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Die Einladung von Emma Cline - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Die Einladung 


von Emma Cline

Gesprochen von: Denise Monteiro
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 8 Std. und 26 Min.


Der Anfang: 

Jetzt war August. Das Meer war warm und jeden Tag wärmer.

Alex wartete, bis eine Reihe von Wellen zu Ende war, bevor sie sich einen Weg ins Wasser bahnte, mit stapfenden Schritten, bis es tief genug war für einen Kopfsprung. Einige kraftvolle Schwimmzüge und sie war draußen, jenseits der Brandung. Das Wasser war ruhig.

Von hier aus war der Sand makellos. Das Licht — das berühmte Licht — gab dem Ganzen etwas Liebliches und Mildes: dem dunklen europäischen Grün des Buschwerks, dem Dünengras, das sich in flüsterndem Einklang wiegte. Den Autos auf dem Parkplatz. Selbst den Seemöwen, die einen Mülleimer umschwärmten.


Der Sommer in den Hamptons neigt sich zum Ende, das 22-jährige Callgirl Alex rekelt sich am Pool des Sommerhauses ihres Sugardaddys Simon, träumt davon, dass er sie mit nach Hause nimmt. Der Kunstsammler in den Fünfzigern aus der East-Coast-Upper-Class beschenkt sie mit Kleidchen und Poolbekleidung, hat ein paar Ohrringe springen lassen. Eine unzuverlässige Erzählerin – der Leser ahnt gleich am Anfang, dass Alex lediglich der Ferienspaß für Simon ist und dass die Story böse für Alex enden wird. Alex hofft darauf, bei Simon zu bleiben, weil sie nirgendwo mehr hinkann. Ihre WG hat wahrscheinlich ihr Zimmer schon weitervermietet – den Leuten schuldet sie mehrere Monatsmieten und Geld. Dom, ihr Ex macht stündlich Stress am Handy, er will sie unbedingt sehen wegen dem, was sie getan hat – und das hört sich nicht nach Wiedersehensfreude an.


In New York kann sie sich nicht mehr blicken lassen - in den Hamptons kennt man sie nicht


Jetzt war Alex in bestimmten Hotelbars nicht mehr willkommen, musste bestimmte Restaurants meiden. Alex’ Zauber, wie auch immer er geartet war, verlor langsam seine Wirkung. Nicht ganz und gar, aber genug, dass sie allmählich verstand, dass es eine Möglichkeit war. … Im April: Ein Hotelchef hatte in leisen Tönen gedroht, die Polizei zu rufen, nachdem sie versucht hatte, das Essen mit der Kreditkarte eines alten Kunden zu bezahlen. Zu viele ihrer Stammkunden meldeten sich nicht mehr.


Simon gibt am Labour-Day jedes Jahr seine Garten-Abschlussparty. Bis dahin scheint die Unterkunft von Alex gesichert, denn sie ist unendlich anpassungsfähig. Wie ein Chamälion taucht sie in die Umgebung ein, bezirzt manipulativ ihre Mitmenschen. Doch dann begeht, sie einen Fehler! Zwei sogar, direkt hintereinander. Nun sie ist nicht mehr willkommen. Sie weiß selbst, dass sie in der Welt der Gebildeten, Reichen und Schönen nur als Spielzeug von Simon geduldet ist. Sie ist immer nur ein Gast, kann hier keinem das Wasser reichen – selbst die Hausangestellten von Simon blicken auf sie herab. Aber so verzweifelt wie jetzt war sie noch nie. Denn da ist niemand in New York, zu dem sie zurückkann, niemand, der sie aufnehmen würde. Wer sie kennenlernt, hat sie irgendwann durchschaut: Sie ist eine manipulative Schnorrerin und Diebin, egoman und arbeitsscheu. 


Der Traum vom neuen Leben


Diese Sache war echt, sie und Simon. Oder könnte es sein.

Tagsüber sah Alex im Wintergarten fern, las Zeitschriften in der Wanne, bis das Wasser kalt wurde. Sie fuhr allein an den Strand. oder schwamm in Simons Pool. Montags, mittwochs und freitags kam eine Frau, um Wäsche zu waschen und sauberzumachen. Alex verbrachte Stunden damit, von Zimmer zu Zimmer gescheucht zu werden von der schweigsamen, geschäftigen Patricia, die Alex’ Gegenwart mit derselben unbewegten Miene zur Kenntnis nahm wie jede Unordnung.


