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Dunkle Zahlen von Matthias Senkel - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Dunkle Zahlen 

von Matthias Senkel


Der Anfang: ›-was denn, was denn?‹ (Das bin ich, der sich da aufplustert.) Durch die sperrangelweit aufgeschlagene Tür weht Kunstschnee herein und, schau mal einer: Anuschka und Anuschka schleppen schon wieder einen randvollen Kessel in meine Bude.

Ein Buch, das sicherlich gut ist, keine Frage, aber es kam nicht an mich heran oder ich nicht in den Stoff. Dieser Roman ist anders, wir bemerken es gleich am Umschlag: verdrehte Buchstaben, kein Autor, kein Verlag, nur ein Titel. Vier Mal haben wir es miteinander probiert, eine Beziehung zueinander aufzubauen. Dieser Roman hat Qualität, aber wir beide passen nicht zusammen. Vier Mal angefangen und dann quergelesen. Und es gibt wunderbare Passagen.

Inhaltsangabe schwer zu fassen

Worum geht es? Ich kann es nicht zusammenfassen – erstmalig. Grob gesagt, um russische Programmierer, um einen kalten Krieg der Programmierung, denn die Programmierer werden den nächsten Krieg bestimmen und derjenige wird gewinnen, der die besten Softwarearchitekten und Programmierer auf seiner Seite hat. Der Roman ist ein wenig durcheinander konzipiert, das hat mich konfus gemacht. Natürlich geht es auch um Russland (die Zeit vor Putin), schlechte Bedingungen, Planwirtschaft, KGB, russische Dichter, eine Erzählmaschine und ums Wässerchen, das man bei uns Wodka nennt. Matthias Senkel ist ein detailverliebter Autor - mir war es oft zu viel. Und ganz ehrlich, einiges habe ich nicht verstanden, und einiges sicher nicht mal wahrgenommen, worauf an mancher Stelle angespielt wurde. Von russischen Kultur ins Detail habe ich keine Ahnung, kenne mich weder mit Mathematikern, Informatikern, Literaten (Puschkin und Tolstoi sagen mir noch etwas, doch dann hört es auf) und sonst welchen wichtigen Leuten und Ereignissen aus. Da steht man manchmal ratlos neben dem Buch.

Wir hüpfen in den Zeiten von Ort zu Ort

Mitte der Achtziger, Moskau, Programmierspartakiade, die Gruppe der Kubaner ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Die Betreuerin und Übersetzerin sucht in ganz Moskau nach ihnen. Die Veranstaltung diente den Mächtigen anscheinend, die Ideen die Programmiereliten abzurippen. Viele Erzählstränge, die plötzlich im Nichts versinken, wir hüpfen in den Zeiten von Ort zu Ort; Dystopie, Krimi, Agententhriller, Sci-Fi, Textschnipsel aus Wikipedia, Witze, Videospiel. Das alles in Kombination war mir zu viel.

Wacht auf, Programmierer! Wacht auf, ihr Athleten!
In Boolscher Algebra zum Start angetreten!
Ein Schaltkreis erglüht: Ein Rekord eingestellt!
Programmierer, wacht auf, wir erobern die Welt!
In Zukunft, da siegen Computer statt Waffen
- das erhebt uns noch weiter über die Affen
Wacht auf, ihr Adepten der Informatik!
Schreibt: RUN! Die Parole: Bloß keine Panik!

Außergewöhnliche Erzählstruktur

Auf Seite 310 gibt es ein »Witzarchiv«, dem folgt auf Seite 314 »Verworfene Motti«, 218 der »Abkürzungsschlüssel, ab 324 bis 327 » Wiederkehrende Figuren von A-Z« und dann geht es weiter im Roman. Sprachlich ausgereift, wortgewaltig, sehr humorvoll, da ist nicht dran zu rütteln, Matthias Senkel ist ein begabter Autor. Die chaotische Erzählstruktur mag etwas Außergewöhnliches sein, die Fülle der Stränge und Protagonisten. Aber genau das war nicht meins, insbesondere weil mir obendrauf der Russlandbezug fehlte, ich die vielen Andeutungen im Subtext nicht verstanden habe. Ich habe überlegt, wie man von diesem Roman eine Inhaltsangabe schreibt: Geht nicht – doch: reinstes Chaos auf hohem Niveau. Das Feuilleton ist aus dem Häuschen, eine moderne Art der Lyrik, randomisiertes Erzählen ist erfunden, völlig genial! Nun ja – Meinungen zu Büchern gehen
auseinander.

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