Schon bald zeige sich, dass man ein Nashorn nicht im Haus halten kann. Kapitän Douwe Van der Meer hatte eine Lösung parat. Er nahm Clara mit nach Europa. Eine Sensation! So ein Tier hatte hier noch niemand gesehen!



Ein indisches Nashorn, wahrhaftig und echt, kommt in eure Stadt! Seht selbst! Nur zwei Groschen Eintritt.

Und so wurde Clara durch die Lande kutschiert und bestaunt. Sogar der französische König Ludwig XV. wollte Clara Van der Meer abkaufen. Doch der fuhr weiter mit seiner Clara. Sie wurde gemalt, in Öl und Aquarell, auf Porzellan, Frauen erfanden Nashornfrisuren für ihre Perücken, Lieder und Gedichte wurden über Clara geschrieben. Sie war ein echter Superstar! Am Ende der langen Reise kaufte der Kapitàn Clara ein Grundstück, wo sie den Rest ihres Lebens lebte.

Im Prinzip stimmt die Geschichte. Das Ende ist nicht ganz korrekt, denn Van der Meer brachte seine Clara 1758 nach London, wo sie im »Horse and Groom« in Lambeth ausgestellt wurde. Dort starb sie am 14. April 1758 im Alter von ungefähr zwanzig Jahren, ein sehr geringes Alter für ein Nashorn. Nach ihrem Tod kehrte Douwe Van der Meer nach Leiden zurück, danach verlor sich seine Spur. Bilder von Clara sind noch heute über viele Museen in Europa verteilt. Der frühe Tod des Tieres hatte sicher mit der nichtartgerechten Haltung zu tun, der Vereinsamung und den Reisestrapazen. Eingepfercht in einen Holzkasten durch die Lande zu ziehen, war sich kein Spaß für das Tier. Natürlich hat niemand zu dieser Zeit darüber nachgedacht. Für die Menschen, die ja aus ihrem Wohnort selten herauskam, war das Tier eine Sensation. Eine schöne Geschichte, die Gelegenheit gibt, sich über die Eroberung der Welt mit Kindern zu unterhalten, eine Welt ohne Autos, Flugzeuge und Internet. Auf der letzten Seite findet sich eine Karte mit der Reiseroute von Clara.



Laura Fuchs hat wunderschöne Aquarell-Illustrationen gezeichnet, farbprächtig und historisch passend. Selbst der Wagen von Clara hat in etwa so ausgesehen, wie hier dargestellt, man kann ihn auf einem Bild in Italien finden, wo Clara unter anderem Venedig und Rom besuchte, ein Wagen, der von mehreren Pferden gezogen wurde. Das ein oder andere Bild wirkt wie aus dem Museum entnommen, empathisch passend zur Geschichte. Es gibt hier keinen Zeigefinger, Clara scheint die Reise zu genießen. Das ist kindgerecht, und trotzdem kann man ansprechen, warum man so etwas heute niemand mehr machen würde. Der Nord-Süd Verlag schlägt ein Lesealter ab 4 Jahre vor. Das halte ich für angemessen zu Textmenge und Verständnis.

Katrin Hirt ist Historikerin und lebt mit ihrer Familie in Tübingen. Neben ihrer Beschäftigung mit wissenschaftlichen Texten verfasst sie Geschichten für Kinder. »Ein Nashorn namens Clara« ist ihr erstes Bilderbuch. Laura Fuchs wuchs zwischen Wäldern und Feldern in Nordrhein-Westfalen auf, wo es viel Raum für eigene Geschichten und Bilder gibt. Das Studium der Illustration führte sie nach Hamburg, wo sie auch heute noch lebt.


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