Alex ist sich ganz sicher, Simon liebt sie, er wird sich beruhigen, auch wenn er sie jetzt vor die Tür gesetzt hat. In einer Woche steigt die Party. Bis dahin muss sie unterkommen auf Long Island, nur die paar Tage durchhalten. Strahlend wird sie am Labor-Day auf der Feier auftauchen und Simon wird sie in die Arme schließen, weil er sie so sehr vermisst hat. Und alles wird wieder gut. Sie hat zwar seine wertvolle Armbanduhr eingesteckt und alle seine Tabletten, die sich nun selbst reinknallt, doch er wird sich beruhigen, sie verstehen. Auch die Sache mit dem Auto und dem Typ auf der Party – alles nicht so wild. So geistert sie durch Gärten und über Dünen, auf der Suche nach einem neuen Unterschlupf und Nahrung, darin geübt, sich den Wünschen und Erwartungen anderer anzupassen.


Der Gast, der hoffentlich bald verschwindet

Die Protagonistin selbst berichtet uns von ihrem Dilemma. Anfangs dachte ich, na ja, ein wenig spannend. Ein Roman, den alle so hochgelobt haben. Irgendwann wurde ich das Geplapper von Alex leid. Ich gähnte vor Langeweile und spulte immer wieder ein Stück weiter, immer mehr vor. Im Original heißt das Buch «The Guest» – was passend ist. Denn Alex wird nicht eingeladen, sie lädt sich stets selbst ein und sie gehört nirgendwo dazu. Der Gast, der hoffentlich bald verschwindet. Was Emma Cline ganz gut gelingt, ist die Beschreibung der Upperclass in den Hamptons. Die Protagonistin selbst kommt genauso flach herüber wie ihre Backstory. 


Langweilig und oberflächlich 

Aus ihrem Leben von Alex erfahren wir kaum etwas, nur dass sie überall Geld schuldet und warum Dom ziemlich sauer auf sie ist. Das war schon alles. Das ist der Fehler in diesem Roman. Alex ist niemand und präsentiert sich als niemand, sie hat keine Ziele, außer, sich von einem Sugardaddy aushalten zu lassen. Ein Mensch ohne Persönlichkeit und ohne Charakter, dazu ausgebrannt und tablettensüchtig. Ein guter Betrüger besitzt einen eigenen Charakter und Cleverness, ist manipulativ. Das einzige, was Alex beherrscht, ist Manipulation als Selbstaufgabe. Der Leser fragt sich: Was steckt dahinter, wie konnte das aus diesem Mädchen werden? Die Frage wird uns leider nicht beantwortet. So plappert Alex im Schmerztablettenrausch immer dasselbe, Alex schleppt sich mitsamt ihrer Story im Kriechtempo durch die schöne Natur, durch den Roman. Flache Dialoge holpern und nicht mal gute Naturbeschreibungen bekommt Emma Cline hin. Ein gutes Nature Writing hätte ja noch die ein oder andere Situation herausreißen können. Ja, es geht um Abhängigkeit und Macht, um Manipulation und Grenzüberschreitung. Aber das wird in vielen Büchern besser beschrieben. Und ich finde immer wieder Metaphern, die lassen mich zusammenzucken: «Ein Mann mit der Bräune teurer Ledertaschen». Das Ende ist obendrein unverständlich. Was war hier wirklich das Thema? Reiche Männer nutzen hübsche junge Mädchen aus? Simon lässt sie wohnen, gut speisen, macht ihr teure Geschenke. Sie ist ein Escortgirl! Alex wird in den Kreisen von Simon nicht anerkannt. Sie hat ja auch nichts zu geben. Oder ging es um die dekadente Bourgeoisie? Dazu ging es nicht tief genug ins Eingemachte. Was war das Thema? Ich weiß es nicht. Schlicht ein langweiliger, oberflächlicher Roman für mich, der sprachlich nichts bieten hat.


Emma Cline wuchs in Kalifornien auf. Für ihr schriftstellerisches Schaffen wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Plimpton Prize for Fiction der Paris Review. Ihre Erzählungen erschienen u.a. im New Yorker, Granta und der Paris Review. Sie wurden wiederholt in die Best American Short Stories-Anthologie aufgenommen. Bei Hanser erschienen ihr gefeiertes Debüt The Girls (Roman, 2016), der Erzählungsband Daddy (2021) und zuletzt Die Einladung (Roman, 2023).



Emma Cline
Die Einladung
Originaltitel: The Guest
Aus dem Englischen übersetzt von Monika Baark
Gesprochen von: Denise Monteiro
Zeitgenössische Literatur, Amerikanische Literatur
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 8 Std. und 26 Min. 
Hörbuch München von RBmedia Verlag, Audible
Hanser Verlag, 320 Seiten, 2023



Zeitgenössische Literatur

Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht  immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …
Zeitgenössische Romane


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