Rezension
von Sabine Ibing
Die Schnüfflerin
von Anne von Vaszary
Der Anfang: Warum eigentlich der?, fragte ich mich und musterte Ricky. Sein knallrotes Shirt, seine ungeduldig trommelnden Finger, seine Stirn, die von Haarlack glänzte.
An diesem Krimi gefällt mir die Handschrift von Anne von Vaszary. Sie besitzt eine eigene Art des Schreibens, humorvoll-satirisch. Sie spielt mit Sprache und Wortwitz, teilt aus. Nina Buck, eine Frau, die versucht irgendwie im Leben anzukommen, ohne Abschluss, immer wieder auf Jobsuche, wobei sie nicht die Sahnehäubchen serviert bekommt, hat ein Problem. Sie hatte sich in einer romantischen, mondbeschienen Nacht vom Herzensbrecher Ricky zu einem One-Night-Stand überreden lassen. An dem Typ ist sie keinesfalls interessiert, aber leider ist sie schwanger von ihm. Was tun? Baby behalten, entfernen? Ihm etwas davon sagen, es mit ihm besprechen? Da sitzt sie ihm nun gegenüber in einem französischen Lokal, Käsefußgeruch und muffiger, ungewaschener Dunst wabert von ihm herüber. Seit sie schwanger ist, nimmt sie alle Gerüche intensiv wahr. Ihr wird schlecht und sie geht zur Toilette, sich übergeben, nimmt kurz wahr, dass mehrere Teller Zwiebelsuppe für den Kellner bereitstehen. Als sie zurückkommt, wird serviert. Die Suppe dampft, Nina meint, einen leisen Untergeruch von Mandel wahrzunehmen, zögert, wahrend Ricky gleich reinschaufelt. Und schon fassen sich einige Gäste an den Hals, auch Ricky. Verdammt – einige Gäste ereilt der schnelle Tod.
Und plötzlich sitzt man im Schlamassel
Jetzt hoffte er, mit mir wieder seine alten Ermittlungsstrategien aufleben lassen zu können. So viel stand fest: Dieser Mann hatte nicht mehr alle Leckerlies im Napf.
Nina und der Koch stehen im Fokus der Ermittlung. Warum hatte sie die Suppe nicht gegessen? Auf dem Weg zur Toilette war es möglich gewesen, etwas in die Suppenteller hineinzugeben. Einer der ermittelnden Beamten ist der gehbehinderte Koller, ehemals Mitglied der Hundestaffel. Sein Hund, dessen Nase er immer vertrauen konnte, ist verstorben. Er trauert ihm nach. Schnell ist ihm klar, dass Nina eine besondere Gabe besitzt: gute Beobachtungsgabe und einen Geruchssinn wie ein Hund. Natürlich, sie könnte die Täterin sein. Ebenso gut aber auch nicht. Diese Schnüfflerin kann ihm hilfreich sein.
Chaosweibchen und Chaosmännchen ermitteln
Er stand zwischen zwei Ausfahrten auf einer Rasenfläche. …Ein leiser Krimi, der Stück für Stück Klarheit in die verworrene Geschichte bringt, nicht alles ist so, wie er zuerst scheint. Chaosweibchen und Chaosmännchen ermitteln. Halt, mag da einer meinen, ein Kommissar ermittelt mit einer Außenstehenden, tauscht Ergebnisse mit ihr aus? Das auch noch mit einer Verdächtigen? Ein einbeiniger Polizist im operativen Dienst? Logischerweise ist das unrealistisch, diese ganze Ermittlung ist das. Aber wie gesagt, wir reden hier von einer Satire – dort sind Überspitzungen erlaubt. Geschickt verwebt die Autorin Interessantes zum Thema Geruchsinn mit ein und bald sensibilisiert sich die Nase beim Lesen, riecht mit. Bereits beim muffligen Käsefuß-Ricky hätte ich gern mit Nina Richtung Toilettenschüssel begleitet – Kopfkino. Die skurrilen Charaktere sind liebevoll ausgearbeitet und die Dialoge sind gut gesetzt. An manchen Stellen zieht sich die Geschichte, aber insgesamt fand ich sie gut. Anne von Vaszary spielt mit Worten, mit Dialogen und wem das gefällt, der liegt hier richtig.
‹Wie kommt’s, dass Sie hier noch keiner abgeschleppt hat?›
‹Sondereinsatz›, versuchte Koller zu scherzen, aber es klag doch eher gequält.
‹Ist was passiert? Ist Ihnen ihr Holzfuß vom Pedal gerutscht?
Anne von Vaszary, 1975 geboren und aufgewachsen in Sachsen, studierte Dramaturgie und Drehbuchschreiben an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und schlug den damals ungewöhnlichen Weg ins interactive Storytelling ein. Ihre Werke erhielten mehrere Preise, u.a. den Lara Kino Award für die Beste Kinoadaption 2009 sowie den Deutschen Entwicklerpreis für das Beste Adventure 2009 und die Beste Story 2016. 2016 gewann sie auch das Arbeitsstipendium der Mörderischen Schwestern, das den Weg zu ihrem ersten Kriminalroman »Die Schnüfflerin« ebnete. Ein weiterer Band ist für 2021 bereits in Arbeit. Anne von Vaszary lebt mit ihrer Familie in Berlin und schreibt in Sachsen und auf Sylt.
Anne von Vaszary
Die Schnüfflerin
Krimi
Knaur Verlag, 2020, Taschenbuch 384 Seiten
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